Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Schiffsunglück: Das Rätsel um die untergegangene "Estonia" bleibt ungelöst

Schiffsunglück

Das Rätsel um die untergegangene "Estonia" bleibt ungelöst

    • |
    Die estnische Ostseefähre „Estonia“ im Hafen von Tallinn (undatierte Aufnahme). Im Jahr 1994 ging sie vor der Südküste Finnlands unter, 852 Menschen starben.
    Die estnische Ostseefähre „Estonia“ im Hafen von Tallinn (undatierte Aufnahme). Im Jahr 1994 ging sie vor der Südküste Finnlands unter, 852 Menschen starben. Foto: Samuelson, epa Scanpix Norge, dpa

    Es ist ein Urteil, auf das die Kläger lange gewartet haben – und das sie bitter enttäuschen muss. Fast 25 Jahre nach dem Untergang der Ostseefähre „Estonia“ auf der Fahrt zwischen Tallinn und Stockholm mit 852 Todesopfern wies ein Gericht in Nanterre bei Paris am Freitag ihre Zivilklage ab. 1116 Überlebende und Angehörige von Opfern hatten von der französischen Zertifizierungsstelle Bureau Veritas, die die „Estonia“ als seetauglich eingestuft hatte, sowie dem deutschen Schiffsbauer, der Meyer Werft aus Papenburg, Entschädigungszahlungen in Höhe von 40,8 Millionen Euro gefordert.

    Ihnen ging es laut einem ihrer Anwälte, Maxime Cordier, vor allem darum, „die Verantwortlichen zu benennen“. Genau das lässt das Gerichtsurteil allerdings nicht zu – die Schuldfrage bleibt offen. Ein Beweis für einen „schweren oder vorsätzlichen Fehler“ sei nicht erbracht, begründete das Gericht in Nanterre. Der deutsche Opfer-Anwalt Henning Witte nannte das Urteil eine Enttäuschung: „Es ist absolut skandalös, wie die Ereignisse um das Estonia-Unglück und vor allem die Angehörigen übergangen werden.“

    Beim Untergang der "Estonia" starben 852 Menschen 

    Beim Untergang der „Estonia“ handelte es sich um das schwerste Schiffsunglück der europäischen Nachkriegsgeschichte. Die „Estonia“, die zur „RoRo-Klasse“ gehörte, galt als das modernste Reiseschiff unter estnischer Flagge – bis zu jener dramatischen Nacht des 27. auf den 28. September 1994. Von den 989 Menschen an Bord überlebten nur 137. Zwar leistete die Reederei EstLine rasch Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 130 Millionen Euro, um einen Prozess zu verhindern.

    Dennoch klagten die Opfer und Angehörigen bereits im Jahr 1996; seither ging es durch diverse Instanzen und wurden etliche Untersuchungen durchgeführt. Die beiden Angeklagten wiesen stets jede Schuld von sich. Die Meyer Werft ließ einen Expertenbericht anfertigen, um den Vorwurf von Konstruktionsmängeln zu entkräften: Es habe kein Problem beim Bau der Fähre im Jahr 1980, sondern eine nachlässige Wartung nach deren Übergabe gegeben.

    Die schwedische Regierung ließ in der Folge die betroffene Zone absperren und verbot Tauchern den Zugang zu dem Wrack. Von dem Vorhaben, dieses komplett zubetonieren zu lassen, „um die Totenruhe nicht zu stören“, sah sie nach heftigen Protesten ab.

    Gab es ein Leck im Rumpf des Schiffes?

    1997 kam eine internationale Kommission zu dem Schluss, dass Mängel im Verschlusssystem des Zufahrtstores das Unglück ausgelöst haben mussten: Demnach hielten die Scharniere der Bugklappe den Belastungen durch die stürmische See nicht stand. Als die Klappe brach, strömten enorme Wassermengen ins Autodeck und die Fähre bekam starke Schlagseite.

    Über diese offizielle Erklärung hinaus kamen Vermutungen auf, es habe ein Leck im Rumpf des Schiffes gegeben, auch von einer Kollision mit einem U-Boot und einer Explosion war die Rede. Mehrmals untersuchten internationale Forschergruppen den Fall, es gab Computersimulationen und Modelltests. Die Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt und die Technische Universität Hamburg-Harburg kamen 2006 zu dem Schluss, die Bugklappe habe sich gelöst, weil das Schiff zu schnell unterwegs war. 2004 sagte ein ehemaliger schwedischer Zollbeamter aus, 1994 habe die „Estonia“ zweimal russische Militärelektronik transportiert, welche nicht kontrolliert habe werden dürfen. Dies nährte Spekulationen weiter.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden