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Deutschland ist heiß auf Eis

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Deutschland ist heiß auf Eis

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    Deutschland ist heiß auf Eis
    Deutschland ist heiß auf Eis Foto: DPA

    Bei der Nummer drei auf dem deutschen Eismarkt, der R&R Ice Cream Deutschland GmbH, wird mittlerweile schon zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegriffen, um den Ansturm zu bewältigen: "Bei uns müssen die Kollegen aus der Verwaltung schon mal helfen. Teilweise sind die raus aus den Büros und packen mit ab", sagt Unternehmenssprecher Robert Augustin.

    Seinen Angaben zufolge rollen pro Woche "in einem normalen guten Sommer" 6000 Paletten aus dem Werk im niedersächsischen Osnabrück. Nun sind es 14 000, also locker doppelt so viele. Längst läuft die Produktion ununterbrochen sieben Tage die Woche. Und 200 Saisonkräfte unterstützen bereits die Produktion, die an den Einzelhandel geht.

    "Ja, die Auftragslage ist natürlich fantastisch", sagt Augustin. "Wir freuen uns über jeden Wetterbericht, der weiter Hochdruckgebiete ankündigt." Der Frühling sei für die Branche derart schlecht gewesen, dass die Hitze nun wie gerufen komme. "Den Jahrhundertsommer 2003 haben wir vermutlich jetzt schon überholt", meint Augustin.

    Die Einschätzung der Branche klingt vorsichtiger. "Ob wir an den Spitzenwert von 8,7 Litern Eis pro Kopf aus dem Jahr 2003 mit seinem Jahrhundertsommer herankommen, können wir noch nicht sagen, weil das Frühjahr schlecht lief", sagt Ernst Kammerinke vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) in Bonn. "Die nächsten Wochen entscheiden. Ich denke schon, dass wir an die 8 Liter kommen."

    Auch für die Marktführer Langnese und Schöller/Mövenpick könnte die Lage kaum besser sein, eine Bilanzprognose für das ganze Jahr wagen aber auch sie nicht. "Das können wir vielleicht Ende August", sagt Sören Pinkow von der Firma Nestlé, die Schöller und Mövenpick vertreibt. Ihr Werk im niedersächsischen Uelzen steht dieser Tage ebenfalls nie still, zwei Millionen Eisprodukte sind es täglich.

    Auch Langnese geizt nicht mit stolzen Zahlen, was das aktuelle Geschäft angeht: "Wir verkaufen zur Zeit bis zu fünfmal mehr Eis als an kühleren Sommertagen. Die erste Juli-Woche 2010 übertraf in Bezug auf den gesamtdeutschen Eisverkauf sogar den Jahrhundertsommer von 2003", sagt Sprecher Christian Rottmann. Derzeit rollten pro Minute 500 Liter Langnese-Eis aus dem Werk im südhessischen Heppenheim.

    Und auch kleinere Eishersteller profitieren von der gestiegenen Nachfrage: "Sicherlich wird es kein schlechtes Jahr", sagt Martin Ruehs aus der Geschäftsführung der Eisbär Eis GmbH aus Apensen nahe Hamburg, die den Lebensmittelgroß- und Einzelhandel beliefert.

    Und die auf Milcherzeugnisse spezialisierte Humana aus Everswinkel in Nordrhein-Westfalen setzt derzeit pro Woche 9000 statt der normalen 6000 Paletten Eiscreme ab. Der Sommer mache die Hälfte des Jahresumsatzes aus, sagt Unternehmenssprecherin Inga Schaumann.

    Zu den Profiteuren gehören auch die Eiscafés. "Es läuft momentan unglaublich", sagt Anna Lisa Carnio von der Union der italienischen Speiseeishersteller. Jedoch seien Temperaturen über 30 Grad nicht förderlich fürs Geschäft. "Dann trinken die Leute mehr, als dass sie Lust auf Eis haben", gibt Carnio zu bedenken. Die Renner der Saison seien Joghurt-Sorten und Früchtevarianten wie Mango oder Waldbeeren.

    Diesen Trend sieht auch die Eisabteilung des BDSI: Fruchteis in Verbindung mit Quark, Buttermilch oder Joghurt liefen bestens. Bei den Herstellern dieser Zutaten, den Milchbauern, ist vom Eis-Boom aber noch nichts zu spüren. "Das ist nicht wirklich relevant", sagt Jutta Weiß vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Ein Trend bei den Herstellern sei es leider, Milch- durch Speisefett zu ersetzen.

    Trotz der Riesennachfrage ist bei allen Herstellern zu hören, dass sie auf der Zutatenseite keine Engpässe haben und auch die Preise der Lieferanten noch nicht steigen. Und bei aller Eis-Euphorie kann der BDSI auch ein Stück weit bremsen: "Beim Pro-Kopf-Verbrauch liegen wir Deutschen im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld", sagt Eisexperte Kammerinke. Erstaunlicherweise führen die Skandinavier.

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