Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Staatskrise: Das rumänische Schmierentheater

Staatskrise

Das rumänische Schmierentheater

    • |
    Premierminister Victor Ponta und Inerimspräsident Crin Antonescu (v. li.) zeigen Vaterlandsliebe am rumänischen "Tag der Nationalhymne".
    Premierminister Victor Ponta und Inerimspräsident Crin Antonescu (v. li.) zeigen Vaterlandsliebe am rumänischen "Tag der Nationalhymne". Foto: dpa

    Der 29. Juli ist in Rumänien der „Tag der Nationalhymne“. In scheinbarer Normalität erscheint auch in diesem Jahr die politische Elite im Carol-Park in Bukarest am Grabmal des Unbekannten Soldaten. Doch die Harmonie ist nur vorgespielt. Denn am selben Tag findet in Rumänien ein Referendum zur Abwahl des Staatspräsidenten statt. Daher steht neben dem Premierminister in der vordersten Reihe nicht das Staatsoberhaupt, das wegen der Abstimmung sein Amt ruhen lässt, sondern ein Interimspräsident, der dem Lager des Regierungschefs angehört.

    Ein unerbittlicher Machtkampf

    Zwischen den beiden wichtigsten Männern im Staat tobt ein unerbittlicher Machtkampf, der auch durch die Volksabstimmung nicht entschieden wurde. Der Sozialdemokrat Victor Ponta, erst seit Mai Premierminister, will den altgedienten Liberaldemokraten Traian Basescu aus dem Präsidentenamt jagen. Darüber sollten die Rumänen abstimmen. Das Ergebnis: 88 Prozent gegen Basescu, 11 Prozent für ihn – aber die Wahlbeteiligung betrug  nur 46 Prozent. Schließlich hatten Basescus Freunde zum Wahlboykott aufgerufen. Damit wurde die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbeteiligung von 50 Prozent verfehlt. Das Referendum war also trotz des eindeutigen Ergebnisses offenkundig gescheitert.

    Aber Ponta tut seither alles, um, wie er sagt, dem in der Volksbefragung sichtbar gewordenen Mehrheitswunsch doch noch Geltung zu verschaffen. Die Regierung versucht, die Wahlbeteiligung nachträglich hochzurechnen, indem sie die Zahl der Stimmberechtigten herunterrechnet. Eine „Mini-Volkszählung“ soll beweisen, dass von den 18,2 Millionen Rumänen, die in den Wählerlisten verzeichnet waren, 1,7 Millionen gar nicht mehr leben oder nicht mehr im Lande wohnen. Ginge diese Rechnung auf, dann, so das Kalkül, könnte das Referendum nachträglich gültig werden. Das Quorum war um 1,5 Millionen Stimmen verfehlt worden.

    Die Tricksereien sind aber auch in Pontas Koalition, der Sozialliberalen Union, umstritten. Aus Protest traten einige Minister zurück, Ponta musste sein Kabinett umbilden. In Sachen Wiedereinsetzung Basescus wartet jetzt alles auf ein Urteil des Verfassungsgerichts, das für Ende des Monats angekündigt ist. Immerhin gaben die Richter bereits einen Hinweis: Eine Neufassung der Wählerlisten hätte vor dem Referendum stattfinden müssen.

    Ponta droht damit eine erneute Niederlage. Auf Druck der EU hatte er bereits zwei Entscheidungen zurücknehmen müssen. Im einen Fall war es um die Beschneidung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts gegangen, im anderen um eine Änderung der Rahmenbedingungen für Volksabstimmungen: Der Regierungschef hatte das 50-Prozent-Quorum abschaffen wollen.

    Oberste Richter werden bedroht

    „Sehr besorgt“ hat sich gestern die für Grundrechte zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding über politischen Druck auf die obersten Richter des Landes gezeigt. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Augustin Zegrean, hatte die EU-Kommission in einer „dringenden Mitteilung“ darüber informiert, dass einer der Richter nicht abstimmen wollte, weil er und seine Familie bedroht worden seien. Auch eine Richterin sei „ernsthaft bedroht“ worden, bei einem anderen Richter habe die Regierung die Rechtmäßigkeit der Ernennung bestritten.

    Der rumänische Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu analysiert die Lage in der Wiener Zeitung Die Presse so: „Das Problem in Rumänien ist, dass wir, so wie andere Transformationsstaaten auch, keine wirklichen Parteien haben, sondern Klientelparteien, die im Dienste ihrer Chefs stehen.“ Schuld an der Krise sei nicht nur Ponta, sondern auch Basescu, der sich andauernd in die Regierungsgeschäfte eingemischt habe. Eine Demokratie aufzubauen sei „ein sehr langer und mühsamer Prozess“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden