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Interview: Andreas Kümmert: "So gut wie nichts war selbst geschrieben"

Interview

Andreas Kümmert: "So gut wie nichts war selbst geschrieben"

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    Andreas Kümmert am 26. März im Uhlandbau in Mühlacker. Mit viel Gefühl singt er eigene Songs, aber auch Cover von Frank Sinatra, Elton John und Joe Cocker.
    Andreas Kümmert am 26. März im Uhlandbau in Mühlacker. Mit viel Gefühl singt er eigene Songs, aber auch Cover von Frank Sinatra, Elton John und Joe Cocker. Foto: Jacqueline Dammers

    Es ist ein kleiner Raum im Keller des Uhlandbaus in Mühlacker bei Pforzheim. Andreas Kümmert sitzt an einem Tisch an der Wand, die Hände ineinander verschränkt. Mit ruhigem Blick, ohne Lächeln. Es ist noch eine halbe Stunde bis zum Konzert. Auch bei bis zu 150 Auftritten jährlich habe er jedes Mal Lampenfieber, sagt Kümmert. Am Ende jedoch belohne das Hochgefühl nach dem Konzert.

    Es ist ein Missverhältnis, das Andreas Kümmert nicht gerecht wird. Der Sänger, der in einer Casting-Show die Öffentlichkeit suchte - dann aber 2015 als Sieger beim deutschen Vorentscheid zum "Eurovision Song Contest" einen Rückzieher machte. In der breiten Öffentlichkeit wirkt vor allem dieser Eklat nach, besetzt den Namen Kümmert - und verdeckt dabei das großartige Talent des Unterfranken.

    Herr Kümmert, zur Zeit sind Sie eher in kleineren Locations unterwegs - soll das immer so bleiben?

    Andreas Kümmert: Es hat sich ganz gut eingependelt. Wir spielen zwischen 400er- und 1000er-Venues. Heute sind etwa 400 Zuhörer da, wieder ausverkauft. Wenn ich auf dem Weg der Besserung bin, dann dürfen es auch gerne größere Sachen sein. Wenn ich den Kopf frei habe. Rock am Ring, Rock am Park - das wäre ganz schön.

    Sie orientieren sich bei Ihrer Musik an den 60er/70er Jahren. Rock und Blues, auf dem letzten Album ist auch ein bisschen Pop zu hören. Möchten Sie auch mit anderen Genres experimentieren?

    Kümmert: Ich bin sehr experimentierfreudig und offen dafür. Es gibt durchaus ein, zwei elektronische Elemente, die auf dem nächsten Album drauf sein werden. Aber das wird nicht dominierend sein. Ich bin einfach ein Fan von handgemachter Musik und natürlichen Instrumenten.

    Gibt es Musiker aus der heutigen Zeit, die Sie inspirieren?

    Kümmert: Temperance Movement finde ich toll, die Rival Sons sind ganz großartig. Aber das sind alles Bands, die sich auch sehr an den 70ern bedient haben. Die Blues Pills find ich noch ganz cool, die haben eine tolle Sängerin.

    Wie und wo entstehen Ihre Songs?

    Kümmert: Das ist total unterschiedlich. Oft in Situationen, in denen ich leider nichts zu Schreiben habe. Aber oft auch, wenn ich mich einfach ans Klavier setze und dort ein bisschen herumeiere.

    Was passiert dann noch, bis der Song fertig ist?

    Kümmert: Sehr viel. Wenn ich eine Melodie habe, die ich auf dem Klavier oder auf der Gitarre spiele, dominiert sie den Text. Häufig spiele ich sehr melancholisches Zeug und schreibe auch relativ melancholische Sachen - vielleicht ein bisschen abgefahren. Das Letzte, das ich geschrieben habe, war zum Beispiel eine Lovestory aus der Sicht eines Stalkers. Wie man sich fühlt, wenn man jemandem nachjagt, den man nie erreichen kann. Der Song kommt vielleicht auch auf's neue Album, das steht noch nicht ganz fest.

    Haben Sie solche Erfahrungen schon gemacht?

