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50 Jahre "ZDF-Hitparade": Als Dieter Thomas Heck den Schlager wiederbelebte

50 Jahre "ZDF-Hitparade"

Als Dieter Thomas Heck den Schlager wiederbelebte

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    „Hier ist Berlin!“: Dieter Thomas Heck prägte nicht nur die „ZDF-Hitparade“, sondern auch die deutsche Schlagerwelt. Die Musiksendung sollte von 1969 bis 2000 laufen.
    „Hier ist Berlin!“: Dieter Thomas Heck prägte nicht nur die „ZDF-Hitparade“, sondern auch die deutsche Schlagerwelt. Die Musiksendung sollte von 1969 bis 2000 laufen. Foto: Barbara Oloffs, ZDF

    Da braucht man sich nichts vorzumachen. Ein Leben ohne Hitparaden ist – frei nach Loriot – möglich, macht aber wenig Sinn. In der Regel beginnt die Sucht im zarten Grundschulalter, und eine Heilung ist vor dem 70. Geburtstag nicht vorstellbar. Bestes Beispiel ist die „ZDF-Hitparade“, die mit ihrer ersten Sendung am 18. Januar 1969, also genau vor 50 Jahren, dem deutschen Schlager neues Leben einhauchte. Nachdem es so aussah, als hätten neue Rockbands wie Deep Purple und Led Zeppelin das teutonische Tralala ins Jenseits befördert.

    Der im vergangenen Jahr im Alter von 80 Jahren gestorbene Dieter Thomas Heck und das ZDF haben das Aus erfolgreich verhindert. Sie packten Zuschauer in ein nüchternes Studio, sodass sie aussahen, als würden sie zu einstudiertem Mitklatschen ein Hallenhandballspiel verfolgen. Der besondere Gag: Mittendrin saßen meist jüngere Menschen, von denen einige aufstanden und im Halb-Playback singend zur Bühne drängten. Darunter war der namhafte Roy Black, der mit „Ich denk an Dich“ am Ende als Sieger von dannen zog.

    „Hier ist Berlin!“, rief der ehemalige Autoverkäufer Heck an besagtem 18. Januar 1969 ins Publikum. Mit einer Mischung aus Jahrmarktschreierei und Zählappell wurde er bis 1985 zum wichtigsten Verkäufer deutschen Liedguts im Fernsehen. Bei der Premiere brüllte der Schnellsprecher Titel und Interpreten mit ausgebreiteten Armen förmlich aus sich raus. Zugegeben, mit den Jahren ließ es Heck dann ruhiger angehen.

    Dieter Thomas Heck: Vom Autoverkäufer zum Moderator der "ZDF-Hitparade"

    Unsereiner, der die Gnade der frühen Geburt hatte und den Schlager noch als Folie für Italien-Sehnsüchte und Gastland für trällernde skandinavische Sängerinnen geschätzt hatte, war längst zum „Beat-Club“ der ARD übergelaufen. Und zitterte vor dem Radio, wenn der Süddeutsche Rundfunk die Top Ten aus England und den USA spielte, und ärgerte sich, wenn nach einer Woche Eric Burdon und die Animals aus den Charts flogen.

    Jener 18. Januar aber machte deutlich, dass große Teile der Nation sich heimisches Liedgut nicht nehmen lassen wollten. Zugegeben, die Mischung war seltsam: Der Veteran Gerhard Wendland versuchte es noch mal mit „Liebst Du mich?“, Rex Gildo flötete „Dondolo“ und die Schwedin Anna-Lena stimmte mit „Rot ist die Liebe“ schon den Schwanengesang für die Mädels aus dem Norden an.

    Dieter Thomas Heck mit dem in Straßberg bei Augsburg geborenen Roy Black.
    Dieter Thomas Heck mit dem in Straßberg bei Augsburg geborenen Roy Black. Foto: Barbara Oloffs, ZDF

    Mochte auch der Abstimmungsmodus variieren, eines blieb: Die Plattenfirmen schickten ihre Interpreten in Legionsstärke in die Sendung. Mit der Folge, dass man ihnen nicht auskam: Roland Kaiser – er war mit 67 Auftritten Spitzenreiter –, Jürgen Marcus, Chris Roberts, Cindy & Bert, Costa Cordalis, Heino, Vicky Leandros, Michael Holm, Bernd Clüver, Nicole, Bernhard Brink, Mireille Mathieu und wie sie alle hießen. Die Liste ist schier endlos. In den angesagten Pilskneipen der 70er hörte man plötzlich Graham Bonney und Marianne Rosenberg genauso oft wie The Sweet oder Middle Of The Road.

    2000 war Schluss für die "ZDF-Hitparade"

    Bis Mitte der 80er Jahre ein Knick erfolgte. Immer häufiger fanden Bands nach dem Ende der kommerzialisierten Neuen Deutschen Welle und echte Schlagerstars den ZDF-Oldie als spießig. Dazu kam, dass man den Nachfolge-Moderatoren Viktor Worms und am Schluss Uwe Hübner nicht die große Begeisterung für das Genre abnahm. Ein Heck wäre noch für seinen geliebten deutschen Schlager über mehr als sieben Brücken gegangen.

    Gerne zu Gast in der „ZDF-Hitparade“: Mireille Mathieu (hier 1998).
    Gerne zu Gast in der „ZDF-Hitparade“: Mireille Mathieu (hier 1998). Foto: Nestor Bachmann, dpa

    Im Jahr 2000 war Schluss. „Eine Hitparade ohne Stars ist nicht diejenige, die die Zuschauer in Erinnerung haben“, begründete das ZDF die Entscheidung. Mochte auch der offenbar in einem nebulösen Schlagerhimmel schwebende Karel Gott klagen, die Einstellung der Sendung sei so, als würde die „Tagesschau“ abgeschafft.

    Jubiläumsshow mit Moderator Thomas Gottschalk Ende April

    Ende April gönnt Mainz der „Hitparade“ noch eine verspätete Jubiläumsshow. Moderator wird Rockmusik-Fan Thomas Gottschalk sein, dessen Liebe zum deutschen Schlager ebenso überrascht wie neuerdings seine Kenntnis deutscher Literatur. Ein Comeback der „Hitparade“ ist jedoch unwahrscheinlich in einer Zeit der Helenisierung, in der Florian Silbereisen ständig Schlagerfeste feiert und jeder Fan seine persönlichen Charts selbst zusammenstreamen kann.

    Was bleibt, ist ein Stück Fernsehgeschichte. Das „Rainer, fahr ab“, wenn Heck den Tonmann zum Abspann aufforderte. Und keiner liest ja mehr vom Blatt ab, wer denn zuständig war für Produktionsleitung, Szenenbild, Ton und Bildschnitt. Fernsehen wird von Menschen gemacht. Heck wusste das.

    Dafür traktiert einen das ZDF ständig mit Trailern, die den Zuschauer am Umschalten hindern sollen. Machen wir trotzdem.

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