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Aum-Sekte: Hinrichtung von Shoko Asahara: Guru verübte Giftgasanschlag in Tokio 1995

Aum-Sekte

Hinrichtung von Shoko Asahara: Guru verübte Giftgasanschlag in Tokio 1995

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    Shoko Asahara, Gründer der Endzeitsekte "Aum Shinrikyo", wurde in Japan hingerichtet. Er war verantwortlich für einen Giftgasanschlag im Jahr 1995.
    Shoko Asahara, Gründer der Endzeitsekte "Aum Shinrikyo", wurde in Japan hingerichtet. Er war verantwortlich für einen Giftgasanschlag im Jahr 1995. Foto: Kyodo News/AP, dpa (Archiv)

    In Japan sorgte eine Exekution für Aufsehen. "Sieben Aum-Mitglieder wurden hingerichtet, darunter Shoko Asahara", sagte ein Vertreter des japanischen Justizminsteriums. Die Aum-Sekte hatte unter ihrem Anführer Asahara vor über zwanzig Jahren einen tödlichen Giftgasanschlag auf die U-Bahn in Tokio verübt. Es sind die ersten Hinrichtungen im Zusammenhang mit dem Anschlag und zugleich ist es die größte, zeitgleich stattfindende, Exekution in Japan seit mehr als hundert Jahren. Weitere sechs Mitglieder sitzen noch im Todestrakt, insgesamt wurden mehr als 190 Aum-Mitglieder verurteilt.

    Hinrichtung von Shoko Asahara: Das Attentat der Aum-Sekte auf die U-Bahn in Tokio

    Bei dem Anschlag am 20. März 1995 hatten die Attentäter der Aum-Sekte mitten im Berufsverkehr das Nervengas Sarin in der Tokioter U-Bahn freigesetzt. 13 Menschen wurden getötet und mehr als 6000 weitere verletzt. Der Anschlag lähmte die Hauptstadt Japans, die Bilder erinnerten an ein Kriegsgebiet. Das Saringas-Attentat in Tokio soll ein Versuch der Sekte gewesen sein, eine geplante Razzia der Polizei gegen ihr Hauptquartier am Fuji zu verhindern. Der Anschlag wurde für Japan zu einem gesellschaftlichen Trauma. Er zerstörte die Überzeugung der Japaner, in einem Sicherheitsparadies zu leben. Der Polizei wurde damals vorgeworfen, nicht schon viel früher gegen Asahara vorgegangen zu sein. Noch heute leiden viele Opfer des Anschlags unter den psychischen, körperlichen und finanziellen Folgen.

    Japans Justizministerin Yoko Kamikawa 
gibt die Exekution Shoko Asaharas bekannt.
    Japans Justizministerin Yoko Kamikawa gibt die Exekution Shoko Asaharas bekannt. Foto: JIJI PRESS, AFP (Archiv)

    Die Hinrichtung der sieben Sektenmitglieder stieß bei einigen Überlebenden am Freitag auf Erleichterung. "Ich hatte das Gefühl, dass die Welt ein bisschen heller geworden ist," sagte der Filmemacher Atsushi Sakahara, der bei dem Anschlag verletzt worden war. Trotz der Grausamkeit des Anschlags hatten einige Experten vor einer Hinrichtung der Täter gewarnt. Der Tod Asaharas könne einen neuen Sektenführer hervorbringen, möglicherweise Asaharas zweiten Sohn. Überdies gab es Warnungen, die Exekutionen könnten die Täter in den Augen ihrer Anhänger zu Märtyrern machen.

    Das war Shoko Asahara, Anführer der Sekte "Aum Shinrikyo"

    Asahara gründete eine Yogaschule, aus der die Sekte "Aum Shinrikyo" ("Höchste Wahrheit") hervorging. Asahara nutzte das spirituelle Vakuum, das nach den wirtschaftlichen Boom-Jahren in Japan entstanden war und die junge Generation zu neuen Religionen wie "Aum" trieb. Tausende junger Menschen sahen in Asahara eine charismatische Vaterfigur, von der sie sich verstanden fühlten und die ihnen eine Alternative bot, um aus den Zwängen der Gesellschaft auszubrechen.

    Aber Asahara wollte mehr. Mit dem politischen Arm seiner Sekte kandidierte er Ende der 80er Jahre für das japanische Parlament, scheiterte jedoch kläglich. Die Sekte soll daraufhin in finanzielle Probleme geraten sein. "Aum" müsse sich bewaffnen, um die Apokalypse zu überleben, sagte Asahara nun. Vom Staat als religiöse Organisation anerkannt, nutzte die Sekte ihre Steuerfreiheit aus, heuerte fähige junge Wissenschaftler der besten Universitäten an und ließ am Fuße des Berges Fuji ein ganzes Arsenal biochemischer Waffen produzieren.

    Das Nervengas Sarin

    Geruchlos, geschmacklos und tödlich - das Nervengas Sarin gehört zu den gefürchtetsten Kampfstoffen.

    Es ist farblos, geruchlos, geschmacklos.

