
"Er war ihr hörig": Junges Paar soll WG-Mitbewohner in Laichingen getötet haben

Plus Zum Prozessauftakt am Landgericht Ulm schweigen die beiden Angeklagten. Zeugen schildern, wie brutal das Opfer misshandelt wurde.

Er war ihr hörig und gab ihr immer wieder Geld. Auch, als sie bereits einen neuen Freund hatte. Doch dann konnte der 31-Jährige ihre Forderungen nicht mehr erfüllen. Daraufhin beschloss die Frau, ihn zu bestrafen. Wenige Tage später war er tot. So spielte sich nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ein Verbrechen ab, das im Juni vorigen Jahres in einer WG in Laichingen begangen worden sein soll. Am Montag hat am Landgericht Ulm der Prozess gegen eine 27-Jährige und einen 24-Jährigen begonnen. Sie sind wegen Mordes angeklagt.
Die Angeklagten schweigen zum Auftakt des Prozesses am Landgericht Ulm
Die beiden Angeklagten werden an Händen und Füßen gefesselt in den Schwurgerichtssaal geführt. Sie halten sich Aktenordner vors Gesicht, als sie fotografiert werden, bevor sie neben ihren Verteidigern Platz nehmen. Die Frau starrt die meiste Zeit vor sich hin, ab und zu schaut sie vorsichtig in die dicht besetzten Zuschauerreihen. Ihr Partner am Tisch davor macht sich beinahe unablässig Notizen. Beiden wollen vor Gericht keine Angaben machen.
Die Angeklagten wohnten bis zur Tat zusammen mit dem Opfer in einem Einfamilienhaus in Laichingen. Laut Staatsanwaltschaft lebte die 27-Jährige ausschließlich von finanziellen Zuwendungen ihres Ex-Freundes und ihres neuen Partners, des 24-Jährigen. Den Älteren soll sie regelrecht ausgenommen haben. "Er war ihr hörig", sagt Oberstaatsanwalt Peter Staudenmaier. Insgesamt 11.440 Euro soll der Mitbewohner ihr gezahlt haben. Per WhatsApp habe die Angeklagte dem Mann zudem Putzdienste und Besorgungen aufgetragen.
Die Angeklagte forderte Geld und trug dem Opfer Putzdienste auf
Ab Ende Mai 2022 soll er nicht mehr in der Lage gewesen sein, die finanziellen Forderungen der Angeklagten zu befriedigen. Deshalb habe sie beschlossen, ihn zu bestrafen. Sie soll ihrem neuen Freund die Lüge aufgetischt haben, dass ihr Mitbewohner sie angefasst habe – wohl wissend, dass ihr neuer Partner eifersüchtig und jähzornig reagieren würde.
Die beiden Angeklagten sollen den 31-Jährigen in ihre Gewalt gebracht und zeitweise im Keller gefangen gehalten haben. Der 24-Jährige soll das Opfer mit einem Teleskopschlagstock verprügelt haben. Die Misshandlungen waren so heftig, dass die Angeklagten offenbar erkannten, dass ihr Mitbewohner ärztliche Hilfe gebraucht hätte. Auswertungen zeigen, dass der 24-Jährige in der Tatnacht "Arzt" und "Laichingen" googelte.
Die Staatsanwaltschaft Ulm geht von gemeinschaftlichem Mord aus
Doch dann wurde ihnen wohl bewusst, dass sie die Verletzungen schwerlich würden erklären können. So beschlossen sie laut Anklage, ihren Mitbewohner zu töten, um die Misshandlungen zu verdecken. Der 24-Jährige soll am 7. Juni im Wohnzimmer der WG seinen Arm um den Hals des Opfers gelegt und so lange zugezogen haben, bis dieses starb. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gemeinschaftlich begangenen Verdeckungsmord aus. Sie wirft dem Mann und der Frau zudem Freiheitsberaubung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor.
Die Angeklagten setzten in der Tatnacht selbst einen Notruf ab. Das aufgezeichnete Gespräch des 24-Jährigen mit einem Mitarbeiter der Rettungsleitstelle wird im Gerichtssaal abgespielt. Es ist zu hören, wie der Angeklagte aufgeregt schildert, dass er seinen Mitbewohner schwer verletzt aufgefunden habe. "Der ist grün und blau geschlagen worden." Und kurz darauf: "Er atmet, aber er röchelt dabei."
Eine Zeugin sagt vor Gericht: "Der Körper war übersät mit Hämatomen"
Die Rettungskräfte, die damals im Einsatz waren, schildern ihre Eindrücke vor Gericht. "Es war schnell klar, dass an der ganzen Szenerie etwas nicht stimmt", sagt eine Zeugin. Zum Zustand des Patienten, der zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, meint sie: "Der Körper war übersät mit Hämatomen."
Dies bestätigen Bilder aus der Obduktion, die im Schwurgerichtssaal gezeigt werden. Am Leichnam sind sowohl Totenflecken als auch Spuren starker Gewalteinwirkung zu sehen – am Kopf und im Gesicht, an Armen und Beinen, auf der Brust und am Rücken, an den Genitalien. Manche der Hämatome seien ganz frisch, manche etwas älter gewesen, erläutert Professor Sebastian Kunz, der Leiter der Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Ulm. Was der Sachverständige auch mit Sicherheit sagen kann: "Es hat ein Würgen stattgefunden."
"Großer Lauschangriff": Die Wohnung der Angeklagten wurde abgehört
Das Opfer sei mindestens 20 Sekunden lang stranguliert worden, vermutlich mit einem weichen, flächigen Gegenstand, etwa einem Schal oder einem Pulli. Dass der 31-Jährige erdrosselt worden sei, lasse sich nicht zweifelsfrei nachweisen. Da andere Todesursachen ausgeschlossen werden konnten, geht Kunz aber davon aus, dass das Opfer durch Gewalt gegen den Hals starb.
Die Angeklagten sagten im Juni 2022 gegenüber den Rettungskräften und Polizisten aus, sie hätten in der Nacht "einen Schlag" im Haus gehört und den Mitbewohner schließlich schwer verletzt im Bad gefunden. Der 24-Jährige habe das Opfer dann ins Wohnzimmer geschleppt, um ihn dort zu reanimieren und Hilfe zu rufen.
Der Verdacht der Polizei richtete sich jedoch bald gegen die Ex-Freundin des Opfers und ihren Partner. Deren Wohnung wurde daraufhin abgehört. Der Tatverdacht erhärtete sich, das Paar wurde festgenommen. Im Oktober wurde Anklage erhoben.
Nach Auffassung der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwältin Christina Seng-Roth und Rechtsanwalt Jan Schaufler aus Ulm, erfolgte der "große Lauschangriff" in dem Einfamilienhaus in Laichingen allerdings rechtswidrig. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dürften deshalb nicht vor Gericht verwertet werden. Der Prozess wird fortgesetzt.
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