
Gefährliche Blicke aufs Handy


Die Ulmer Polizei nimmt dieses Jahr verstärkt Autofahrer ins Visier, die sich am Steuer von ihren Smartphones ablenken lassen. Auch Rasern sagt sie den Kampf an.
Die Ulmer Polizei weiß exakt, wie oft Betrunkene Unfälle verursachten, wie viele Motorradfahrer verunglückten, wie viele Fahrer zu schnell waren und vieles mehr. Nur eine Zahl gibt ihre Verkehrsstatistik nicht her: Wie viele Unfälle dadurch verursacht wurden, dass jemand am Steuer von seinem Smartphone abgelenkt wurde. „Leider haben wir hier nach wie vor keine fundierten Zahlen“, sagt Manfred Bayer, Leiter der Verkehrspolizeidirektion. „Das Dunkelfeld ist riesig.“ Doch der Polizeidirektor ist überzeugt: „Hier besteht ein riesiges Gefahrenpotenzial.“
Die Polizei ist sich sicher, dass Ablenkung im Straßenverkehr eine maßgebliche Rolle bei Unfällen spielt, auch wenn es sich oft nicht nachweisen lässt. „Das kennt jeder: Wenn wir im Auto unterwegs sind und uns umschauen, sehen wir immer mehr Menschen, die während der Fahrt telefonieren oder sonst das Telefon bedienen“, sagt Manfred Bayer. „Das ist extrem gefährlich. Zwei Sekunden lang bei Tempo 50 aufs Handy zu schauen, bedeuten 28 Meter Blindflug.“ Die Ulmer Polizei hat bereits voriges Jahr verstärkt kontrolliert, ob Autofahrer verbotenerweise ihr Handy nutzten. 2148 Fahrer wurden erwischt. Das waren 466 mehr als im Vorjahr, ein Plus von 28 Prozent. Weil die Polizei die Entwicklung mit Sorge beobachtet, wird sie auch in diesem Jahr den Fokus auf das Thema Handy am Steuer legen. „Als Polizei können wir nur mahnen: Kein Telefonat, keine SMS oder Whats-App-Nachricht ist es wert, das eigene Leben und das Leben oder die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu gefährden“, sagt Manfred Bayer. Ein seltener Fall, bei dem es der Polizei gelang, die Handy-Nutzung als Unfallursache nachzuweisen, spielte im Kreis Biberach. In Ochsenhausen tippte ein Busfahrer während der Fahrt eine SMS und schlitterte in den Graben. Schüler hatten ihn beobachtet und verpetzten ihn.
Ulms Polizeichef Christian Nill kündigte an, dass der Verkehr in diesem Jahr weiterhin konsequent überwacht werden soll, um die Hauptunfallursachen zu bekämpfen. Das sind: Missachten der Vorfahrt, überhöhte Geschwindigkeit, Fehler beim Abbiegen und Fehler beim Überholen. Etwa die Hälfte der schweren Verkehrsunfälle sei somit darauf zurückzuführen, dass die Leute immer mehr unter Zeitdruck stünden und dabei Unfälle in Kauf nähmen. „Das bereitet uns ziemlich Kopfzerbrechen“, sagt Nill. Zumal die Ulmer Polizei voriges Jahr bereits massiv den Kontrolldruck erhöht hat – gut 70000 Geschwindigkeitsverstöße wurden registriert, 44 Prozent mehr als im Jahr davor. Dennoch stieg die Zahl der Unfälle wegen zu schnellen Fahrens um ein Drittel auf 531 an. Im Zehn-Jahres-Vergleich geht der Trend hingegen nach unten.
Mit ihrem Ansinnen, die Unfallzahlen trotz wachsender Mobilität immer weiter nach unten zu drücken, stoße die Polizei allerdings allmählich an ihre Grenzen, räumt der Polizeipräsident ein. Vielleicht bringe irgendwann das autonome Fahren einen weiteren Schub. Christian Nill: „Dann haben wir zwar keine freie Fahrt für freie Bürger mehr, aber womöglich weniger Verkehrstote.“
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