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Hauptstadt: Ist alles zu spät für die Berliner Spätis?

Hauptstadt

Ist alles zu spät für die Berliner Spätis?

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    Einkaufen und das Leben feiern: Im Späti geht das zusammen. 
    Einkaufen und das Leben feiern: Im Späti geht das zusammen.  Foto: Jens Kalaene, dpa

    Selbst bei den Ladenöffnungszeiten liegen Welten zwischen den Süddeutschen und den Berlinern. So hat der bayerische Landtag erst vor Kurzem bekräftigt, dass die Öffnungszeiten nicht erweitert werden. Abends um 20 Uhr muss der Rollladen runter. In Berlin dürfen alle Einzelhändler rund um die Uhr geöffnet haben. Daher halten selbst große Supermärkte ihre Kassen zumindest bis Mitternacht offen. Nur am Sonntag müssen die Läden auch in Berlin geschlossen bleiben.

    Doch die Berliner finden immer wieder Wege, um strenge preußische Verwaltungsauflagen zu umgehen. Überall in der Stadt gibt es kleine Läden, in denen die gestressten Hauptstädter auch sonntags bekommen, was sie zum Überleben brauchen: Kaffee, Frühstücksbrötchen und die Kartoffelchips für den „Tatort“. Diese Läden haben tatsächlich bis weit nach Mitternacht geöffnet, an allen sieben Tagen der Woche. Sie sind Kult und gehören zu Berlin wie der Fernsehturm: die „Spätis“, eine liebevolle Abkürzung von „Spätverkaufsstelle“, wie sie im Amtsdeutsch heißt.

    Die Spätis sind ein Relikt aus der DDR

    Die oft kunterbunten Läden sind ein Relikt aus der DDR. Hier sollten Schichtarbeiter noch einkaufen können, wenn die regulären Geschäfte geschlossen hatten. Nach der Maueröffnung breitete sich diese Kultur in West-Berlin aus, vor allem in den Bezirken Kreuzberg und Neukölln. An hunderten Ladentüren blinkten nun auch am Sonntag bunte Lämpchen mit dem Schriftzug „Open“. Jahrelang wurde dieser Rechtsbruch von den Behörden toleriert. Doch inzwischen weht ein süddeutscher Geist durch die Berliner Amtsstuben. Reihenweise werden die Spätis an Sonntagen kontrolliert. Die Ordnungsbehörden haben Bußgelder bis zu 2500 Euro angedroht. Selbst das Berliner Verwaltungsgericht urteilte zuletzt, dass Spätis sonntags grundsätzlich geschlossen bleiben müssen. Auf die Sonntag-Ausnahmeregelung können sich die Laden-Inhaber nicht mehr beziehen.

    Viele Berliner finden das überzogen. Für ihre Spätis haben sie sogar eine Petition gestartet. Rund 18.000 Menschen haben unterschrieben. Sie fürchten um ihre „Kiezkultur“.

    Spätis sollen mit kuriosen Ideen gerettet werden

    Rein äußerlich sind Spätis eine Mischung aus Mini-Supermarkt und Tante-Emma-Laden. Die Ausstattung ist meistens karg: Die Ware ist auf einfachen Regalen gestapelt. Das Biersortiment ist in Kisten aufgetürmt. Für die zahlreichen Neu-Berliner gibt es die vertrauten Getränkemarken aus Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg. Aber für viele Nachbarn ist der Späti mehr als ein Laden: Hier lagern die Pakete, die der Postbote bringt. Schulkinder lassen am Monatsende den Kaugummi anschreiben. Zentrale Spätis werden in den Nachtstunden zur Partyzone. Urlauber, Zugezogene und Berliner sitzen Rücken an Rücken und feiern das Leben. Zum Alltag der genervten Nachbarn gehören allerdings Glassplitter auf den Gehwegen und ein hoher Lärmpegel.

    Es gibt die kuriosesten Rettungsversuche für die Sonntags-Spätis: Mancher Laden öffnet an diesem Tag nur noch mit gedimmter Beleuchtung. Ein Betreiber im Prenzlauer Berg rechtfertigt sich: „Ohne die Sonntags-Einkünfte kann ich meine Miete nicht bezahlen.“ Ein Lokalpolitiker spricht sich dafür aus, Spätis mit Ladestationen für Elektroroller auszustatten. Denn als „Tankstelle“ wären Spätis offiziell vom gesetzlichen Verbot der Sonntagsöffnung ausgenommen.

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