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Radball: Lehnst du noch, oder schießt du schon?

Radball

Lehnst du noch, oder schießt du schon?

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    Erst einmal Stehen: Was bei den Nachwuchsradballern des Velo Clubs Mindelheim so einfach aussieht, braucht dann doch ein bisschen mehr als eine Trainingsstunde.
    Erst einmal Stehen: Was bei den Nachwuchsradballern des Velo Clubs Mindelheim so einfach aussieht, braucht dann doch ein bisschen mehr als eine Trainingsstunde. Foto: Herbert Ruf

    Wer am Ende mehr gewinselt hat, ist nicht überliefert: der Mops oder Nicholas Edward Kaufmann. Denn der Legende nach war eben jener berühmte amerikanische Kunstradfahrer Kaufmann Ende der 19. Jahrhunderts mit seinem Rad unterwegs, als ihm ein kleiner Hund vor selbiges lief. Kaufmann hob kurz das Vorderrad und schlenzte den Mops kurzerhand „so sanft wie möglich“ aus dem Weg. Geboren war die Idee vom Radball.

    Ob es für Kaufmann auf seinem (Hoch!)-Rad oder den Mops tatsächlich so glimpflich ausging – Kunstradfahrer hin oder her – ist nicht bekannt. Denn das Wegschnippen eines Balles mit dem Vorderrad ist für einen Radball-Anfänger durchaus anspruchsvoll und bisweilen schmerzhaft.

    Davon konnte ich mich kürzlich selbst überzeugen. Beim Besuch des Jugendtrainings der Radballabteilung des Velo Club Mindelheim. Seit 1949 wird dieser Sport – mit Ausnahme zweier Dürrezeiten in den 1950er Jahren – beim Velo Club betrieben. Größte Erfolge waren dabei der Gewinn der süddeutschen Jugendmeisterschaft 1975 durch das Duo Manfred Merk/Wolfgang Tyroller sowie der Aufstieg des Teams Stefan Hofmann/Norbert Schiegg 1996 in die 2. Bundesliga.

    Drei Nachwuchsteams stehen im Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft

    Diesen vereinsinternen Idolen eifern beim VC Mindelheim nun zwölf Jugendliche nach. In diesem Jahr haben es die U15-Mannschaft (Marco Aufmuth/Fabian Sturm) und die U13-Mannschaft (Maximilian Merk/Denis Martin) zu bayerischen Meistertiteln gebracht, Felix Keller und Jonathan Sliwockyj rundeten den Erfolg mit Rang drei ab. Am 6. Mai richtet der VC Mindelheim sogar das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft aus – und ist dabei mit diesen drei Mannschaften in den Altersklassen U 13 und U15 vertreten. „Heuer läuft es richtig gut“, sagt Herbert Ruf. Der 46-Jährige ist Jugendleiter und spielt selbst seit 35 Jahren Radball. Zusammen mit seinem Teamkollegen Michael Böck vertritt er den VC Mindelheim in der Radball-Bayernliga. Zusammen trainieren die beiden nun die Jugendlichen.

    Die Trainingsgruppe umfasst junge Radballer im Alter von acht bis 14 Jahren. Während die Größeren bereits ein Trainingsspiel absolvieren, versuchen sich die Jüngeren an den Grundlagen. Im Gegensatz zu mir aber können sie das Stehen, Bremsen, Passen und Schießen bereits. „Es braucht ungefähr ein Jahr, bis man das alles beherrscht. Erst dann machen Spiele Sinn“, sagt Herbert Ruf. Wie recht er damit hat, merke ich gleich beim ersten „Ritt“ auf dem Radballrad. Denn es ist nicht nur die Optik – der andersartige Lenker, der nach hinten versetzte Sattel –, die neu ist. Auch das Fahren ist gänzlich anders, dank der starren Übersetzung. „Ein Radballrad hat keinen Freilauf, weder nach hinten noch nach vorn“, sagt Ruf. Sprich: Die Pedale laufen immer mit. Man kann das Rad nicht einfach rollen lassen, sondern tritt immer mit. Beim Bremsen heißt es dann, aus dem Sattel gehen, den Schwerpunkt nach vorne legen und kräftig nach hinten zu treten. Was bei den Kindern leicht aussieht (und Spaß zu machen scheint), wirkt bei mir wie der vorsichtige Versuch, das Rad ja nicht steigen zu lassen.

