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Interview: Der Mann, der hunderte Kaninchen gerettet hat

Interview

Der Mann, der hunderte Kaninchen gerettet hat

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    Matthias Breitenbach teilt sich das weitläufige Gelände seines Schlosses in Thüringen mit hunderten Kaninchen – und zwei Doggen. 	Foto: Ariane Attrodt
    Matthias Breitenbach teilt sich das weitläufige Gelände seines Schlosses in Thüringen mit hunderten Kaninchen – und zwei Doggen. Foto: Ariane Attrodt

    Herr Breitenbach, Sie müssen ein tierliebender Mensch sein.

    Breitenbach: Das bin ich. Ich versuche einfach, den Tieren zu helfen. Ob es immer richtig ist, was ich da tue, weiß ich nicht.

    Das, was Sie da tun, nehmen Sie jedenfalls sehr ernst. Auf dem Gelände Ihres Schlosses im thüringischen Sonneberg leben hunderte Kaninchen.

     Breitenbach: Vielleicht sind es 400, vielleicht auch 1000.

    1000?

     Breitenbach: Es ist ganz schwer zu sagen, wie viele es wirklich sind. Denn sie leben in Höhlen, im Wald oder in alten Lüftungsschächten unter dem Schloss. Zeitgleich sehe ich maximal 40 von ihnen, schätze ich.

    Warum, um Himmelswillen, haben Sie so viele Kaninchen?

    Breitenbach: Es begann damit, dass meine Nachbarin vor anderthalb Jahren altersbedingt ihre kleine Kaninchenzucht aufgegeben hat. Als ich davon hörte, bin ich gleich zu ihr. 15 Kaninchen hatte sie noch. Da habe ich gesagt: „Ich kaufe die alle.“

    Aus Tierliebe.

    Breitenbach: Ich wollte weder Kaninchen züchten noch essen, ja. Ich wollte die Tiere vor dem Kochtopf bewahren und ihnen eine neue Heimat schenken. Ich konnte meiner Nachbarin dann 14 der 15 Kaninchen abkaufen. Das Fünfzehnte hatte sie leider schon einem anderen versprochen.

    Und dann?

     Breitenbach: Zuerst hatte ich versucht, die Rammler und Häsinnen getrennt voneinander in Ställen unterzubringen. Aber bei der Geschlechterbestimmung habe ich mich geirrt. Schlimmer war, dass nachts einmal jemand auf das Schlossgelände eingedrungen ist und die Stalltür aufmachte. Dann waren die Kaninchen draußen – und haben sich vermehrt.

    Haben Ihre Kaninchen Namen?

    Breitenbach: Viele von ihnen, und die ersten 14 alle. Die sehe ich auch heute noch und freue mich. Zum Beispiel Wotan, Tante Gretel, die Moni und die Bärbel. Die jungen Kaninchen nenne ich alle Kückis. Schon als Kind hatte ich einen Stallhasen, der hieß Hänsel. Gretel gehörte meiner Schwester. Die wurden uralt, ich glaube 18 Jahre. Und ich hatte Fische und Vögel. Und eine Wüstenspringmaus.

    Was halten die Sonneberger von Ihnen und Ihren Kaninchen?

    Breitenbach: Ich wurde mit sehr viel Kritik konfrontiert, und natürlich habe auch ich manchmal so meine Zweifel. Gerade wenn ein Kaninchen stirbt. Bis auf vier ältere Tiere, die ich im Stall halte, leben ja alle Kaninchen im Freien auf dem Schlossgelände. Und hier in der Gegend gibt es zum Beispiel Greifvögel...

    Wenn die sich ein Kaninchen holen, ist das zumindest ein natürlicher Vorgang.

    Breitenbach: Da haben Sie recht. Ich frage mich dennoch: Warum tust du dir das an? Aber dann gibt es diese zahlreichen kleinen, sehr schönen Momente: Wenn ich die Kaninchen sehe, wie sie sich sonnen und dabei ein paar Karotten fressen. Oder nachts: Da habe ich sie auch schon bei ihren Balztänzen beobachtet. Ich glaube: Sie sind hier sehr glücklich.

    Machen hunderte Kaninchen nicht jede Menge Arbeit?

    Breitenbach: Ich kaufe einmal in der Woche Futter. Das lade ich täglich an einer zentralen Futterstelle ab. Das ist wirklich kein tagesfüllendes Programm.

    Was haben Sie Ihren Kaninchen im Winter alles zu Fressen gegeben?

    Breitenbach: Bei geschlossener Schneedecke und unter null Grad waren es pro Tag ungefähr 15 Kilogramm Nassfutter. Also Obst und Gemüse in Form von Karotten, Äpfeln, Salat, Kohl oder Gurken. Dazu Trockenfutter und Heu.

    Wie viel kostet das?

    Breitenbach: Etwa 25 Euro am Tag.

    Wollen Sie Ihre Kaninchen nicht verkaufen? Wenigstens ein paar?

    Breitenbach: Ich werde regelmäßig danach gefragt, aber das mache ich nicht.

    Warum?

    Breitenbach: Ich wäre sofort dazu bereit, wenn jemand zu mir sagen würde: „Ich nehme fünf, sechs Kaninchen. Ich habe einen großen Garten und kümmere mich gut um sie.“ Aber diese Anfrage hatte ich bisher leider noch nicht. Die Leute, die meine Kaninchen haben wollten, wollten sie verfüttern. Oder essen.

    Damit ist man bei Ihnen an der falschen Adresse.

    Breitenbach: In solchen Fällen brauche ich immer meine Herztropfen, also ein Gläschen Sekt. Im Ernst: Ich bin Veganer. Kaninchen zu essen, das geht gar nicht. Das ist nun mal meine Meinung. Bislang hat mir das auch noch keiner übel genommen. Hoffe ich jedenfalls.

    Wie soll es denn weitergehen?

    Breitenbach: Ich habe dieses spätbarocke Schloss vor 16 Jahren gekauft. Es hat ungefähr 35 bis 40 Zimmer, ungefähr 1000 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche und ungefähr 25000 Quadratmeter Park. Ich möchte mittelfristig meinen Lebensmittelpunkt ans Mittelmeer verlegen. Deswegen suche ich jetzt einen neuen Schlossherren.

    Und was wird aus den Kaninchen?

    Breitenbach: Die zählen hier zum Inventar und müssen übernommen werden. Sie stören den Betrieb auch überhaupt nicht.

    Was, wenn ein potenzieller Käufer sagt: „Das Kaninchen-Futter ist mir zu teuer“?

    Breitenbach: Dem würde ich antworten: „Ich kümmere mich in irgendeiner Form weiter um die Kaninchen.“ Das bin ich ihnen schuldig.

    Interview: Ariane Attrodt

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