
Es war der schönste Tante-Emma-Laden Deutschlands

Plus Renate Pessenbacher stand 67 Jahre lang in ihrem Geschäft. Jetzt wurde sie 90 Jahre alt. Sie war mit ihrem Laden eine kleine Institution für Neuburg, leistete einen Beitrag zum Flair der Stadt – und sie hat viel zu erzählen.
„Der Laden war ihr Leben“, dieser Satz war häufig zu hören. Aber Renate Pessenbacher kann auch Geschichten über Neuburg(er) erzählen, sie ist gern gereist und hat ihren Humor bewahrt. Jetzt ist sie – ohne Laden – 90 Jahre alt geworden.
Für Oberbürgermeister Bernhard Gmehling ist sie nicht nur die „Tante Emma von Neuburg“. Ihr Laden an der Ecke Theresienstraße/Wolfgang-Wilhelm-Platz sei zu einer kleinen Institution geworden, ein Beitrag zum Flair der Stadt. Ihr Durchhaltevermögen hat er immer bewundert. „Renate Pessenbacher hat sich als Unternehmerin viele Sympathien erworben und die junge Generation für sich gewonnen“, gratulierte der OB zum Geburtstag.
Vom sauren Schlumpf bis zum Melonenkaugummi
Die Zuneigung der Jugendlichen war kein Wunder, schließlich holten sie von Cola über Nudeln, Chips und Fertigpizza bis zu den ersten Zigaretten alles aus dem Tante-Emma-Laden. Vom sauren Schlumpf über Deutschlandkonfekt bis zum Melonenkaugummi war bei Renate Pessenbacher alles zu haben. Die offenen „Guatseln“, bis zu 30 Sorten, galten als ein Markenzeichen des „originellsten Tante-Emma-Laden Deutschlands“.
„Eigentlich kennen wir uns schon seit 50 Jahren“, versichert der Oberbürgermeister der Jubilarin. Als Schüler des Descartes-Gymnasiums und Seminarzögling hatte er in den 70er Jahren fleißig eingekauft. Ganze Generationen von Schülern haben das getan und zeit ihres Lebens auch OB Theo Lauber (+1999), Kunstmaler Max Hitzler (+1991) und Ehrenbürger Matthias Schieber (+2001). Jetzt verrät die Jubilarin: „Den habe ich früher mal poussiert.“
2017 war für Renate Pessenbacher Schluss
Der Bayerische Rundfunk entdeckte den Laden für die Abendschau, 2012 bedrohte ein Räuber die Inhaberin mit einem Beil. Natürlich rückte sie keine Beute heraus. 67 Jahre lang führte Renate Pessenbacher ihr Geschäft, tagaus, tagein, nur ein einziges Mal drei Tage lang im Urlaub. 2017 war dann Schluss. Das fiel ihr schwer am Anfang, „aber heute vermisse ich den Laden nicht mehr“, sagt sie. Sie ist rüstig, weiter am Geschehen in Neuburg interessiert und wohnt ansprechend unter Stuckdecken in dem Altstadthaus, das einst Freiherr Baptist von Flachslanden errichten lassen hatte.
Sie hat sich also gut eingefunden im Pensionärsleben. Treue Freundinnen wie Ruth Graf helfen ihr im Alltag. Dass sie ihr Leben sozusagen dem Laden gewidmet hat, bereut sie nicht. Das lag vermutlich auch an den tausenden kurzen Begegnungen mit Einkäufern und an der Freude, das Heranwachsen der jungen Kundschaft zu erleben. Der Umgang mit ihnen „hat mich jung gehalten“.

Ihre Lieferanten hat Renate Pessenbacher überlebt und sie musste sich neue Großhändler suchen. Frigeo, Gummihaie, Bärendreck oder andere offene Süßigkeiten lieferten sie nicht mehr. Im Laden der Nostalgie, einem Stück Alt-Neuburg, ist die Zeit halt doch nicht stehen geblieben.
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