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Fußball: Ein Mindelheimer trainiert, wo andere Urlaub machen

Fußball

Ein Mindelheimer trainiert, wo andere Urlaub machen

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    Der Mindelheimer Reiner Maurer ist mittlerweile in Thailand als Trainer tätig.
    Der Mindelheimer Reiner Maurer ist mittlerweile in Thailand als Trainer tätig. Foto: Archivfoto: Andreas Lenuweit

    König Fußball regiert die Welt. Am Donnerstag, 13. Oktober 2016, als die Nachricht über den Tod des thailändischen Königs Bhumipol bekannt wurde, stand diese Welt in Thailand still. Das Leben ging zwar weiter im früheren Siam, aber der Tod des gottähnlichen Monarchen hatte viele Auswirkungen. Alle sportlichen Veranstaltungen wurden bis auf Weiteres abgesagt. Der Spielbetrieb im Fußball wurde im Rahmen der Staatstrauer eingestellt, die Saison vorzeitig für beendet erklärt. Zeit der Trauer für die Menschen in Thailand, für die ihr König unvorstellbar weit über allem steht – für den Horizont eines Nicht-Thailänders nur schwer nachzuvollziehen. Aber zurück zum Fußball. Zeit auch für Reiner Maurer (56) aus Mindelheim, der Heimat einen Besuch abzustatten. Er wurde vorzeitig arbeitslos, die Gehaltszahlung wurde eingestellt. Es geht im Januar in Thailand weiter.

    Der Unterallgäuer trainiert seit dem 9. November 2015 den Zweitligisten Ang Thong FC. Mit für thailändische Verhältnisse bemerkenwertem Erfolg. Er wurde noch nicht entlassen! Was viel bedeutet in diesem Land, in dem die Halbwertszeit für einen Fußball-Trainer äußerst gering ausgeprägt ist. Maurer ist der einzige Trainer des Klubs, der in den vergangenen sieben Jahren – seitdem führt der jetzige Präsident den Verein – nicht unter der Saison entlassen wurde. Deshalb fliegt er Anfang Januar wieder nach Südostasien.

    Kein Mensch kann sich hier in Deutschland vorstellen, dass die Fußball-Saison für beendet erklärt wird, weil etwa die Bundeskanzlerin gestorben ist. Haben Sie Verständnis dafür, dass dies in Thailand geschehen ist, weil der König dort gestorben ist?

    Reiner Maurer: Das kann man nicht vergleichen. Der König ist in Thailand überall präsent. An jedem Platz, an vielen Straßen, an vielen Brücken hängen Fotos neben der thailändischen und der gelben Flagge des Königs. Er ist in jedem Haus, in jeder Familie gegenwärtig und nimmt insofern Anteil am täglichen Leben der Menschen dort. Er wird unglaublich verehrt. Sein Tod hat dementsprechend Auswirkungen für alle Menschen des Landes. Insofern kann ich verstehen, was dort geschieht. Man wird auch als Ausländer mit ihm an jedem Tag an jeder Ecke konfrontiert. Er hat das Land, das noch nie in seiner Geschichte Kolonie war, stets geeint.

    Wie ist die Lage derzeit in Thailand?

    Maurer: Die Staatstrauer hat negativ in den Sport hineingespielt. Die Sponsoren sind aktuell zurückhaltend. Momentan herrscht gewisse Unsicherheit im Land. Mal sehen, wie sich das politisch entwickelt.

    Welchen Stellenwert hat Fußball in Thailand?

    Maurer: Es ist die Nummer 1 in den Sportarten. Alle Spiele der Ersten und Zweiten Liga werden, wie in Deutschland auch, live übertragen. In den Zeitungen ist Fußball dagegen nicht so präsent. In München habe ich jeden Morgen eine Stunde lang den Pressespiegel gelesen.

    Wie muss man sich den Umgang mit den Spielern und deren asiatischer Mentalität vorstellen, deren Sprache Sie ja nicht beherrschen?

