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Mosambik: Helfer nach Tropensturm Idai: "So etwas habe ich noch nie erlebt"

Mosambik

Helfer nach Tropensturm Idai: "So etwas habe ich noch nie erlebt"

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    Jörg Leggewie war bereits auf zwölf Einsätzen in Katastrophengebieten.
    Jörg Leggewie war bereits auf zwölf Einsätzen in Katastrophengebieten. Foto: Landsaid

    Herr Leggewie, Sie koordinieren in Mosambik und Simbabwe den Katastropheneinsatz der Kauferinger Hilfsorganisation Landsaid. Wie sieht die Situation dort aktuell aus?

    Leggewie: Simbabwe ist eine gebirgige Gegend, auf die ist der Zyklon getroffen. Es gab viele Erdrutsche, Straßen und Brücken wurden zerstört. Hier ist das Problem nicht wie in Mosambik das stehende Wasser, sondern überhaupt in die einzelnen Dörfer zu kommen. Von der Hauptstadt Harare aus braucht man ins Einsatzgebiet in Chimanimani im Osten des Landes aktuell neun Stunden – einfach. Mittlerweile gelangt man dort aber zumindest wieder mit Autos hin. Bisher ging das nur mit dem Hubschrauber.

    Sie haben sich einen Überblick über die Notlage in Mosambik verschafft. Wie geht es den Menschen dort?

    Leggewie: Ich habe mit dem Auto Camps besucht, um einen Eindruck zu bekommen. Woran es den Menschen am meisten fehlt, ist Perspektive. In manchen Hütten stand das Wasser noch einen Meter hoch – da war alles weg. In der Küstenstadt Beira habe ich nur noch wenige überflutete Bereiche gesehen, weil das Wasser schon wieder abgeflossen war. Dort hatten die Menschen gar kein Essen mehr. Das, was da war, ist entweder im Wasser weggeschwommen oder vergammelt. Viele Hausdächer wurden weggerissen und damit der gesamte Hausrat komplett vernichtet. Die Betroffenen wissen nicht, wann und ob sie Hilfe bekommen. Deshalb muss man jetzt überlegen, was man den Menschen an Perspektive bieten kann.

    Mosmbik: Nach Tropensturm Idai drohen Choleraausbrüche

    Nach den Verwüstungen breiten sich Krankheiten aus. Droht eine Epidemie?

    Leggewie: In Mosambik sind aktuell über 1000 Cholerafälle in Behandlung. Man hat zwar noch nicht die Krankheit im Griff, aber das Equipment zur Behandlung vor Ort. Es gibt sieben Zentren, in denen ausschließlich Cholera behandelt wird. Die Menschen werden jetzt geimpft, um die Krankheit nicht noch weiter ausbrechen zu lassen. In Mosambik wird für drei bis vier Monate mit einem Anstieg der Cholerafälle gerechnet, bis man alles im Griff hat. In Simbabwe gibt es seit 2018 Choleraausbrüche. Die Situation wird sich jetzt sicher nicht verbessern.

    Warum haben Sie Ihre Arbeit nach einigen Tagen von Mosambik nach Simbabwe verlegt?

    Leggewie: In Beira hat man uns gesagt, dass wir definitiv keine Erlaubnis bekommen werden, Ärzte reinzubringen, weil genug andere Organisationen im Land sind. Weil wir aber bereits vor Ort waren, sind wir ins ebenfalls betroffene Simbabwe gereist. Ich schaue nun gerade für Landsaid, wie wir dort helfen können. Also, ob wir ein Ärzteteam ins Land schicken oder Medikamente spenden können.

    Extremes Wetterereignis: Der Zyklon «Idai» hat in weiten Teilen von Mosambik, Simbabwe und Malawi im südöstlichen Afrika zu schweren Überschwemmungen geführt.
    Extremes Wetterereignis: Der Zyklon «Idai» hat in weiten Teilen von Mosambik, Simbabwe und Malawi im südöstlichen Afrika zu schweren Überschwemmungen geführt. Foto: Themba Hadebe/AP, dpa

    Wie sieht die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten aus?

    Leggewie: Für Mosambik sind relativ viele Nahrungsmittel in der Pipeline. Deshalb wird momentan nicht davon ausgegangen, dass die Menschen dort Hunger leiden müssen. Das Problem ist eher, das Ganze schnell zu verteilen. Ähnliches gilt für Medikamente. Es fehlt an Leuten und Organisationen, die das tun. Je weiter man sich von der Provinzhauptstadt Beira entfernt, desto rustikaler wird die Situation. Es fehlt an Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Ich habe noch keine Katastrophe erlebt, bei der es so lange gedauert hat, bis Hilfe vor Ort war.

    Bürokratische Hürden erschweren Hilfe nach Tropensturm

    Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

    Leggewie: Ich denke, dass sich die internationale Gemeinschaft selber bürokratische Hürden aufgebaut hat. Ich habe andere Einsätze erlebt, in denen Lebensmittel und Medikamente sehr viel schneller vor Ort waren. Vergangene Woche war massive Hektik am Flughafen in Beira, weil dort Unmengen an Gütern angekommen sind – immerhin zwei Wochen nach dem Sturm. Im Nachgang sollte dringend analysiert werden, woran das gelegen hat.

    Was sind die größten Probleme für Sie als Helfer?

    Leggewie: Die bürokratischen Hürden und Informationen zu sammeln. In Harare sitzen fast keine Organisationen, es gibt keine lokale Koordinierungsstruktur und wenige offizielle Reports. Das war in Beira komplett anders. Dort sprangen hunderte Mitarbeiter der UN und anderer Hilfsorganisationen herum. Hier in Simbabwe ist noch keiner. Die Hilfe ist sehr lokal und restriktiv organisiert. Ich schaue momentan, mit wem ich sprechen muss. Man darf nicht einfach etwas anfangen, sondern muss ein genaues Prozedere durchlaufen, bis man registriert ist. Notfallmaßnahmen ist es aber natürlich nicht zuträglich, wenn man vorher noch etliche bürokratische Hürden nehmen muss. Das war in Mosambik nicht anders.

    Wie lange bleiben Sie noch in Simbabwe und wie sieht Ihre Arbeit in den nächsten Tagen aus?

    Leggewie: Wir werden an diesem Freitag abreisen, ich bin ja bereits eine Woche vor Ort. Das erste Mal bin ich in einem Einsatz nicht so vorangekommen, wie ich mir das gedacht habe. Wir sind festgesteckt und festgesessen. Zuletzt haben wir versucht, jeden, der uns Informationen geben kann, anzurufen oder zu treffen. Jetzt wollen wir sehen, wo es Möglichkeiten gibt, zu unterstützen. Idealerweise mit einem lokalen Partner, dem wir Geld oder Equipment schicken können und der sich vor Ort um alles kümmert – oder über den wir eine Registrierung für ein medizinisches Team bekommen.

    Zur Person: Jörg Leggewie, 50, war seit 2001 für verschiedene Hilfsorganisationen zwölf Mal in Katastrophengebieten im Einsatz.

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