Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Fasching: Humor ist eine Frage der Haltung

Leitartikel

Fasching: Humor ist eine Frage der Haltung

    • |
    Auf dem Düsseldorfer Rosenmontagszug nimmt ein Persiflagewagen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufs Korn.
    Auf dem Düsseldorfer Rosenmontagszug nimmt ein Persiflagewagen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufs Korn. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Die Frage, was Humor ist, lässt sich nicht so leicht beantworten. Das zeigt sich auch in einer Stellenanzeige, die ein amerikanischer Geheimdienst geschaltet hat: Gesucht wurden Sprachwissenschaftler, die den Algorithmen in Zeiten automatisierter Massenüberwachung beibringen sollten, ernst gemeinte von unernsten Texten zu unterscheiden – eine Herausforderung, an der Maschinen bislang in den meisten Fällen gescheitert sind.

    Doch man muss gar nicht die binäre Logik irgendeines Computerprogramms bemühen, tun sich doch auch Menschen bisweilen schwer mit dem Humor. So kann man sich beispielsweise – um im Bild zu bleiben – gut einen mit Trenchcoat und Schlapphut gekleideten Herrn vorstellen, der in diesen Tagen einer Kappensitzung beiwohnt und sich verzweifelt fragt, was denn nun daran lustig gemeint sein soll. Okay, das war jetzt ein kleiner Scherz, der jedoch zeigt, dass Humor und Humorverständnis auch etwas zutiefst Individuelles sind. Und deswegen – Albtraum einer jeden privatwirtschaftlichen oder staatlichen Kontrollinstanz – so schwer zu identifizieren und einzuhegen.

    Faschingsumzüge sind so politisch wie lange nicht mehr

    Humor ist gleichzeitig aber auch etwas zutiefst Gemeinschaftsstiftendes: Noch jeder Witz zielt ja auf das Lachen der anderen ab, und diese Verschränkung macht aus ihm so eine ernste Sache. Denn nichts fürchten beispielsweise autoritäre Regime oder Herrscher mehr als diese Mischung aus individuellen, unkontrollierbaren, die Gepflogenheiten der Standard-Kommunikation unterlaufenden Botschaften, die dennoch zumindest von einer gewissen Gruppe geteilt und verstanden werden. Das (wenn auch bisweilen notgedrungen hinter vorgehaltener Hand) lachende Kollektiv wird so zu einer Keimzelle der Renitenz und des Widerstands.

    Und so verwundert es nicht, wenn Autokraten wie Recep Tayyip Erdogan bekanntlich noch das harmloseste Witzchen (und gemeint ist damit nicht Böhmermann) mit allen Mitteln bekämpfen lassen, wie überhaupt Zeiten anzubrechen scheinen, in denen nach den Niederungen mancher „Comedy“ mitsamt seiner Hausmeisterwitze Humor wieder eine politischere Rolle zu spielen scheint, als sich das ein Mario Barth je hätte vorstellen können.

    Das zeigte sich auch auf den gestrigen Rosenmontagsumzügen vor allem im Rheinland, wo die Motivwagen so politisch und scharf wie schon lange nicht mehr daherkamen: Trump, Populismus, Nationalismus, Islamismus – das sind die vorherrschenden Themen dieser Tage, und das sind sie nun auch im Fasching beziehungsweise Karneval, der ja seit alters dazu dient, Autoritäten und Mächtige in Frage zu stellen.

    Zum Freund-Feind-Denken passt das Lachen nicht

    Was damals aber ein zeitlich streng begrenztes Ventil war, um das Volk bei Laune zu halten (das so gesehen vor allem deswegen lachte, weil es nichts zu lachen hatte), wird heutzutage zur Dauerübung: sich nämlich auch in diesen Zeiten den Humor nicht nehmen zu lassen. Zumal das in unserer Gesellschaft (noch) relativ problemlos möglich ist, auch wenn zuletzt die eine oder andere Auseinandersetzung über Satire, aber auch vermeintliche politische Korrektheit und, mehr noch, der Blick in manches Online-Forum nicht nur erschreckend humorlose Denkweisen offenbaren.

    Denn in einem ähneln all die Erdogans und Trumps, all die National- und sonstigen „-ismen“ den eingangs erwähnten, humorlosen Maschinen: nämlich in ihrem binären beziehungsweise manichäischen Freund-Feind-Denken, in das kein Lachen passt.

    Man muss also weder den Fasching lustig finden noch über alles lachen, man sollte es die anderen aber lassen. Humor ist manchmal eine Geschmacks-, manchmal gar eine Überlebensfrage, vor allem aber ist Humor: eine Haltung.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden