
Ungewöhnliche Anzeige: Junger Ramminger träumt von Feiern und Konzerten

Plus Wie der 23-jährige Julian Münnich aus Rammingen die Pandemie erlebt und warum er sich in einer Zeitungsannonce selbst zum Geburtstag gratulierte.
Was es an einem Samstag unter „Vermischtes“ in der Mindelheimer Zeitung zu entdecken gab, war recht klein, dafür besonders und so ganz anders, als es der aufmerksame Zeitungslesende von ähnlichen Annoncen gewohnt war.
„Ich, Julian, habe heute meinen 23. Geburtstag und gratuliere mir selbst. Julian.“ Das war da zu lesen, unauffällig und nicht mal mit einem Rahmen hervorgehoben.
Für Julian Münnich aus Rammingen ist Homeoffice seit Corona kein Problem
Also: Erst einmal gratuliert das Team der Mindelheimer Zeitung mit allen aufmerksamen Leserinnen und Leser Dir, Julian, damit Du mit den guten Wünschen für Dein neues Lebensjahr nicht alleine dastehst! Dann die Frage: „Wie bist Du darauf gekommen, das so zu formulieren und dann gleich noch in die Zeitung zu setzen? Du hättest das doch einfach für deine Freunde auf dem Handy hochladen können?“

Julian Münnich aus Rammingen hatte an jenem Samstag Geburtstag gehabt. 23 Jahre ist er alt geworden. Julian ist gebürtiger Ramminger und dort in die Grundschule gegangen.
Er wohnt immer noch in Rammingen. Sein Beruf: Industriekaufmann im Finanzbereich. So benennt er die heutzutage allgemein auf Englisch geläufige Bezeichnung seiner Tätigkeit. Und ja, er arbeitet im Homeoffice, komplett seit Corona. Das hat er vor Corona auch schon regelmäßig getan. Es war also nichts Neues und auch keine große Umstellung und kein mühsames Neulernen für ihn wie für viele andere berufstätige Menschen.
Julian sieht für sich selber bei der Arbeit im Homeoffice Vorteile. Er fühle sich dadurch privilegiert. Als Beispiel nennt er die Zeitersparnis von einer Stunde Fahrzeit am Tag. Und davon, dass er jetzt eine Person sei, die man problemlos zuhause antreffen könne.
Nicht nur Julian Münnich aus Rammingen leidet unter dem Verlust an sozialem Miteinander
Wenn er sich also selbst zum Geburtstag gratuliert, nimmt er indirekt nicht persönlich auf sich Bezug, sondern spricht von einer Situation, die viele andere auch kennen, Jung und Alt: Er spricht vom Verlust an sozialem Miteinander. Sein Bruder hätte ihn ursprünglich auf die Idee mit der Zeitung gebracht. „Vor allen Dingen sollte es witzig sein“, sagt Julian.
Denn das ist etwas, das ihn sehr beschäftigt in Pandemie-Zeiten: etwas Witziges, etwas zum Schmunzeln zu finden. „Es ist nicht leicht, noch vernünftige Gespräche zu führen“, sagt er und meint damit, dass das Thema Corona inzwischen alles überlagere. Er, Julian, wünsche sich Gespräche „ohne diese Anspannung“, egal ob unter Gleichaltrigen oder beim Einkaufen. Er spinnt den Gedanken noch weiter: von den vielen anderen Dingen, von den wichtigen Sachen, höre man kaum mehr etwas.
Er denke dabei an den Klimawandel, oder an Flüchtlinge, die eingesperrt unter katastrophalen Bedingungen Kälte und mangelnde Versorgung aushalten müssten. „Wir dagegen können noch einkaufen“, sagt er.
Aber natürlich fehle auch ihm wie vielen seiner gleichaltrigen Freunde das Spontane. Er bedauert, dass er seine Lieblingsmusik „aus der Konserve hören“ müsse. „Videos kann jeder“, sagt er dazu. Er wünsche sich, dass die Musik live sein sollte, auch wenn Zuhörer nicht dabei sein dürften. Die Vorfreude auf ein übertragenes Livekonzert sei ihm wichtig. Zum Glück gäbe es das schon.
Noch einmal auf seine Annonce hin angesprochen, sagt er, seine Anzeige sei genau so bei den Leserinnen und Lesern angekommen, wie er sich das gewünscht hätte: Er wollte zum Nachdenken anregen, aber mit Humor.
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