
Umweltschützer kritisieren Stadt Ulm und Landwirte: "Deckmäntelchen" für Artenschutz

Plus Bauern bekommen von der Stadt Ulm Ausgleichszahlungen für Öko-Flächen. Der BUND bezeichnet das als „Deckmäntelchen“ für den Artenschutz. Doch es gibt auch Lob.

Mit der „Allianz für den Boden und für die Natur“ wollen die Stadt Ulm und der Kreisbauernverband Ulm-Ehingen den Rückgang der Artenvielfalt bremsen. Doch regionale Aktivisten des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) halten den im Juni 2019 unterzeichneten Pakt für nicht zielführend, die Grundlage der Vereinbarung ist aus Sicht der Umweltschützer sogar „unbrauchbar“. BUND-Kreisvorsitzender Martin Denoix bezeichnet die Allianz als „Deckmäntelchen“ – noch dazu als teures: 30.000 Euro hat die Stadt Ulm im Jahr 2020 dafür ausgegeben.
Die „Allianz für den Boden und für die Natur“ sieht vor, dass Bauern auf freiwilliger Basis ökologische Maßnahmen auf ihrem Grund umsetzen. Beispiele sind ein doppelter Saatreihenabstand, um der Feldlerche Platz zum Brüten zu geben, brach liegende Äcker, Blühwiesen oder Kleeäcker sowie blühende Streifen am Rand von Gewässern oder an Feldwegen. Im Gegenzug bekommen die Landwirte Ausgleichszahlungen, weil die Erträge durch diese Form der Bewirtschaftung geringer ausfallen.
Stadt Ulm zahlt 30.000 Euro für Öko-Flächen an Landwirte
Ulrich Willmann, bei der Stadt Ulm für strategische Planung in der Abteilung Stadtplanung, Umwelt, Baurecht zuständig, hat dem Ulmer Umweltausschuss im November 2020 den Stand der Dinge vorgestellt. Demnach werden 2021 Maßnahmen auf 23,5 Hektar Land ausgeglichen. Einige von Bauern vorgeschlagene Projekte fielen dem zu geringen Budget für Ausgleichszahlungen zum Opfer. Martin Denoix hält dem entgegen, dass 1270 Hektar an landwirtschaftlichen Flächen verpachtet seien. Ausgleichszahlungen seien schon deshalb kritisch zu sehen. Solle alles nachhaltig bewirtschaftet werden, brauche man etwa 1,5 Millionen Euro. Das Budget für die Allianz steigt durch den Beschluss des Umweltausschusses ab dem Jahr 2022 – auf 60.000 Euro.
Denoix, selbst beratendes Mitglied im Umweltausschuss, hat die Allianz von Beginn an kritisiert und sieht sich nun bestätigt. Eine Karte der ökologisch bewirtschafteten und finanziell ausgeglichenen Flächen hat die Stadt Ulm bislang nicht veröffentlicht. In der Ausschusssitzung im November ist die Übersicht aber gezeigt worden – aus dem Plan schließt Denoix, dass ernsthafte Eingriffe in die Landwirtschaft ausbleiben. Der BUND-Kreisvorsitzende fürchtet, dass sich Bauern Ausgleichszahlungen für Flächen sichern, die sich ohnehin nicht besonders gut bewirtschaften lassen.
BUND Ulm lobt neues Naturschutzgesetz
Zudem kritisiert Martin Denoix einen weiteren Punkt: Die Allianz sieht vor, dass Landwirte auf ihren Flächen im Sinne der „guten fachlichen Praxis“ arbeiten können. Davon hält der BUND-Mann nichts: Die Landwirte seien in vielen Fragen schlicht nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und würden Nachhaltigkeit viel zu häufig nicht als Teil dieser guten fachlichen Praxis sehen. Vielmehr sollten die Flächen, die zu einem großen Teil der Stadt beziehungsweise der städtischen Hospitalstiftung gehören, nach Richtlinien von Bio-Verbänden bewirtschaftet werden.
Lob gibt es vom BUND für eine politische Entscheidung: Am 1. August hat der baden-württembergische Landtag ein neues Naturschutzgesetz verabschiedet, aus Sicht der Aktivisten das fortschrittlichste seiner Art in Deutschland. Es trägt den sperrigen Namen Biodiversitätsstärkungsgesetz. Wichtigster Bestandteil aus Sicht des BUND: Bis 2030 muss ein Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche entstehen. Damit schaffe man Trittsteine, auf denen sich Lebewesen fortbewegen können, lobt Regionalgeschäftsführerin Jana Slave. Das sei ein wichtiger Schritt gegen das Artensterben. Jetzt gelte es, das Regelwerk umzusetzen.
Die Corona-Pandemie habe das Bewusstsein für die Bedingungen in Schlachtbetrieben und in Viehzuchten geschärft, sagt Slave. Missstände wie in Merklingen, wo Hunderte Schweine qualvoll verendeten, oder in einem Betrieb im Kreis Biberach dürfe es nicht geben. Tierleid entstehe, wenn die Beschäftigten nicht so geschult seien, wie es notwendig sei. Eine artgerechte Haltung und eine tierschutzgerechte Schlachtung lasse sich nur bei höheren Fleischpreisen erreichen.
Zunächst wurde BUND-Regionalgeschäftsführerin Jana Slave in diesem Artikel mit der Aussage zitiert, nicht alle Mitarbeiter im Schlachthof im Ulmer Donautal seien fachgerecht geschult. Diese Aussage sei eventuell missverständlich formuliert gewesen und daher offensichtlich fehlinterpretiert worden, betont Jana Slave. Sie habe mit ihrer Aussage den Schlachtbetrieb in Biberach gemeint. Dort seien offensichtlich nicht alle Mitarbeitenden fachgerecht geschult worden, daher sei es zu Skandalen gekommen. Mit ihrem Kommentar zum Schlachtbetrieb in Ulm habe sie lediglich auf Corona-Infektionen unter Mitarbeitenden hinweisen wollen. Wir haben die Aussage aus dem Artikel entfernt.
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