Der Mann in Schwarz, der eben noch so galant und formvollendet eine Sonate aus dem Fortepiano gezaubert hat, bittet das Publikum um ein Thema. „Hoffnung!“, ruft ein Zuschauer. Und die Tonart? „G-Dur“ wünscht sich ein Gast, „Es-Dur“ der nächste. Jermaine Sprosse gibt sich unerschrocken: „Ja, warum denn nicht beides? Und als Form vielleicht ein Rondo?“ – fragt er und streckt seine Finger nach den Tasten. Was folgt, ist der Moment der „Inventio“ – also die Entwicklung der Melodie, der musikalische Zündfunke. Wie „Hoffnung“ klingt? Sprosse lässt die Noten springen und klettern, immer aufwärts auf der Tonleiter. „Ich probier das Mal“, sagt er. Welch ein Understatement. Denn was jetzt folgt, ist der Moment der Verblüffung: Er strickt aus den Publikumswünschen eine imposante Improvisation, ein schillerndes Spiel mit Gefühlen und Stimmungseffekten – im Musikologen-Deutsch: „Affekten“. Die Musik strotzt vor Hoffnung, das Publikum staunt. Dieser Abend beim „Diademus“-Festival in Roggenburg beeindruckt: Jermaine Sprosse ist ein Schweizer Fachmann für Tasteninstrumente alter Bauart – und ein virtuoser, stilgetreuer Improvisateur. Er brilliert mit freiem Spiel – und frühklassischen Werken.
Roggenburg