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Beziehung: Können Singles auch ohne Partner glücklich sein?

Beziehung

Können Singles auch ohne Partner glücklich sein?

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    Sind Männer ohne Partner, werden sie häufig um ihre "Freiheit" beneidet. Frauen dagegen gelten meist als "unvollständig", wenn sie nicht vergeben sind.
    Sind Männer ohne Partner, werden sie häufig um ihre "Freiheit" beneidet. Frauen dagegen gelten meist als "unvollständig", wenn sie nicht vergeben sind. Foto: Patrick Lux, dpa

    Sei es auf Familienfeiern, beim Treffen mit Freunden oder gar im Vorstellungsgespräch: Über kurz oder lang kommt die Frage auf den Tisch. „Hast du einen Freund?“. Eine Frage, die jede Single-Frau zur Genüge kennt und auch hasst. Denn was folgt sind entweder gut gemeinte Ratschläge wie „Du darfst nicht so anspruchsvoll sein“, Verkuppelungsversuche nach dem Motto „Ich hab da einen echt netten Kollegen“ oder Mitleidsbekundungen in Sinne von „Du findest auch noch deine bessere Hälfte“.

    Ein Grund für Single Shaming liegt in alten Rollenbildern

    Was zurückbleibt ist ein Gefühl von Unvollständigkeit und das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Single Shaming nennt die Autorin Gunda Windmüller dieses Phänomen. "Mit Single Shaming meine ich alle Verhaltensweisen, die dazu beitragen, Singles zu verdeutlichen, dass sie Mängelwesen sind, irgendwie unvollkommen und irgendwie auch unfähig", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. In ihrem Buch "Weiblich, ledig, glücklich - sucht nicht: Eine Streitschrift", fordert die Autorin, Schluss damit. Denn Single Shaming könne auf Dauer richtig schaden. "Und auch kurzfristig ist es oft sehr verletzend", sagt Windmüller.

    Während Single-Männer für ihre Freiheit oft bewundert werden, würden Frauen oftmals bemitleidet, wenn sie alleine sind. "Die Hollywood-Schauspielerin Jennifer Aniston ist da ein Paradebeispiel. Immer heißt es: “Die arme Jen, warum wird sie ständig verlassen?" Bei berühmten Single-Männern hingegen heißt es eher: Boah, wie beneidenswert. Der kann machen, was er will!", kritisiert Windmüller.

    Ist die Gesellschaft noch nicht bereit für starke, alleinstehende Frauen, die auch ohne Mann glücklich werden können? Warum ist das so? "Weil das einem historisch gewachsenen Rollenbild entspricht", sagt Windmüller. Während Frauen traditionell Anerkennung für ihre Errungenschaften im Privatleben als gute Mütter und fürsorgende Ehefrauen bekommen, wird den Männern dieselbe Anerkennung im öffentlichen Leben zuteil, für Karriere, Geld und Ansehen. "Diese Rollenbilder sind immer noch sehr wirkmächtig, das Single Shaming von Singlefrauen zeigt es: Wenn Frauen im Privaten nicht diesem Rollenbild entsprechen, wird das als negativ betrachtet; bei Männern ist es längst nicht so wichtig", sagt Windmüller.

    Single Shaming ist auch für Promi-Singles wie Emma Watson verängstigend

    Dass diese Tatsache verängstigend sein kann, gestand kürzlich auch Schauspielerin Emma Watson in einem Interview mit der britischen Vogue. „Wer kein Haus gebaut hat, kein Baby hat und 30 wird ... Da ist einfach diese unglaublich große Angst“, sagte die 29-Jährige, die mit den Harry Potter-Filmen weltberühmt geworden ist. Seit 2014 ist Watson auch UN-Botschafterin für Frauen- und Mädchenrechte. Diese Leistungen scheinen jedoch zur Nebensache zu werden, wenn man den Namen der Schauspielerin bei Google eingibt. „Emma Watson Freund“ ist einer der ersten Vervollständigungs-Vorschläge der Suchmaschine - dicht gefolgt von „Alter“, „Single“ und „Boyfriend“.

    Die promovierte Literaturwissenschaftlerin Windmüller wünscht sich eine Loslösung von dieser Stigmatisierung. "Ich wünsche mir, dass auch Menschen in monogamen Beziehungen, Menschen, die viele andere lieben, und alle, die es sonst noch gibt, endlich verstehen, dass es vollkommen ok und im Zweifelsfall wundervoll ist, Single zu sein, und dass sich alle Menschen dafür einsetzen", sagt sie. Denn es habe durchaus seine Vorteile Single zu sein. "Es gibt viele Möglichkeiten, sinnvoll und glücklich in dieser Welt zu leben. Wir müssen nur noch anfangen, diese Möglichkeiten auch alle zu tolerieren", sagt Windmüller.  Denn mit der Zeit würden Singles die Sicht übernehmen, dass sie unvollständig sind und anfangen, an sich zu zweifeln. "Sie fangen an, sich schlecht zu fühlen", sagt Windmüller. Ein Gefühl, das auf Dauer schaden kann.

