
Tanzbarer Weltschmerz namens Tango

Ulm Schon der Auftakt des Tango-Konzerts mit dem Cuarteto Rotterdam und Frida Lippmann wird in Erinnerung bleiben: Menschenschlangen bis in den Hof des Hauses der Begegnung. Mit 60 Besuchern habe man gerechnet, hieß es seitens der Veranstaltungsleitung. Gekommen waren über 250.
Dass man das Gros der Konzertgäste nicht vor Erklingen der ersten Note heimschicken musste, war auch dem anwesenden Baubürgermeister zu verdanken, der die üblicherweise gesperrte Empore in der Kapelle der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche freigab. Störungsfrei ablaufen konnte das Konzert dennoch nicht: Das Mischpult schaffte die richtige Mischung von Vokalstimme und Instrumentalisten nicht, immer wieder sorgte der Nachhall für schwere Verständlichkeit insbesondere des gesprochenen und gesungenen Wortes. Umso bedauerlicher, da Vokalistin Frida Lippmann mit ihrem leicht rauchigen Timbre sich daher ein wenig zurücknehmen musste, obwohl doch gerade der Tango Feuer und Leidenschaft fordert, und das Cuarteto eine durchweg stimmige Reise durch Tango, Milonga und Valse antrat.
Wunderschöne Balladen von enttäuschter Liebe
Cuarteto Rotterdam ist eines der erfolgreichsten europäischen Tango-Formationen; die Mitglieder Susanne Welsch (Violine), Judy Ruks (Piano), Michael Dolak (Bandoneon) und Tino Scholz (Kontrabass) absolvierten ein Studium des Tango an der "Rotterdam Academy for World Music" (Niederlande). Zusammen mit Sängerin Frida Lippmann erlebte man die so wunderschön traurigen Balladen von enttäuschter Liebe, verlorenen Träumen, Trauer und Entwurzelung.
Das Goldene Zeitalter des Tangos der 40er Jahre mit Helden wie Carlos Gardel ("Melodia de Arrabal") brachte das Quartett immer wieder rein instrumental zu Gehör, bezauberte dabei mit kantig-flotten Rhythmen und der fein erfassten Mischung aus Tanzmusik, melancholischer Melodieführung und komplexer Instrumentierung. Dabei fühlen sich alle Interpreten dem anspruchsvollen Tango Nuevo des Astor Piazzolla ebenso verbunden wie neuen Kompositionen, die mit Neugier und virtuoser Musikalität schlau in den Reigen der Klassiker eingefügt werden. Es fiel nicht schwer zu vergessen, dass man nicht in Argentinien, sondern im herbstlichen Ulm diesem immer auf den Punkt gebrachten Tangofeuer lauschte, dessen raffinierte Tempiwechsel ein Maximum an musikantischem Können erfordern.
In all das fügte sich Frida Lippmanns Interpretation des Tangos wunderbar. Die Sängerin gestaltete die emotionelle Bandbreite von Melancholie bis Fröhlichkeit lebendig aus. Die schlechte akustische Aussteuerung tat der Hörqualität zwar hier und da Abbruch, nicht aber dem Gesamteindruck, dass man eine wirklich hochkarätige Formation erlebt hatte, die mit besonderer Spiellaune die Seele des Tango erfahrbar machte. (flx)
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