    Kümmert: Ich hatte mal eine Stalkerin, ja.

    Was ist für Sie an so einem Konzert das Schönste? Und: Gibt es auch unangenehme Seiten?

    Kümmert: Für mich ist es ein Paradoxon. Das Schöne ist die Nähe, und das Schlimme ist die Nähe.

    Während des Konzerts schauen Sie meist nicht ins Publikum, sondern an die Decke. Gehen Sie Ihrem Publikum aus dem Weg?

    Kümmert: (lacht) Vielleicht, ja. Aber oft ist es auch so, dass man vom Lichtmann so geblendet wird, dass man das Publikum gar nicht sieht. Das ist aber eigentlich gar nicht so verkehrt.

    Trotzdem suchen Sie nach dem Konzert die Nähe zu den Fans, wenn Sie persönlich am Merchandise-Stand stehen und sich mit den Menschen unterhalten.

    Kümmert: Ja, wenn mir da keiner doof kommt, dann macht mir das auch nichts aus. Es kommt natürlich schon mal vor, dass Betrunkene ein bisschen nerven.

    Worauf freuen Sie sich vor einer Tour am meisten?

    Kümmert: Am schönsten ist für mich wirklich das Musikmachen mit Sebastian (gemeint ist Keyboarder Sebastian Bach, Anm. d. Red.) auf der Bühne. Alleine fühlt man sich immer ein bisschen verloren.

    Seit etwa einem Jahr leiden Sie unter Angststörungen. Wann werden Sie wieder vor größerem Publikum spielen können?

    Kümmert: Ich kann nicht einschätzen, wie lange meine Macke noch dauert. Ich arbeite hart daran, mache eine Therapie und nehme brav meine Antidepressiva. Mal schauen. Die Krankheit belastet mich auch privat. Ich bin einfach jemand, der häufiger über den Tod nachdenkt und auch wirklich Angst vor dem Tod hat. Vielleicht auch täglich.

    Da sollte man meinen, dass die Musik auch ein Ventil für Ihre Angst sein kann. Warum hört man das auf Ihrem Album „Here I am“ nicht, das noch im Zuge Ihres Sieges bei "The Voice of Germany" entstand?

    Kümmert: Das liegt daran, dass ich davon leider so gut wie nichts selbst geschrieben habe. Die haben mich nicht gelassen, das ging leider nicht. Es musste schnell gehen. Deshalb hat ein Songwriter-Team die Arbeit gemacht. Ich habe zwar Sachen vorgeschlagen, die aber alle - man kann fast sagen systematisch - abgeschmettert wurden.

    Dann haben Sie beim kommenden Album mehr das Gefühl, dass das wirklich Sie sind?

    Kümmert: Ja, auf jeden Fall. „Here I am“ ist sehr unpersönlich, weil ich irgendetwas gesungen habe, das jemand anderes aufgeschrieben hat.

    Und trotzdem performen Sie diese eigentlich fremden Songs auf der Bühne. Wie fühlt sich das an?

    Kümmert: Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, da gewöhnt man sich einfach daran. Ich kann sie als meine Songs verkaufen, weil sie vorher keiner interpretiert hat.

    Frage zum Eklat beim ESC-Vorentscheid: Bei all Ihren Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit, was hat Sie damals dazu bewogen, trotzdem an der Show teilzunehmen?

    Kümmert: Naja, das eine funktioniert ohne das andere nicht. Ich kann nicht Musik machen, die die Leute erreichen soll, ohne dass ich an die Öffentlichkeit gehe. Ich habe natürlich in den Tagen und Wochen vorher schon gemerkt, dass es wahrscheinlich ziemlich heftig wird, was da auf mich zukommt. Aber ich habe auch nicht damit gerechnet, dass ich gewinne. Ich habe irgendwie gehofft, dass ich nicht antreten muss, sondern einfach meine Musik präsentieren kann.

    Mit Blick in die Zukunft: Wann erscheint Ihr nächstes Album?

    Kümmert: Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte. Anschließend werden wir auch wieder auf Tour gehen.

    Alle Termine der neuen Tour im Herbst finden Sie hier.

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