
Aktivistin mit der Kamera

Zanele Muholi kämpft für die gesellschaftliche Anerkennung lesbischer Frauen in ihrer Heimat Südafrika. Eine Ausstellung im Einsteinhaus würdigt ihre Arbeit
Erst vor ein paar Tagen erreichte Zanele Muholi eine schreckliche Nachricht. In ihrem Heimatland Südafrika sei eine lesbische Schwarze vergewaltigt und getötet worden. Hassverbrechen gegen homosexuelle Frauen ereignen sich in dem Land am Kap immer wieder. Mit der Angst vor Gewalt und Demütigung muss auch Muholi leben, doch die Fotografin setzt auf ihre Art ein Zeichen: Seit 2006 fertigt sie Schwarzweiß-Porträts von lesbischen Frauen und transsexuellen Männern. Eine Arbeit, die in der Region gleich doppelt gewürdigt wird: Die Volkshochschule Ulm zeigt anlässlich ihres Semesterschwerpunkts „20 Jahre freies Südafrika“ die Ausstellung „Faces and Phases“ im Einsteinhaus, die Burlafinger Walther Collection hat zusammen mit dem Steidl-Verlag ein gleichnamiges Buch mitherausgegeben.
Den Kampf für die Akzeptanz sexueller Minderheiten führt die 1972 in der Umlazi-Township in Durban geborene und heute in Johannesburg lebende Muholi schon viele Jahre. Sie arbeitete unter anderem als Reporterin und Fotografin für eine Webseite für und über Homo-, Trans- und Intersexuelle und gründete eine Organisation für lesbische schwarze Frauen mit. Daneben vertiefte sie sich in die Fotografie: Sie belegte einen Fortgeschrittenenkurs im von der Fotografenlegende David Goldblatt gegründeten „Market Photography Workshop“ in Johannesburg und studierte im kanadischen Toronto. Muholi ist Trägerin bedeutender Preise, ihre Arbeiten waren schon bei der Biennale in Venedig und auf der Documenta zu sehen. Auch in der aktuellen Ausstellung „Distanz und Begehren“ in der Walther Collection ist sie vertreten. Seit 2013 ist die Südafrikanerin Honorarprofessorin an der Bremer Hochschule der Künste.
Als Künstlerin versteht sich Muholi jedoch nicht. Sie nennt sich eine „visuelle Aktivistin“. „Faces and Phases“ sieht sie als zeitgeschichtliche Dokumentation, mit der die gezeigten Frauen und transsexuellen Männer aber auch ihren Platz in der Gesellschaft einfordern. Die Personen, die dem Betrachter dabei gegenüber treten, sind so unterschiedlich wie der Rest der Gesellschaft: virile Anzugträgerinnen, knabenhafte „Tomboys“, feminine Ladys – aber eben keine Typen, sondern selbstbewusste Individuen, deren ernste Gesichter von einem schwierigen Leben erzählen. Oft stehen die Porträtierten mit verschränkten Armen oder Händen in den Hosentaschen da. Es habe nichts mit Spaß zu tun, lesbisch in Südafrika zu sein, sagt Muholi, für die Schönheit als Kategorie zweitrangig ist: „Es geht nicht um gutes Aussehen, es geht um Existenz.“
Wie wichtig ihre Arbeit ist, zeigen die in Südafrika immer wieder vorkommenden sogenannten „corrective rapes“: Vergewaltigungen zum Zwecke der „Korrektur“ einer vermeintlich „falschen“ sexuellen Orientierung. Einem solchen Verbrechen fiel auch Busi Sigasa zum Opfer, die erste lesbische Frau, die Muholi für „Faces and Phases“ fotografierte. Ihr Vergewaltiger infizierte sie mit HIV, woran sie mit nur 25 Jahren starb. In einem bewegenden Gedicht in dem 368 Seiten starken englischsprachigen Buch berichtet sie von ihrem Kampf. Auch andere Frauen kommen zu Wort: Es geht um die Schwierigkeiten des Coming out, um die Liebe zu Frauen, um den eigenen Platz in der lesbischen Community. Es geht aber immer wieder auch um Ignoranz, Ausgrenzung, Anfeindung und Gewalt.
Im Ulmer Einsteinhaus sind 20 Porträts aus „Faces and Phases“ zu sehen; sie werden flankiert von Farbaufnahmen, die wiederum lesbische Frauen und transsexuelle Männer in der Natur zeigen – auf einer Wiese, am Strand, zwischen Felsen. Normalität spricht ebenso aus diesen Fotografien wie die Idee der Landnahme.
Von beidem sind Homo- und Transsexuelle in Südafrika noch weit entfernt. So weigerte sich 2009 die südafrikanische Kulturministerin Lulu Xingwana, eine Ausstellung mit Arbeiten Muholis zu eröffnen. Diese, so die ANC-Politikerin damals, seien unmoralisch und schlecht für die Nation. Südafrika mag heute ein Rechtsstaat und eine Demokratie sein, doch in den Köpfen vieler Bürger ist die Moderne noch nicht angekommen. Ein Problem, das freilich nicht nur Afrika betrifft. „Auch in anderen Ländern sind die Straßen nicht sicher für sexuelle Minderheiten“, sagt die 42-jährige Muholi. „Der Kampf ist für viele von uns nicht vorbei.“
Ausstellung im Einsteinhaus bis 25. Oktober. Das Buch „Faces and Phases“ ist im Steidl-Verlag erschienen und kostet 48 Euro.
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