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Italien: Nach dem Zugunglück bleibt die Wut

Italien

Nach dem Zugunglück bleibt die Wut

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    Am Mittwoch gingen die Bergungsarbeiten nach dem Zugunglück weiter. Die Einsatzkräfte fanden dabei auch die „Blackboxen“ der Züge.
    Am Mittwoch gingen die Bergungsarbeiten nach dem Zugunglück weiter. Die Einsatzkräfte fanden dabei auch die „Blackboxen“ der Züge. Foto: Matteo Guidelli, dpa

    „In zehn Minuten kommen wir an, bitte hol mich vom Bahnhof ab.“ Das war der letzte Handy-Anruf des 15-jährigen Antonio bei seiner Mutter. Sie wartete vergebens. Es kam kein Zug mehr. Antonio gehört zu den Todesopfern des dramatischen Zugunglücks bei Bari im süditalienischen Apulien am Dienstagvormittag. Auf eingleisiger Strecke waren mitten in einem Olivenhain bei einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern zwei Regionalzüge frontal zusammengestoßen.

    Am Mittwoch zählt Antonios Mutter zu den verzweifelten Angehörigen, die zur Identifizierung der Opfer ins Krankenhaus von Bari gebeten werden. Bis zum Mittag haben 22 Unglückstote einen Namen. Antonio ist dabei.

    In dem Krankenhaus spielen sich furchtbare Szenen ab. Manche Leichen sind so entstellt, dass sie nur anhand von Kleidungsstücken identifiziert werden können. „Einige Körper wurden durch die Wucht des Zusammenpralls durch die Fensterscheiben geschleudert“, sagt einer der Helfer. Nicht nur für die Angehörigen ist es ein Horror.

    Bilanz nach dem Zugunglück: 23 Todesopfer und 50 Verletzte

    23 Todesopfer und 50 Verletzte, das ist die vorläufige Bilanz. 24 Menschen liegen noch in den Krankenhäusern der Gegend, acht von ihnen sind lebensgefährlich verletzt. Psychologen kümmern sich vor allem um Kinder, die unter Schock stehen. Einige haben einen Elternteil beim Unglück verloren. Andere wurden auf der Olivenplantage umherlaufend gefunden, nachdem sie allein aus den Zügen geklettert waren. Der Präsident der Region Apulien erklärt am Mittwoch, es gebe keine Vermissten mehr. In den Zügen saßen Berufspendler, Schüler und Studenten. In dem, der in Richtung Bari unterwegs war und auch am Flughafen hält, befanden sich ausländische Touristen. Von Deutschen ist bisher keine Rede; zu den Verletzten zählen aber Franzosen.

    Unter den Todesopfern ist auch einer der Lokführer – vom zweiten fehlte am Mittwoch noch jede Spur. Dafür wurden die „Blackboxen“ gefunden. Sie sollen Aufschluss über den Unfallhergang geben.

    Am Mittwochnachmittag sind die Arbeiten an der Unglücksstelle bereits weit vorangeschritten. Die insgesamt acht Waggons der beiden Züge, zwei davon total zerstört, wurden bereits abtransportiert.

    Leid und Wut nach Zugunglück in Italien

    Zurück bleiben Leid und Wut darüber, dass so etwas Schlimmes trotz aller Technik passieren konnte. Die Züge waren modern, doch das Gleis auf dieser Strecke ist über 50 Jahre alt. Ein automatisches Warnsystem gibt es nicht. Per Telefon teilen sich Bahnbedienstete mit, von welcher Seite ein Zug naht und wo der aus der anderen Richtung gestoppt werden muss.

    Menschliches Versagen gilt als mögliche Ursache. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt. Wut gibt es auch, weil die Strecke längst zwei Gleise hätte bekommen sollen. Aber das Vorhaben scheiterte bisher an der Bürokratie. EU-Gelder für den Ausbau stehen bereit, die Ausschreibung beginnt jedoch erst am 19. Juli.

    60 Prozent der Strecken in Italien sind noch eingleisig; ein Warnsystem haben 98 Prozent von ihnen. Verkehrsminister Graziano Delrio war als einer der ersten offiziellen Vertreter vor Ort. Er stellte eine Sonderkommission in Aussicht, die für schnelle Aufklärung sorgen soll.

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