
Strenesse geht, eine neue Marke kommt

Plus Am 31. Dezember ist der einst schillernde Premium-Modehersteller aus Nördlingen Geschichte. Das Outlet bleibt bestehen. Der neue Mieter hat eine Verbindung zum Ries.

Corona hat Strenesse den Todesstoß versetzt. Mitarbeiter und Gewerkschaftssekretäre haben im Frühjahr jene sehr eindrückliche, martialische Formulierung zum angekündigten Geschäftsende der Strenesse New GmbH verwendet. Was sich schleichend angedeutet hat, wird zum Jahresende Realität: Strenesse ist bald Geschichte. Während am Eichendorffplatz in Nördlingen vorerst kein neuer Mieter einzieht, steht für das Outlet in der Gewerbestraße schon ein Nachfolger fest. Die Räume werden als Lagerverkauf für eine andere Modemarke genutzt – die ein Stück weit ihre Wurzeln ebenfalls im Ries hat.
Wie sich der einst schillernde Premium-Modehersteller von Kunden, Mitarbeitern oder der Modewelt verabschiedet, lässt sich nur durch einen aufmerksamen Streifzug durch das Internet oder das Nördlinger Outlet erahnen. Strenesse beantwortet in den beiden Wochen vor Weihnachten keine schriftlichen Presseanfragen. E-Mails laufen ins Leere. Auf der Homepage steht in großen Lettern „Thank You“ – ein Mosaik aus Dutzenden Modeaufnahmen. Auf Facebook und Instagram wird der „Final Sale“ – der wirklich letzte Ausverkauf – beworben.
Strenesse-Outlet brachte viele Touristen nach Nördlingen
Als einstiger Tourismus-Chef Nördlingens hat Oberbürgermeister David Wittner die Strahlkraft von Strenesse häufig direkt vermittelt bekommen. „Emotional hängen für die Stadt viele schöne Erinnerungen an Strenesse. Der Glanz, den die Marke einst hatte, national und international, hat abgefärbt.“ Das Strenesse-Outlet habe hohe Beliebtheit bei den Touristen genossen. Wittner erinnert sich an Besucher, die gesagt hätten, sie seien nur wegen Strenesse in Nördlingen und fragten ihn gerade mal beiläufig: „Was kann man in der Stadt sonst so machen?“ Strenesse war oft erste Wahl.
Das Outlet in der Gewerbestraße ist weder außen noch innen schillernd. Da helfen auch große Schriftzüge, teure Kleider und Pflanzen nicht. Aber das kümmerte offenbar niemanden wirklich. Die Gäste scheuten sich nicht, ausgiebig Designerware zu günstigen Preisen zu ergattern und mit vollen Tüten wieder herauszuspazieren. Und ob Outlet oder über den konventionellen Einkaufsweg: Die Strenesse-Stücke waren gefragt. Wittner kann das nachvollziehen. Auch er besuchte das Outlet kurz vor dem Einzelhandels-Lockdown noch einmal. Die Sakkos seien zeitlos, qualitativ gut, so beschreibt er die Ware. Das Design: schön. Eine Strenesse-Hose in seinem Kleiderschrank sei sogar seine Lieblingshose. „Die muss ich jetzt gut in Ehren halten, damit sie ein möglichst langes Leben hat. Es gibt keinen Nachschub mehr.“
Corona sorgte für das Ende von Strenesse in Nördlingen
Wittner bezeichnet die Entwicklungen der letzten Jahre als „bedauerlich“. Von dem einstigen Glanz sei am Ende nicht mehr viel übrig geblieben. „Es ist aber schön, wenn sich Folgekonzepte andeuten.“ Im Outlet wird weiterhin hochwertige Mode zu niedrigerem Preis angeboten, wenn auch ein paar Nummern kleiner. Je nachdem, wie es corona-bedingt weitergehe, wird nach derzeitigem Planungsstand die Modemarke „More & More“ die Verkaufsfläche in Nördlingen nutzen. Wittner ist froh über den lückenlosen Übergang in der Gewerbestraße.
More & More wurde 1982 in der Landeshauptstadt München gegründet und hat heute seinen Sitz in Starnberg. Das Sortiment des Damenmodespezialisten reicht von Freizeitmode bis Business-Wear und hat vor Kurzem eine Dependance in Kuwait eröffnet, die Muttergesellschaft Cemsel Tekstil (seit 2019) trat damit in den arabischen Markt ein. Das Unternehmen hat ebenfalls eine Krise hinter sich, verkaufte Anleihen und wechselte von der AG zur GmbH. Das von Karl-Heinz Mohr gegründete Modeunternehmen hat heute zwei Geschäftsführer: Yasar Esgin und Marc Häfig. Der TextilWirtschaft sagte eine Unternehmenssprecherin, dass es nach der Krise wieder in hohem Wachstumstempo im „Modern-Woman-Markt“ vorangehe.