    Maurer: Es geht in der Regel über einen Dolmetscher. Thailändische Spieler sind stark stimmungsabhängig. Sie sind freundlich, offenherzig, zuvorkommend und hilfsbereit. Wie die ganz normalen Menschen in Thailand auch. Sie sind aber auch mal sauer, wenn sie nicht spielen.

    Wie gestaltet sich die Fan-Szene?

    Maurer: Es herrscht eine positive Stimmung. Pro Spiel kommen in Ang Thong um die 2000 Zuschauer. Auch wenn die Mannschaft schlecht gespielt hat, wird sie mit Applaus verabschiedet. Die Spieler gehen nach jedem Spiel zur gegnerischen Trainerbank und zu den gegnerischen Fans und verabschieden sich.

    Bei Ihrem früheren Verein 1860 München, den Sie bereits zweimal trainiert haben, hat Investor Hasan Ismaik großen Einfluss, wie der Verein ausgerichtet wird. Wie ist das in Ang Thong?

    Maurer: Der Präsident mischt sich ein, ähnlich wie in Griechenland, wo ich jahrelang trainiert habe. Er ist in vier von fünf Trainingseinheiten mit am Platz. Er sitzt während des Spiels mit auf der Bank. Meistens neben mir, maximal zwei Plätze weg. Er ist ein junger Politiker und Geschäftsmann. Er entscheidet alles. Wichtig ist, dass das Vertrauen wächst. Das ist in Asien noch wichtiger, als sonst wo. Es heißt dort: Du kommst als Fremder. Du wirst ein Bekannter. Dann bist du ein Freund. Am Schluss kommt das Geschäft.

    Was sind Ihre größten Baustellen?

    Maurer: Es gibt keinen ausgebildeten Physiotherapeuten. Ich sage, der ist mir so wichtig wie mein bester Spieler, aber hier spart man sich das Geld. Zum neuen Jahr bringe ich einen deutschen Physiotherapeuten mit. Von elf Spielern auf dem Platz müssen sieben aus Thailand und dürfen nur vier Ausländer sein, einer davon muss Asiate sein. Und die müssen den Unterschied machen.

    Wie kommen Sie mit dem für europäische Mägen ungewohnten Essen klar?

    Maurer: Ich esse kein Streetfood. In Ang Thong gibt es nur thailändische Küche, da muss man sich anpassen. Es kommen selten Touristen. Deshalb wird kaum Englisch gesprochen. Das ist in Bangkok oder in Touristenorten leichter.

    Sie haben mit Ang Thong die beste Saison der Vereinsgeschichte hinter sich. Nach der Hinrunde lag die Mannschaft gar auf Platz zwei, am Ende auf Rang fünf. Wie geht’s weiter?

    Maurer: Am 3. Januar fliege ich wieder nach Bangkok. Dann starten wir mit der Saisonvorbereitung nach elf Wochen Pause. Am 11. Februar beginnt die Meisterschaft. Es wird schwer, in knapp sechs Wochen die Mannschaft auf ein hohes Niveau zu bekommen. Anders als hier, wo jeder Profi einen Trainingsplan mit in die Pause nimmt, kannst du den Spielern dort keinen Plan mitgeben, an den sie sich halten sollen. Die trainieren selten in der Freizeit.

    Sie sind der erfolgreichste Trainer des TSV 1860 München seit dem Abstieg in die Zweite Liga 2004. Als Spieler haben Sie den Durchmarsch mit den Sechzigern von der damals drittklassigen Bayernliga bis in die Bundesliga 1994 geschafft. Verfolgen Sie die Vorgänge bei den Löwen mit dem umstrittenen Hasan Ismaik noch?

    Maurer: Natürlich. Ismaik hat viel investiert und will kurzfristig Erfolg sehen. Verantwortliche wurden jahrelang schnell ausgetauscht, dadurch fehlt Kontinuität. München hat zudem eine schwierige mediale Umgebung. Die Ansprüche sind inzwischen zwar geringer, aber immer noch sehr hoch. Nach jedem verlorenen Spiel kommt Unruhe auf und es werden Sündenböcke gesucht.

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