Von Jasmin Fischer Catford. Sie sehen aus wie Schuhkartons mit Fenstern, sind Trutzburgen mit Gartenzwerg-Armee und Fantasie-Schlösser. Die Fertighäuser der Excalibur-Siedlung südlich von London zählen zu den charmantesten Zeitzeugen der britischen Nachkriegsgeschichte. Nun sollen die einstigen Notunterkünfte der Planierraupe weichen. Die Bewohner aber kämpfen für ihr Viertel und hoffen auf Hilfe aus Deutschland.
Repräsentative Herrenhäuser sehen sicher anders aus, doch im "Excalibur Estate" würde man die zugigen Flachbauten nicht einmal gegen stattliche Villen oder eine satte Abfindung tauschen wollen. 200 dieser vorgefertigten Unterkünfte in Catford haben deutsche Kriegsgefangene vor Jahrzehnten zusammenmontiert. "Ursprünglich sollten die Hütten die Wohnungsnot nach den Bombenangriffen der Nazis auf London lindern", sagt Jim Blackender. Nach ein paar Jahren hätte das provisorische Excalibur eigentlich abgerissen werden sollen. Doch, so Blackender, "selbst nach 60 Jahren sind die Bungalows noch tipptopp."
Die Stadtverwaltung Lewisham sieht das naturgemäß anders. Ihr ist die Siedlung wegen des angeblich niedrigen Lebensstandards ein Dorn im Auge. Catford ist nicht wohlhabend, könnte aber Großes aus sich machen, denn die Stadt hat direkten Anschluss an die Pendlerzüge Richtung London. "Hier, wo unsere 187 Bungalows stehen, sollen 600 Mietwohnungen hochgezogen werden", sagt Blackender. "Es geht der Kommune und den Investoren nicht um Lebensstandards oder die Geschichte dieser Siedlung - sie sind einfach gierig nach Bauland."
Dass die Bungalows aus Nordamerika überhaupt noch stehen, grenzt an ein Wunder. Jahrzehnte nach Ablauf seiner Haltbarkeitsdauer ist das vergessene "Excalibur Estate" offenbar die letzte und größte Siedlung dieser Art in Europa. Die schlichte Variante der 70-Quadratmeter-Häuser besteht aus Sperrholz, Asbest und Beton, die Dächer sind mit Asphalt überzogen. Die Luxus-Variante verfügt über eine nachträglich angebrachte Isolierung. Unter dem Blechdach der Fertighaus-Kirche finden immer noch Hochzeiten statt.
Gebaut wurde "Excalibur" nach 1945 von Kriegsgefangenen aus Deutschland, Italien und Weißrussland für Leute wie Eddie O'Mahony (89), damals ein ausgebombter Kriegsheimkehrer. Er war der erste Bewohner - und ist hier nun der älteste. "Meine Frau und ich haben uns in den Bungalow verliebt", erinnert er sich. "Er war moderner als alles andere, hatte ein Innenklo, einen beheizbaren Handtuchhalter, Garten und ein riesiges Wohnzimmer. Keiner aus der Arbeiterschicht hatte einen so hohen Lebensstandard wie wir." Ausziehen will er nicht. Dabei könnte er sich mit dem Trennungsgeld der Verwaltung eine solide Eigentumswohnung leisten: "Wir haben hier unsere Söhne großgezogen, Erinnerungen gesammelt, zwei Wirbelstürme überstanden. Die Siedlung niederzureißen, wäre Vandalismus."
Dem Witwer gehört die Zwei-Zimmer-Konstruktion. Die meisten anderen zahlen der Stadt Lewisham rund 300 Euro Miete pro Monat. So ein Schnäppchen dürfte im Speckgürtel von London einmalig sein. "Wir haben eine lange Warteliste von Leuten, die herziehen wollen", sagt Blackender stolz. "Die Regierung sollte mehr, nicht weniger von diesen Siedlungen bauen." Selbst der Postbote, der jahrelang Briefe in den Straßen mit Ritternamen wie Pelinore, Baudwin und Mordred ausgetragen hat, ist ins König-Artus-Viertel gezogen.
Letzte Hoffnung des Viertels ist nun das Kulturministerium. "Einige Fertighäuser könnten unter Denkmalschutz gestellt werden", hofft Blackender. Um die Historie der Siedlung besser dokumentieren zu können, hofft er, dass sich Deutsche bei ihm melden, die beim Aufstellen der "Prefabs" geholfen haben. Sein Nachbar Eddie O'Mahony schwärmt: "Wir können ihre Arbeit nur loben."