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"Ich liebe mein Kind, aber…": „Ich habe 19 Jahre meines Lebens verschenkt“

"Ich liebe mein Kind, aber…"

„Ich habe 19 Jahre meines Lebens verschenkt“

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    Es ist nach wie vor ein Tabuthema, wenn eine Frau das Muttersein bereut. Es wird erwartet, dass mein eine gute Mutter ist, glücklich ist und sein Kind liebt. Wenn eine sagt, das kotzt mich alles an, dann gilt sie als Rabenmutter – bei Frauen noch eher als bei Männern. Deswegen trauen sich viele nicht, darüber zu sprechen.

    Ich liebe mein Kind, trotzdem würde ich nicht nochmal Mutter werden wollen. Das hört sich krass an, ich weiß. Ich habe 19 Jahre meines Lebens hergeschenkt, in denen ich nicht ich selber sein konnte und nicht mein Leben leben konnte. Ich habe meinem Kind auch schon darüber gesprochen. Es weiß, dass ich es über alles liebe und niemals hergeben würde, dass ich mir aber das Muttersein anders vorgestellt hatte. Es versteht das.

    Als mir der Frauenarzt gesagt hatte, ich sei schwanger, musste ich erst einmal lachen, dann musste ich die Nachricht erst einmal verdauen. Ich wollte eigentlich Kinder und hatte mir immer gesagt, wenn ich bis 30 nicht schwanger bin, dann kaufe ich mir einen Hund. Dann war ich also schwanger.

    Ich habe so nicht gewusst, was auf mich zukommt. Wir wohnten in Nordbayern und ich dachte, dass die Großeltern mithelfen. Das stellte sich als Trugschluss heraus. Dann war die Kacke am Dampfen. Der Erzeuger war den ganzen Tag bei der Arbeit und ich war allein mit dem Kind. Wenn eine heile Familie hat und Großeltern dann ist die Ansage mancher Männer richtig, man weiß, was kommt. Aber wenn sich etwas verändert …

    Mein Mann war nicht sehr kooperativ, ich musste alles alleine schmeißen. Da dachte ich mir: Bevor ich zwei Kinder habe, ziehe ich lieber aus und habe nur ein Kind. Da war mein Kind vier. Als Beamtin hatte ich glücklicherweise die finanzielle Sicherheit, aber keine Karriere mehr. Wegen der Teilzeitarbeit gab es keine Beförderung. Auf dem Land hat man auch noch das Problem, dass man auf sich allein gestellt ist.

    Außer mit meinem Kind habe ich noch mit niemandem über meine Gedanken gesprochen. Wenn man so etwas ehrlich ausspricht, wird man ausgebuht. Dabei geht es vielen Frauen ähnlich. Auch einigen meiner Freundinnen. In Filmen gibt es immer nur ein Happy End, am Ende ist da immer eine glückliche Familie. Medien suggerieren: Nur mit einer „happy family“ kann man glücklich sein. Wenn du dich dann gegen die Schablone, die überall vorgegeben ist, hinstellst und sie kritisierst, dann bist du der Buhmann.

    Ich bin keine perfekte Mutter. Über meinem Esstisch hängt das Schild: „Good Moms have sticky floors, dirty ovens and happy kids“ (übersetzt: Gute Mütter haben klebrige Böden, dreckige Öfen und glückliche Kinder, Anm. d. Redaktion). Diese Perfektion, die von Müttern verlangt wird, ist schrecklich. Das setzt einen unter Druck. Ich bin keine Hausfrau. Samstags bügel ich und putze Fenster – aber das ist für mich keine Erfüllung.

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