
Nördlingen in den 50ern: Zwischen Aufbruch und Umorientierung

Plus Stadtarchivar Wilfried Sponsel spricht über Nördlingen in den 1950er Jahren. In dieser Zeit wuchs die Stadt, doch die Bürger hatten auch Angst vor einem neuen Krieg.

Der Festvortrag von Stadtarchivar Dr. Wilfried Sponsel ist fester Bestandteil des Neujahrsempfangs der Stadt Nördlingen. Regelmäßig beleuchtet er die Historie der ehemals freien Reichsstadt in all ihren Facetten. Wie Oberbürgermeister David Wittner musste sich Wilfried Sponsel in diesem Jahr per Videoschalte an sein Publikum wenden, doch sein Vortrag über Nördlingen in den 1950er Jahren war nichtsdestotrotz eine spannende Reise in diese Zeit.
Sponsel beschrieb diese Epoche der Stadt mit den Begriffen Aufbruch, neuem Lebensmut und Umorientierung. Nach dem Krieg, nach Flucht und Vertreibung von hunderttausenden Menschen aus ihrer angestammten Heimat, stand in Nördlingen das Thema Wohnungsnot und die Schaffung von Wohnraum ganz oben auf der Agenda. Es war quasi das Gebot der Stunde und für die damals politisch Verantwortlichen eine ganz besondere Herausforderung, nicht zuletzt für Oberbürgermeister Johannes Weinberger, der sein Amt zunächst ehrenamtlich führte und nach einem mehrheitlichen Beschluss des Stadtrates erst 1952 hauptamtliches Stadtoberhaupt wurde.
Viele Heimatvertriebene blieben in Nördlingen
In einem Interview Anfang 1949 mit der damaligen Nördlinger Zeitung zeigte Weinberger auf, was in Nördlingen in den Folgejahren alles angepackt werden müsse. Als wichtigstes Projekt erschien die Schaffung von Bauland. Die vielen Heimatvertriebenen, die nach Nördlingen kamen, benötigten dringend Wohnraum. Wie dringend, machte eine Zahl deutlich. Mit den Vertriebenen hat sich die Einwohnerzahl der Stadt bis 1956 auf 14.800 verdoppelt. Der Wohnbedarf war riesig. Im Rahmen von Umsiedelungen, unter anderem in die Pfalz, verließen zwar rund 90 Heimatvertriebene aus den Lagern in Deiningen und Heuberg wieder den Landkreis in Richtung Pfalz. Der Großteil blieb jedoch hier.
Die Instandsetzung des Abwassersystems, die Reparatur der Stadtmauer und der Sankt Georgskirche, die Erhaltung des Stadtbildes und die Förderung des Fremdenverkehrs gehörten zusätzlich zu den wichtigsten Anliegen, die sich OB Weinberger auf die Fahnen geschrieben hatte und zusammen mit dem Stadtrat anpackte.
In Nördlingen wurden in 1950er Jahren viele Wohnungen gebaut
In den 50er Jahren entstanden die Wohnblöcke in der Voltz- und Squindostraße mit 30 Wohnungen. Gebaut wurde fortan auch in der Wemdinger Straße. Das größte Projekt mit 50 Einheiten folgte in der Friedens- und Sonnenstraße durch die Nördlinger Baugenossenschaft. Insgesamt sind in dieser Zeit eine ganze Reihe weiterer Wohngebiete ausgewiesen worden, wie Wilfried Sponsel sagte. Östlich der Wemdinger Straße, in der Augsburger- und Oskar-Mayer-Straße oder im Südwesten die Talbreite. Auch ein Jugendwohnheim wurde geschaffen.
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Diese Zeit des Aufbruchs brachte jedoch nicht nur neue Wohnquartiere, sondern eine ganze Reihe anderer wichtiger Einrichtungen. Unter anderem entstanden das Krankenhaus am Stoffelsberg, das Freibad auf der Marienhöhe und eine zentrale Kläranlage vor den Toren der Stadt. Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung in ganz Deutschland ging freilich auch an Nördlingen nicht vorbei, was sich in der Gründung zahlreicher namhafter Betriebe ablesen lässt. Die Beck’sche Buchdruckerei erweiterte, Baufirmen wie Eigner und Heuchel wuchsen und zahlreiche Handels- und Gewerbebetriebe wurden gegründet.
Die Bürger fürchteten sich vor einem neuen Krieg
Die Nördlinger hatten Sponsel zufolge trotz des Aufbruchs und gelegentlicher Euphorie auch Zukunftsängste während dieser Zeit. Angst vor einem neuen Krieg vor dem Hintergrund des Kalten Krieges beispielsweise.
Die 50er Jahre waren also eine insgesamt ambivalente Epoche in der Nördlinger Geschichte – einerseits geprägt durch Zuversicht, andererseits aber von Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Erst die 1960er Jahre sollten in dieser Hinsicht neue Weichenstellungen bringen.
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