
Die junge Autorin und der verschwundene Verlag

Plus Fantasy trifft bizarre Realität: Die 19-jährige Wullenstetterin Laura S. Kunze kämpft für die Wiederveröffentlichung ihres ersten Romans. Eine große Hürde hat sie schon genommen.
In einer Fantasy-Welt ist beinahe alles möglich. So wie in dem Roman „Hüter der Bernsteinkette“ von Laura S. Kunze. Der handelt von Lillian, einem normalen 17-jährigen Mädchen mit einem normalen Leben, um das herum plötzlich die Natur verrücktspielt. Seltsame Blitze draußen, mysteriöser Nebel im Haus. Dann, eines Nachts, wird der Nebel besonders dicht – und Lillian von einer Hand in eine andere Welt gezogen, in der sie gigantische Abenteuer erlebt. Denn die Heldin ist eben nicht nur ein normales Mädchen: Sie kann die Elemente kontrollieren. Eine Kraft, die sie ihrem verstorbenen Vater zu verdanken hat.
Der Windsor-Verlag aus Hamburg verschwand über Nacht
Die Autorin ist nicht viel älter als ihre Protagonistin, sie ist 19 Jahre alt, stammt aus Wullenstetten – und hat derzeit mit sehr irdischeren Herausforderungen zu kämpfen als Lillian. Wobei, dass ihr früherer Verlag über Nacht verschwunden ist, hat schon wieder etwas von Fantasy: Im März 2018 stellte der US-amerikanische Windsor-Verlag, der auch in Deutschland tätig war, seine Arbeit von einem Tag auf den anderen ein. Wer im Netz dazu recherchiert, findet dazu abenteuerliche Geschichten, die eher nach Wirtschaftsthriller als nach Fantasy-Roman klingen: von Briefkasten-Adressen, von erfundenen Titeln und Autoren, von einem Eigentümer, der angeblich im Westen Chinas verschollen ist.
Zuvor sei alles normal gewesen, sagt Kunze, der Kontakt professionell, das Buch lieferbar. „Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, das klang alles solide.“ Die Schülerin kümmerte sich sowieso um das meiste selbst, veranstaltete Lesungen und Workshops, vor allem an ihrer eigenen Schule, dem Gymnasium St. Hildegard in Ulm, und plante für Teil zwei und drei ihrer Trilogie. Doch dann war der Windsor-Verlag weg, und die Autoren hatten keinen Zugriff mehr auf ihre eigenen gedruckten Bücher – und gleichzeitig fehlten ihnen die Rechte an den Texten. Erst ein Jahr nach dem Windsor-Verschwinden und nach einem längeren juristischen Verfahren fielen die Rechte wieder an die Autoren zurück. Auch Laura Kunze, die als Nebenklägerin auftrat, hatte ihr Buch wieder.
Laura S. Kunze begann schon mit 13 die Arbeit an der Bernsteinketten-Trilogie
Ein Buch übrigens, dessen Geschichte schon einige Jahre früher begonnen hat – als Kunze erst 13 war. Damals, so sagt sie heute lachend, habe sie die „Schnapsidee“ gehabt, eine eigene Geschichte zu schreiben. Sie begann, eine Fantasy-Welt zu entwerfen, was sie ein Jahr Arbeit kostete. Genauso lang dauerte es, den ersten Roman zu schreiben. Dann ging es Schlag auf Schlag, Kunze verfasste Teil zwei und drei der Trilogie. Mit gerade einmal 16 Jahren hatte sie den ganzen Bernsteinketten-Zyklus fertig. Und veröffentlichte zunächst Band eins über eine Self-Publishing-Plattform, bevor der Kontakt zum Windsor-Verlag zustande kam. Der Rest der nicht durchweg erfreulichen Geschichte ist bekannt.
Doch Laura Kunze, die kürzlich ihr Abitur abgelegt hat, will ihr eigenes Ende schreiben – und ihre für Kinder und Jugendliche gedachte Fantasy-Reihe in Gänze dem Publikum präsentieren. Dafür hat sie auf dem Portal Startnext eine Finanzierungskampagne („Autorin trotzt Verlagsfiasko“) gestartet, 3100 Euro wünscht sie sich, damit sie Band eins und zwei aus der Bernsteinketten-Welt in einem Buch vereint im Selbstverlag publizieren kann, als „symbolischen Neuanfang“, wie sie es nennt.
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Noch läuft die Geldsammlung schleppend, aber Kunze ist Optimistin. „Wenn es nicht klappt, finde ich einen anderen Weg“, sagt sie kämpferisch. Sie habe ein Jahr lang um ihr Buch gekämpft, da komme es auf ein paar weitere Monate nicht an.
Zum Studium geht die Fantasy-Autorin nach Freiburg
Dass die Wullenstetterin derzeit so motiviert ist, liegt auch daran, dass nach dem Stress mit dem Rechtestreit die Zeilen nur so aus ihr herausflossen. „Ich wollte nur für mich schreiben“, so Kunze. Doch dann verfasste sie 700 Seiten in nur einer Woche. Inzwischen sind es sogar 900, ein ganzer vierter Teil der Bernsteinketten-Saga, der nach neuer Zählung (wegen des Doppelbands) dann der dritte wäre. „Es ist das Beste, was ich bisher gemacht habe“, freut sich die 19-Jährige über den neuen Schluss ihrer Trilogie, der hoffentlich auch in näherer Zukunft gedruckt werden kann.
Bis dahin hat Laura Kunze noch ein paar andere Dinge zu tun. Im Herbst beginnt sie ein Studium der Umweltnaturwissenschaften in Freiburg – und sie engagiert sich in der „Fridays For Future“-Bewegung, reiste kürzlich sogar zum ersten Gipfeltreffen im schweizerischen Lausanne. Die Natur liegt nicht nur dem Mädchen Lillian am Herzen – auch ihrer Schöpferin.
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