Recherchen unserer Zeitung ergaben, dass auch More & More seine Wurzeln im weitesten Sinne im Ries hat. Firmengründer Karl-Heinz Mohr ist nämlich in Hainsfarth geboren und hat in seiner Jugend eine Lehre als Industriekaufmann bei der Firma Schurrer in Nördlingen absolviert. Später folgten ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaftslehre, 1978 die Gründung der Textilhandelsagentur K.H. Mohr und schließlich 1982 von More & More. Der 69-Jährige hat das Unternehmen bereits 2016 an seinen damaligen türkischen Beschaffungsagenten verkauft und sich anschließend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Mohr lebt nach wie vor in Starnberg und hält nach eigenen Angaben „nur noch wenige Anteile“ an der von ihm gegründeten Modefirma. Demzufolge habe er mit der strategischen Entscheidung, in Nördlingen ein Outlet zu eröffnen, auch nichts zu tun gehabt.
Pläne gibt es nicht nur für das Outlet, sondern auch für die ehemalige Produktionsstätte an der Schäufelinstraße, die bis hin zum Verwaltungssitz am Eichendorffplatz reicht. In zwei Bauabschnitten realisiert ein Bauträger aus Mertingen Wohnhäuser, am Eichendorffplatz soll Gewerbe bestehen bleiben, vielleicht auch ein Neubau kommen. Der erste Bauabschnitt liegt neben Theodor-Heuss-Gymnasium und Triumph-Park. In ähnlich modernem Bauhausstil sollen Häuser dort entstehen, wo einst große Mode gemacht wurde. OB Wittner erklärt, dass im ersten Abschnitt bereits Baurecht bestehe, Bauanträge seien aber noch nicht eingereicht worden.
Strenesse-Nachfolger More & More hat Wurzeln im Ries
Für den zweiten Abschnitt am Eichendorffplatz gebe es noch keine konkrete Bauleitplanung, sagt Wittner weiter. Es sei jedoch alles möglich, was zum bisherigen Baurecht passe. Vorstellbar sei unter anderem, dass in den schönen Verwaltungssitz eine Arztpraxis einziehe oder ebenfalls Büroräume geschaffen würden.

Wie sehen die letzten Tage für Strenesse aus? Aus unternehmensnahen Kreisen ist zu erfahren, dass der Verkauf zum Ende des Jahres besser als erwartet gelaufen sei. Sogar das Wort „hervorragend“ fällt, auch wenn das Outlet frühzeitig geschlossen werden musste. Und während offenbar noch eine Handvoll Mitarbeiter die genutzten Flächen ausräumt, gibt es zumindest eine gute Nachricht: Die Bonuszahlung an die Mitarbeiter fällt höher aus, wenn der Verkauf besser läuft. Der Abfindungsanteil sei dann höher, sagt ein Insider – auch wenn er letztlich von der Insolvenz gedeckelt sei.
Die Geschichte von Strenesse beginnt und endet in Nördlingen. 1949 heißt das Haus „Wohlfahrt & Co“. Die Gründer-Familie Strehle spezialisiert sich damals auf Damenmäntel und -kostüme. 1969 fällt erstmals der Name Strenesse für eine Modelinie. 2020 geht das Licht aus für die einst große Mode-Show. (mit rom)
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