    Studie: In diesen Fällen sind Menschen auch ohne Partner glücklich

    Ob jemand ohne Partner glücklich oder unglücklich ist, haben die beiden Psychologen Christopher A. Pepping und Geoff MacDonald untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Zufriedenheit der Singles von ihrem jeweiligen Bindungsstil abhängen. Dabei unterscheiden die Psychologen drei verschiedene Typen von Singles.

    Einmal die Vermeider von Beziehungen. Sie neigen dazu bestimmten Beziehungen aus dem Weg zu gehen. Obwohl sie sich selbst danach sehnen, dämpfen sie ihre eigenen Hoffnungen. Das macht sie unzufrieden.

    Als zweiten Typ haben Pepping und MacDonald die Bindungsangst kategorisiert. Sie haben Angst vor einer Beziehung, aber auch vor dem Alleinsein. So ist das Risiko, dass sie an einer Depression erkranken größer als bei anderen.

    Der dritte Typ ist ein Single mit einer sicheren Bindung. Die Forscher vermuten, dass sich dieser Typ bewusst für ein Single-Dasein entschieden hat. Diese Singles haben meistens auch engere Freundschaften und weniger Depressionen.

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    Emma Watson, Diane Keaton und Co.: Diese Stars sind auch ohne Partner glücklich und genießen ihr Single-Dasein in vollen Zügen.

    4,74 Millionen überzeugte Singles gibt es in Deutschland

    Laut einer Studie der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse im Jahr 2019 zählten sich 4,74 Millionen Menschen zu der Gruppe der überzeugten Singles. Dass sie nicht zwangsläufig beziehungsunfähig sind oder unter einer Bindungsangst leiden, kann auch Windmüller bestätigen. "Die allermeisten Singlefrauen, die ich kenne, haben gute, enge Freundinnen und Freunde. Sie sind also alles andere als beziehungsunfähig. Abgesehen davon ist längst nicht gesagt, dass jede und jeder der in einer Beziehung ist, auch eine offene und vertrauensvolle Bindung zu dieser anderen Person hat. Darüber sagt der Beziehungsstatus an sich nichts aus", sagt die Autorin.

    In Deutschland lebt mittlerweile jede fünfte Person allein - Tendenz steigend. Unter den 41,4 Millionen Haushalten bilden die Einpersonenhaushalte mit 42 Prozent den größten Anteil. Nach Angaben des Bundesamt für Statistik leben damit rund 17,3 Millionen Menschen allein. Seit 1991 habe sich die Zahl der Single-Haushalte fast verdoppelt - auch wegen der steigenden Anzahl an verwitweten Seniorinnen.

    Wie können Singles auf Single-Shaming reagieren?

    Doch was ist mit dem Thema Alleinsein im Alter? Sollte man da nicht lieber in jungen Jahren mit einem Ehemann vorsorgen? "Wer ein enges, gutes Freundesnetzwerk in jungen Jahren pflegt, hat die besten Chancen, auch im Alter nicht alleine zu sein. Wer sich hingegen darauf verlässt, dass ein Partner als Anti-Einsamkeits-Garantie im Alter funktionieren wird, sollte sich - leider ganz unromantisch - klar machen, dass Frauen im Schnitt länger leben als Männer und da die meisten Ehefrauen jünger sind als ihre Männer, lässt sich leicht ausrechnen, wie wirksam diese Garantie im Alter ist: So gut wie gar nicht", sagt Windmüller.

    Und falls die Frage bei der nächsten Familienfeier wieder auf den Tisch kommen sollte, hat Windmüller auch einen guten Tipp für alle Single-Frauen: "Auf solche Fragen sollte man bestenfalls nicht ausweichend reagieren, sondern betonen, dass man kein bemitleidenswertes Geschöpf ist, sondern ein zufriedenes Leben führt", sagt die Literaturwissenschaftlerin. Vielleicht sollte man auch darauf hinweisen, dass solche Fragen übergriffig sind, sagt Windmüller. "Man würde ja auch nicht eine verpartnerte Bekannte fragen, ob sie immer noch mit dem freudlosen Stinkstiefel verheiratet ist."

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