
DGB kritisiert "unverschämte Spekulationen" auf dem Energiemarkt


Die schwäbische Vertretung des DGB resümiert das zurückliegende Jahr in der Alten Schranne. Immer weniger Betriebe zahlen Gehälter nach Tarif.
Die Gewerkschaften haben im zurückliegenden Krisenjahr mit ihrem Engagement dazu beigetragen, die Beschäftigten in den Unternehmen vor dem Schlimmsten zu bewahren. Diese Auffassung hat die Geschäftsführerin der DGB-Region Schwaben, Silke Klos-Pöllinger, beim Neujahrsempfang des Ortsverbands Nördlingen am Wochenende in der Alten Schranne nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Es sei gelungen, die Kurzarbeit als tragfähige Brücke über die Krise hinweg zu stärken und weitere zahlreiche Hilfen für die arbeitenden Menschen in den Betrieben und Verwaltungen durchzusetzen. Gleichzeitig hätten die Tarifabschlüsse Arbeitsplätze und Einkommen von Millionen Menschen gesichert.
DGB setzt sich für Energiepauschale ein
Zudem habe der DGB seinen Einfluss in der Politik geltend gemacht. Als Beispiele nannte sie die Energiepauschale von 300 Euro, die Strom- und Gaspreisbremse, das Neun-Euro-Ticket, die Verbesserungen beim Wohn- und Bürgergeld sowie die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. „Das alles würde es ohne den Einsatz der Gewerkschaften nicht geben“, betonte Klos-Pöllinger. Derartige Erfolge zeigten, wie wichtig es sei, starke Arbeitnehmervertretungen zu haben, die sich auch in der Politik für ihre Mitglieder stark machten.

Als große Herausforderung bezeichnete die Gewerkschafterin die wachsende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Die Einkommens- und Reichtumsschere klaffe immer weiter auseinander. Vor diesem Hintergrund müsse die Politik dort das Geld abschöpfen, wo es im Übermaß vorhanden sei: bei den übergroßen Vermögen und den Spitzeneinkommen von Millionen und Milliarden Euro. Um dies zu erreichen, bedürfe es einer Umverteilung von Reichtum und mehr Gerechtigkeit im Steuersystem.
Angesichts der explodierenden Preise stünde den Beschäftigten nach einer großen Lohnzurückhaltung während der Pandemie eine deutliche Lohn- und Gehaltssteigerung zu. „Wir sollten uns nicht einreden lassen, dass wir damit eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen oder verstärken,“ sagte Klos-Pöllinger. Die derzeit hohe Inflation gebe es nicht wegen der Lohnentwicklung, sondern sie sei Ergebnis „unverschämter Spekulationen“ auf dem Energiemarkt sowie gestörter Lieferketten und knapper Rohstoffe. Deshalb appelliere sie an alle Unternehmen und Arbeitgeber: „Gebt den Menschen in den laufenden Tarifrunden das Geld, das ihnen zusteht.“
Immer weniger Betriebe zahlen nach Tarif
Kritik äußerte die Regional-Geschäftsführerin an der zurückgehenden Tarifbindung in Bayern. Im Freistaat sei die Zahl der Betriebe, die nach Tarif bezahlten, innerhalb von zehn Jahren von rund 60 auf rund 49 Prozent gesunken. Sie nannte diese Entwicklung einen Skandal der modernen Arbeitswelt, wenn sich Firmen den Anforderungen eines fairen Wettbewerbs durch Tarifflucht entziehen könnten.
Eine weitere Forderung des DGB-Bayern: Die Staatsregierung müsse ein Tariftreue- und Vergabegesetz für öffentliche Aufträge einführen. Wer sich nicht an Tarifverträge halte und seine Beschäftigten schlecht bezahle, der dürfe keine staatlichen Aufträge erhalten. Mit diesem Thema werde sich der DGB in den Landtagswahlkampf einmischen, kündigte Klos-Pöllinger an.
Zwei Gäste des Abends sprachen Grußworte. Nördlingens Bürgermeisterin Rita Ortler betonte die jahrzehntelange, gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Gewerkschaften. „Bei uns in Nördlingen funktioniert die Sozialpartnerschaft sehr gut“, so die Bürgermeisterin. Die Stadtpolitik und die Verantwortlichen in der Verwaltung würden sich darum bemühen, Nördlingen weiterhin als guten Standort für Firmen zu bewahren.
Zu niedrige Renten für Frauen
Dass auch der Landkreis Donau-Ries die Arbeit der Gewerkschaften schätze, betonte die stellvertretende Landrätin Ursula Kneißl-Eder. Sie bedauerte die teilweise viel zu niedrigen Renten für Frauen, die nicht selten bei weniger als 600 Euro lägen. Hier bedürfe es dringender Veränderungen.
Zu Beginn der Veranstaltung hatten Sonja Wust (DGB Donau-Ries) und Josef Higler (DGB Nördlingen) die Gäste begrüßt und die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Gewerkschaftsbewegung in den zurückliegenden schwierigen Corona-Jahren hervorgehoben. Musikalisch umrahmt war der Neujahrsempfang von Michael Thum am Akkordeon.
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