Die Last auf den Schultern des neuen Ulmer Oberbürgermeisters ist groß
Der neue Oberbürgermeister von Ulm heißt jetzt Martin Ansbacher. Der Start des neuen Stadtoberhaupts ist mit Schwierigkeiten gepflastert.
Robert Scholl, Theodor Pfizer, Hans Lorenser, Ernst Ludwig, Ivo Gönner, Gunter Czisch und jetzt also Martin Ansbacher. Der neue Chef im Ulmer Rathaus ist erst der siebte Nachkriegsbürgermeister in acht Jahrzehnten. Im gleichen Zeitraum hatte der FC Bayern München 48 Wechsel auf der Position des Cheftrainers. Ein ziemlich seltenes Ereignis ging also am Donnerstag mit der Amtseinführung des 1976 in Neu-Ulm geborenem Rechtsanwalts zu Ende. Entsprechend groß sind die Erwartungen. Vielleicht zu groß?
Für Ansbacher wird es jetzt ernst, eine 100-Tage-Frist, die einem neuen Amtsinhaber in der Politik gemeinhin zugestanden wird, um sich einzuarbeiten, wird er sich kaum leisten können. Was die drängenden Themen angeht, geht es gleich von null auf 100. Etwa mit der Diskussion um die Unterbringung von Geflüchteten in Wohncontainern in Wiblingen. Ein Thema, bei dem es viel zu verlieren, aber wenig zu gewinnen gibt: Die Stadt ist verpflichtet, Geflüchtete aufzunehmen und der Neue im OB-Chefsessel muss jetzt zeigen, dass es ihm gelingt, die Bürgerschaft mitzunehmen.
Im Wahlkampf kritisierte Ansbacher die Ulmer Verwaltung
Im Wahlkampf monierte Ansbacher immer, dass die Stadtverwaltung Pläne verständlicher erklären muss. Von Baustellen bis hin zu Flüchtlingsunterkünften. Darin wird er jetzt gemessen. Dabei wird es auch darauf ankommen, dass er mit den 2600 Beschäftigten der Stadtverwaltung an einem Strang zieht. Hier ist auch Psychologie im Spiel, denn Kritik von ihrem neuen Chef bekam die Mitarbeiterschaft im Wahlkampf öfter zu hören, als ihr lieb war. Die in Ulm verbreitete Wohnungsnot will Ansbacher "zur Chefsache" machen. Auch an diesen vollmundigen Worten wird er sich messen lassen müssen.
Wechselstimmung - obwohl Czisch als OB von Ulm eine gute Bilanz hat
Ganz offensichtlich hat in Ulm eine Wechselstimmung geherrscht, sonst wäre Gunter Czisch nicht nach nur einer Wahlperiode abgewählt worden. Grobe Fehler hat der Ansbacher-Vorgänger nicht gemacht. Ulm prosperiert, daran gibt es kaum Zweifel. Und in der Rathausbelegschaft sollen Tränen geflossen sein, als klar war, dass hier bald ein neuer Mann das Sagen hat und sich ihr alter Chef mitsamt einer Expertise von fast einem Vierteljahrhundert im Ulmer Rathaus in den Ruhestand verabschieden muss.
Für Ansbacher erleichtert all das den Start nicht. Die Ulmerinnen und Ulmer wählten bewusst Veränderung. Doch es gibt nicht das große Ulmer Streitthema, das Czisch zum Verhängnis wurde, mit dem Ansbacher bequem und sofort das in ihn gesetzte Vertrauen zurückzahlen kann.
Zumal dem neuen Stadtoberhaupt aus finanziellen Gründen ziemlich die Hände gebunden sind. Die "Stadtreparatur" anhand des Umbaus der B10/Tunnel am Blaubeurer Tor samt der neuen Wallstraßenbrücke verschlingt mit gut 200 Millionen Euro in den nächsten Jahren so viel Geld, dass Ulm damit in Zukunft sehr wenig Spielraum für andere Bauprojekte hat. Eine mögliche Lösung hatte er in der Vergangenheit formuliert: mehr Schulden aufnehmen.
Und als wenn das nicht genügend Stolpersteine auf dem Weg eines Frischlings bis zu ersten Schwörrede am 22. Juli wären, kommt auch noch der Wahlkampf hinzu: Am 9. Juni wählen die Ulmerinnen und Ulmer einen neuen Gemeinderat. Und die frisch gewählte Bürgervertretung wird Martin Ansbacher dann sofort mit den Versprechungen aus dem Wahlkampf quälen müssen.
Die Diskussion ist geschlossen.