    Sarin kann bereits in einer Dosis von nur einem halben Milligramm zum Tod führen.

    Das in der Chemie Methylfluorphosphonsäureisopropylester genannte Gift kann über Haut und Atemwege in den Körper gelangen.

    Gegenmittel wirken nur bei sofortiger Verabreichung.

    Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist Sarin 26 Mal tödlicher als Zyanid.

    Das Gas wurde 1938 von deutschen Chemikern entdeckt.

    Die irakische Luftwaffe warf im März 1988 Sarin-Bomben auf das von kurdischen Kämpfern kontrollierte Dorf Halabdscha ab und tötete etwa 5000 Menschen.

    Die Aum-Sekte setzte das Gift bei dem Anschlag auf die U-Bahn von Tokio 1995 ein, bei dem 13 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt wurden.

    Nun soll das Nervengas auch im syrischen Ort Chan Scheichun eingesetzt worden sein. Bei einem Angriff starben dort 87 Menschen.

    Trotz Urteil zu Hinrichtung von Shoko Asahara: Guru hatte weiter Einfluss auf die Sekte

    Die beiden aus "Aum" hervorgegangenen Nachfolgegruppen "Aleph" und "Hikari no Wa" fanden in den Jahren nach der Tat zahlreiche Anhänger - und wurden einer scharfen Überwachung unterzogen. Der Staat war überzeugt: Selbst mehr als 20 Jahre nach der Inhaftierung Asaharas standen die Gruppen weiter unter starkem Einfluss des Gurus hinter Gittern.

    U-Bahnen als Ziel von Anschlägen

    U-Bahnen waren schon oft Ziel terroristischer Anschläge. Häufig waren Russland oder frühere sowjetische Republiken betroffen. Die verheerendsten Angriffe:

    März 2016: Islamistische Terroristen verüben in der belgischen Hauptstadt Brüssel einen Doppelanschlag auf den Flughafen und in der U-Bahn. 32 Menschen werden ermordet, mehr als 320 verletzt. Zudem kommen drei Selbstmordattentäter um.

    April 2011: Bei einem Bombenanschlag in der Metro der weißrussischen Hauptstadt Minsk werden 15 Menschen getötet und etwa 150 verletzt. Die Verdächtigen sollen im Auftrag Oppositioneller gehandelt haben, heißt es zunächst. Der Präsident der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik, Alexander Lukaschenko, sagt später, es gebe keine Hinweise auf die Drahtzieher. Zwei Arbeiter werden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

    März 2010 in Moskau: In zwei Metro-Zügen sprengen sich Selbstmordattentäterinnen in die Luft. Sie reißen 40 Menschen mit in den Tod. Der Anführer der Islamisten im Nordkaukasus, Doku Umarow, bekennt sich zu den Anschlägen.

    Juli 2005 in London: Beim ersten Selbstmordanschlag in Westeuropa zünden vier Muslime mit britischem Pass in drei U-Bahnen und einem Doppeldeckerbus Sprengsätze. 56 Menschen sterben, etwa 700 werden verletzt. Eine Geheimorganisation Kaida al-Dschihad bekennt sich zu den Anschlägen.

    August 2004 in Moskau: Eine mutmaßliche Tschetschenin sprengt sich am Eingang einer belebten U-Bahn-Station in die Luft. Elf Menschen sterben, darunter die Attentäterin und ihr Komplize, ein seit langem gesuchter Terrorist aus der nordkaukasischen Teilrepublik Karatschai-Tscherkessien. Rund 50 Menschen werden verletzt. Die Terrorgruppe Islambuli-Brigaden der El Kaida bekennt sich zu der Tat.

    Juni 1996 in Moskau: Auf einer viel befahrenen Linie explodiert unter einem Sitz eine Bombe. Vier Menschen sterben, zwölf weitere Fahrgäste werden verletzt.

    Juli 1995 in Paris: Algerische Islamisten zünden eine Bombe in einer Untergrundbahn. Acht Menschen werden getötet, mehr als 100 verletzt.

    März 1995 in Tokio: Mitglieder der japanischen Aum-Sekte setzen in mehreren U-Bahn-Waggons das Nervengas Sarin frei. Zwölf Menschen sterben, mehr als 5300 werden zum Teil schwer verletzt.

    Mai 1994 in Baku (Aserbaidschan): Zwischen zwei Stationen explodiert in einem U-Waggon ein Sprengsatz, im Tunnel bricht Feuer aus. Sieben Reisende kommen ums Leben, zehn Menschen werden verletzt.

    März 1994 in Baku: 13 Menschen sterben, als in einem voll besetzten Zug eine Zeitbombe explodiert. 50 Menschen werden verletzt. Die Behörden vermuten militante Muslime oder Armenier dahinter.

    Januar 1977 in Moskau: Zwischen zwei Stationen explodiert ein unter einer Sitzbank versteckter Sprengsatz. Für den Mord an sieben Fahrgästen werden drei Armenier 1979 hingerichtet.

     (AZ/dpa/afp)

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