
Wem galt das „So, G’sell, so?“

Es existieren unterschiedliche Varianten. Stadtarchivar Sponsel klärt auf
Nördlingen Nach unseren Berichten über die Einweihung der neuen Sau-Statue am Löpsinger Tor fiel unserem Leser Thomas Grandy auf, dass laut zugehöriger Gedenktafel die Lodwebersfrau, die das offene Tor entdeckte, die Sau mit den Worten „So, G’sell, so!“ vertrieb. Unser Leser war bislang der Ansicht, die Worte hätten sich an den ertappten bestochenen Wächter gerichtet. Die Rieser Nachrichten fragten zur Klärung beim Verfasser der Inschrift, Stadtarchivar Dr. Wilfried Sponsel, nach.
RN:In Ihrer Version fehlt der Torwächter, dem womöglich der Ausruf der Frau gegolten hat. Meinen Sie tatsächlich, er trat laut Legende beim Entdecken des offenen Tores gar nicht in Erscheinung?
Sponsel: Man muss bedenken, dass es sich um eine zunächst rein mündlich überlieferte Legende handelt. Da ist es normal, dass verschiedene Varianten entstehen. Ich habe mich an die Version ohne Torwächter gehalten, die auch schon meine Amtsvorgänger Gustav Wulz und Dr. Dietmar Voges bevorzugten.
RN:Halten Sie diese Version persönlich für die schlüssigere?
Sponsel: Durchaus. Ich fände es andersherum gesehen unschlüssig, wäre der Wächter anwesend gewesen und hätte die Frau unbehelligt weiterziehen lassen, um den Vorfall ihrem Mann zu melden.
RN:Aber spricht man denn ein Schwein mit „So, G’sell, so“ an?
Sponsel: Der Spruch muss ja nicht eine direkte Ansprache sein, ich interpretiere ihn eher als allgemeinen Ausruf des Erschreckens oder Erstaunens. Man muss dazu sagen, dass der Spruch ja im Mittelpunkt steht. Es handelt sich meines Erachtens um eine „ätiologische“ Legende, also eine Geschichte, die rückwirkend etwas erklärt – in unserem Fall, wie es eigentlich zu dem Wächterruf kam.
RN: Dann ist der Ruf gar nicht durch die Geschichte mit der Sau entstanden?
Sponsel: Eher nicht, zumal es ja kein speziell Nördlinger Ruf ist. Er ist zum Beispiel auch aus dem Elsass bekannt. Der Ruf eignet sich eben gut durch die lautmalerische Vokalfolge O-E-O.
RN:Auf der Gedenktafel steht zweimal vom „angeblichen“ Überfall des Grafen Hans von Oettingen – eine Ausdrucksweise, die Moritz Fürst zu Oettingen-Wallerstein als Nachfahr des Grafen ausdrücklich begrüßte. Zweifeln Sie an, dass der Überfall tatsächlich geplant war?
Sponsel: Ja, denn es gibt keinerlei Belege dazu. Und das ist schlichtweg unmöglich, hätte der Graf tatsächlich ein Heer von mehreren Hundert oder Tausend Soldaten aufgestellt. Das wäre nötig gewesen, um Nördlingen im Handstreich zu nehmen. Die Angst vor solch einem Unterfangen kursierte in der damaligen Zeit tatsächlich und hat sich dann wohl auch in der Sage manifestiert. (hum)
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