
Auf der Suche nach den Stolpersteinen des Lebens

Plus Ingenieurin, Mentalcoach, Mutter: Christine Fischers Alltag reicht für viele Leben. Wie es ihr gelingt, sich selbst dabei nicht aus den Augen zu verlieren.
Fastenzeit: Das bedeutet auch, sich von Altlasten zu trennen, einen Neuanfang zu wagen, Körper und Seele zu reinigen. Wie geht man mit Ballast um, wie wird man ihn los? In der Fastenzeit versuchen wir, darauf Antworten zu finden – heute mit Christine Fischer aus Wiedergeltingen.
Christine Fischer fällt auf. Das liegt zu Teilen an ihrer Erscheinung; an der schlanken Statur, dem aufrechten Gang, ihrer wohltönenden Stimme. Doch da ist noch etwas anderes. Etwas, das einen unwillkürlich einnimmt, wenn man Zeit mit ihr verbringt: Christine Fischer ist fokussiert, konzentriert. In sich ruhend.
Mit der Ausbildung zur Dorfhelferin begann der Berufsweg für Christine Fischer
Hört man ihr zu, wie sie aus ihrem Leben erzählt, erstaunt das umso mehr. Denn allein als Dreifachmutter könnte Christine Fischer wohl über einen Mangel an Aufgaben nicht klagen.
Die 41-Jährige kann zudem auf eine Karriere als Diplom-Ingenieurin im Lebensmittelbereich verweisen. Maßgeblich hat sie in dieser Zeit an der Entwicklung einer höchst erfolgreichen Produktmarke mitgewirkt, hat ihren Teil dazu beigetragen, dass eine „Ecke“ Verkaufsschlager wurde.
Ursprünglich hat sie eine Ausbildung zur Dorfhelferin gemacht; parallel hat sie in dieser Zeit ihren heutigen Mann kennengelernt. Ihre Einsätze im Südbadischen Raum zeigten ihr über die Zeit jedoch eines ganz genau: ein bewusster Haushalt mit den eigenen Kräften will gelernt sein. Mehr noch zeigten ihr die Einsätze, dass ein Blick von außen auf ein System vieles offenlegt, eine Auseinandersetzung damit von allen Beteiligten allerdings gewollt sein muss.
Christine Fischer zog die Notbremse, nach geraumer Zeit in diesem Beruf. Sie gestattet sich eine Zeit der Konsolidierung, mit fruchtbaren Einblicken. „Das Leben zeigt einem dann ganz genau, wo man steht“, sagt sie. Das Fazit dieses Innehaltens lässt sie noch einmal die Schulbank drücken. Sie setzt sich dabei bewusst über Vorbehalte hinweg, die ihr aus engstem Umfeld entgegentreten.
Sie studiert in Weihenstephan Lebensmitteltechnologie, zeigt mit der Wahl dieses Studienfachs auch ihre Unbeirrbarkeit. Zeigt aber auch, dass sie aus der Zeit als Dorfhelferin gelernt hat, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Und dem Bauchgefühl zu trauen. „Vorher Gefühlswelt, nachher technisch-analytisch“, beschreibt sie selbst diesen massiven Umbruch.
Als sich das erste Familienmitglied anbahnt, führt der Weg der jungen Familie nach Wiedergeltingen, raus aus dem Speckgürtel Münchens, hinaus aufs Land. Zwei weitere Kinder dürfen hier geboren werden. Immer jedoch begleitet Christine Fischer die Neugier auf die Menschen, auf deren Tun, deren Entscheidungsfindung. Sie beginnt eine weitere Ausbildung, lässt sich als Mentalcoach nieder, baut auch diesen Fachbereich weiter aus. Das ist es, was sie machen möchte, sie ist angekommen.
Würde sie, nach heutigem Wissensstand, etwas anders machen? Einen anderen Weg einschlagen, um schneller am Ziel zu sein? „Von hier aus auf Entscheidungen zu blicken, die man damals getroffen hat, das bringt nichts“, sagt Christine Fischer. Man würde wohl wieder so entscheiden.
Christine Fischer rät, sich selbst ein fürsorglicher Berater zu sein
Eine gute Technik, sich und seinen derzeitigen Lebensstandpunkt zu hinterfragen, hat sie dennoch im Angebot. Christine Fischer nennt es „die Bank-Methode“. „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen hochbetagt auf einer Bank und blicken auf Ihr Leben von heute zurück“, sagt sie, „die Dinge, die sich dann zeigen, sortieren Sie“.
Dieser Überblick wird dann erneut einem Check unterzogen. „Wer sitzt auf dieser Bank, was kann die Person? Was belastet sie - und was davon wird im Alter noch wirklich wichtig sein?“ Sind Themen darunter, die einen besonders anspringen? Die sich wiederholen? „Dann könnte es sich dabei um einen Stolperstein handeln“, sagt Mentalcoach Fischer.
Diese Stolpersteine sichtbar zu machen, damit habe man schon viel Mut bewiesen, aber auch Liebevolles für sich selbst getan. „Sich selbst ein fürsorglicher Berater sein“, nennt Christine Fischer das. Oft lassen sich diese Hürden dann auflösen. Sich professionelle Hilfe dafür zu holen, das möchte Fischer betonen, ist dennoch immer eine Option.
Auch die Beschäftigung generell mit sich selbst, ist eine individuelle Sache. „Die Fastenzeit bietet sich dennoch prima an, sich selbst bewusst zu sein“, sagt sie.
Sich dabei auf ein „Weniger“ einzulassen, kann helfen zu erkennen, was man wirklich braucht. Und: eine Beschäftigung mit der eigenen Person ist immer gut investierte Zeit. Für alle, die innerhalb der Fastenzeit eine Art „Vertrag mit sich selbst“ geschlossen haben, sich also fokussiert mit dem derzeitigen Standpunkt auseinandersetzen wollen, hat Christine Fischer zwei weitere, wertvolle Techniken parat.
Morgen-Seiten schreiben: täglich drei DIN-A-4-Seiten handschriftlich befüllen, „und zwar ohne Zwang und Sinn“. Hier darf alles „herausgeschrieben“ werden, was sich zeigen will. Nach einem selbst festgelegten Zeitraum gilt es dann, die Seiten auszuwerten. „Was wiederholt sich? Kann ich es ändern oder lösen?“
Stirn-Hinterkopf-Halten: Die flache Hand mit der Innenseite auf die Stirn legen, die andere Handinnenseite hinterhalb des Kopfes auf den Nacken legen. „Zwei bis drei Minuten in dieser Stellung verharren, dabei ruhig in den Bauch hineinatmen“, erklärt Christine Fischer. Das helfe dabei, Reize von außen, sowie Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis zu sortieren.
Einen letzten Tipp möchte Christine Fischer allen MZ-Leserinnen und -Lesern noch mit auf den Weg geben: „Ruhepausen im Alltag verankern!“
Dazu moderate Bewegungseinheiten an der frischen Luft, sich „im absichtslosen Raum“ bewegen, also im Jetzt, und genügend Wasser trinken. „So kann die Fastenzeit als Brückenschlag dienen, neue, sich selbst zugewandte Routine in den Alltag zu bringen!“
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