    Das Schießen scheitert anfangs am richtigen Timing. Wenn ich den Ball dann mit dem Vorderrad tatsächlich treffe, dann reicht die Balance nicht mehr, um die Füße auf den Pedalen zu halten. „Absteigen“ ist aber verboten und zieht im Spiel eine Strafe nach sich: Der betreffende Spieler muss die Torauslinie des eigenen Tores überqueren und ist erst dann wieder spielberechtigt. Doch an ein Spiel ist bei erst einmal eh nicht zu denken. Auch das „Stehen“ – mit beiden Füßen auf den Pedalen die Balance zu halten – klappt bei mir erst einmal nur mit der Hallenwand als Stütze. Während im Hintergrund gerade der Torhüter stehend und freihändig einen Ball abwehrt ...

    Einer dieser jungen Kerle ist Simon Hofmann. Der Elfjährige ist stets mit seinem BMX-Rad unterwegs gewesen. Seine Eltern wollten ihn zum Sport bewegen, „am besten irgendwas mit dem Fahrrad“ sollte es sein. Ähnlich war es bei Marco Aufmuth (13). Er hatte sich tatsächlich selbst einmal in den Kopf gesetzt, mit seinem Rad Fußball zu spielen. „Da hat meine Mama gesagt: ’Da gibt’s doch so etwas in Mindelheim’“, sagt er. „Radball macht mehr Spaß, als Fußball“, sagt er. Warum? Die Antworten der jungen Radballer sind vielfältig. „Fußball kann jeder“, sagt etwa Elias Ruf (8). Sein Vater Herbert hat noch drei andere Argumente für den Radballsport: „Man sitzt nie auf der Bank, man hat immer Ballkontakt und jeder darf Tore schießen.“

    Als Andenken bleibt ein blauer Knöchel

    Auch die Verletzungsgefahr sei deutlich geringer als beim Fußball. Außer Blasen an den Händen (vom Umklammern des Lenkers), blauen Flecken an Schienbeinen (von den Pedalen) gebe es kaum etwas Schlimmes. „Eine Helmpflicht gibt es auch nicht. Auf den Kopf fällt man nie“, sagt Herbert Ruf. Außerdem lerne man das richtige Fallen. Die Knöchel, die beim Abrutschen gerne an eine Schraube der Hinterradaufhängung knallen, schützen die Spieler mit Ringerschuhen. „Die sind perfekt, weil sie knöchelhoch sind und sie eine weiche Sohle haben, mit der man mehr Gefühl auf dem Pedal hat“, erklärt Herbert Ruf. Ringerschuhe habe ich nicht, dafür einen blauen Fleck am rechten Innenknöchel.

    Trotzdem: Der Sport ist faszinierend. Er verlangt schnelle Reaktion, gute Koordination und Balance und nicht zuletzt auch Kraft in Armen und Beinen. Wer es beherrscht, hat sichtlich Spaß am Spiel (auch wenn es nur in der Halle möglich ist). Und der Sport spornt die Kinder offenbar auch an. „Der Schwund ist bei uns nicht sehr groß“, sagt Herbert Ruf. Im Gegenteil: Für eine klassische Randsportart hat der Velo Club Mindelheim eine blühende Nachwuchsarbeit. Nur zwei Kinder hätten in den vergangenen Jahren aufgehört. Alle anderen seien geblieben. Der Verein tut auch einiges dafür. So wurden zuletzt Kinder-Radballräder aus Alu angeschafft. Kostenpunkt: 2250 Euro pro Stück. „40 Jahre lang hatte man nur Stahlräder, jetzt tut sich langsam etwas“, sagt Ruf.

    Am Ende des Trainings habe ich mich langsam an das Radballrad gewöhnt, kann sogar bremsen. Das mit dem Stehen ist dagegen noch ausbaufähig. Und was das Schießen angeht: Kleine Hunde brauchen keine Angst vor mir zu haben.

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