
Beziehung brutal im Theater Neu-Ulm

Die Komödie „Die Wunderübung“ von Erfolgsautor Daniel Glattauer überzeugt durch bittere Komik - und harte Einsichten.
Reduziertes Bühnenbild, kaum Requisiten, lebensnahe Inszenierung, intensives Spiel: Diesem Erfolgsrezept folgte das Theater Neu-Ulm auch in der gut besuchten Premiere der neuen Komödie „Die Wunderübung“ des österreichischen Autors Daniel Glattauer, realisiert von Claudia Riese.
Auf der Bühne drei Stühle, ein Boxsack, zwei Tischchen. Eine Therapiepraxis. Es spielen Kornelia Kirwald und Thomas Koch als zerstrittenes neureiches Ehepaar Dorek. Heinz Koch gibt den Therapeuten Harald. Sie im bunten Outfit, hart und geradeaus, er eher grau, aber siegessicher. Der Therapeut im seriösen Schwarz und doch leicht abgewrackt. „Er ist unerfahren im Reden.“ – „Sie weiß nicht, wo anfangen.“ – „Sind sie sicher, dass sie zu mir wollen?“ Schlag auf Schlag geht es in die Vollen und lässt auch nicht mehr nach.
Zu Beginn sitzt der Therapeut mit dem Rücken zum Publikum, nachdem er sich diesem zuwendet, therapiert er es frontal. Kein Seitenhieb und keine Gemeinheit spart sich das Ehepaar, die Fetzen fliegen erst verbal, dann entladen sie sich beinahe handgreiflich. Ein verordneter Rollentausch steigert die Aggression. Das Publikum lacht über die Komik der Tragik. Es wurde fremdgegangen, die Kinder sind an allem schuld, beide verharren im Beziehungsbild der Generation Dinosaurier. „Sehr schön!“, geht Harald immer wieder dazwischen, hat seine Kunden längst schon aufgegeben, denn es fehlt ihnen der Zugang, das Herz, die Intuition. „Das Problem ist: Es gibt kein Problem!“
Schonungslos bietet das pointenreiche Stück dem Publikum eine klare Sicht auf das eigene menschliche Versagen. Wut, Zorn und Trauer werden Thema. Es braucht jetzt sogar Mut dem Stück offen zu begegnen. Die Sogkraft des Geschlechterkampfes lässt die Zeit nur so verfliegen, die Pause kommt im richtigen Moment. Man sieht, wie es im Publikum arbeitet.
Eine völlig unerwartete Wendung im zweiten Teil stellt den Zuschauer vollends ins Eck. Lachen oder weinen? Keiner weiß es mehr so ganz genau. Kornelia Kirwald, die erstmals auf der Neu-Ulmer Bühne spielt, und Thomas Koch legen eine beeindruckende Leistung hin, Heinz Koch bleibt zunächst im Hintergrund, schlägt dann aber mit voller Wucht zu: „Warum trennen sie sich nicht einfach?“ Man merkt: Der Autor, den meisten durch seinen Erfolgsroman „Gut gegen Nordwind“ ein Begriff, ist ausgebildeter psychosozialer Berater.
Was man lernt? Eine Beziehung lebt von der Ausgewogenheit zwischen Feuer und Eis. Was das bedeutet? Das Theater Neu-Ulm zeigt wieder einmal, wo die Kunst ihren Ursprung hat: im Kleinen, im Unmittelbaren. „Die Wunderübung“ ist in der Regie von Claudia Riese ein rundum empfehlenswertes Stück.
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