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Kommentar: Echo-Skandal: Antisemitismus ist nicht preiswürdig

Kommentar

Echo-Skandal: Antisemitismus ist nicht preiswürdig

Daniel Wirsching
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    Kollegah (rechts) und Farid Bang bei der Echo-Verleihung: Sie hätten den Preis nie bekommen dürfen.
    Kollegah (rechts) und Farid Bang bei der Echo-Verleihung: Sie hätten den Preis nie bekommen dürfen. Foto: Jörg Carstensen

    Wenigstens gibt es noch einen wie Campino, der der Musikbranche den Spiegel vorhält. Und was dieser Spiegel zeigt, ist eine hässliche Fratze. Es ist die hässliche Fratze der deutschen Musikindustrie, ja überhaupt der Entertainmentbranche. Die feiert nun einmal, dass ihre Stars erfolgreich sind und damit sich selbst.

    Und Kollegah und Farid Bang sind erfolgreich. Das können sie gerne sein – den wichtigsten Preis der deutschen Musikindustrie in der Kategorie „Hip-Hop/Urban National“ haben sie damit nicht verdient. Und das ist keine vermeintlich politisch korrekte Position oder ein Ruf nach Zensur. Sondern schlicht eine Position, die aus der Haltung spricht: Antisemitismus ist nicht preiswürdig.

    Argumente von Kollegah und Farid Bang überzeugen nicht

    Da werden also am Donnerstagabend zwei Rapper, Kollegah und Farid Bang, ausgezeichnet, die in ihrem Song „0815“ texten: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen." Und das im Jahr 2018, und das in Deutschland. Wenn es nicht so daneben, so traurig wäre, man könnte es für einen zynischen Scherz halten. Da helfen auch nicht die Argumente: Rap ist nun mal so. Oder: War doch nur eine Provokation. Oder: Alles nicht so ernst gemeint, höchstens ein bisschen geschmacklos das Ganze. Ach ja, und auch das: Wir bitten um Entschuldigung dafür!

    So argumentieren auch AfD-Politiker, wenn sie wieder einmal „auf der Maus ausgerutscht“ sind, wenn sie wieder einmal ein vermeintliches Tabu gebrochen haben, wenn sie wieder einmal die Grenze des Sagbaren ein Stückchen weiter verschoben haben, wenn sie wieder einmal Hass geschürt und zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen haben.

    Campino fand bei der Echo-Verleihung die richtigen Worte

    Der Sänger der Toten Hosen, Campino, mag vielen als selbst ernannte moralische Instanz der Musikbranche gelten. Was auch immer man von ihm halten mag: Am Donnerstagabend fand er die richtigen Worte. „Auch wir haben mit Tabubrüchen gearbeitet", sagte er. Doch heutzutage müsse man sich die Frage stellen, wann die moralische Schmerzgrenze erreicht sei. Die Schmerzgrenze für ihn: Wenn es frauenfeindlich, homophob, rechtsextrem oder antisemitisch werde - dann sei die Grenze überschritten.

    Für den Echo-„Ethikbeirat“ war die Grenze offensichtlich nicht überschritten. Man habe das Album der Rapper geprüft, „ob die Grenze zwischen künstlerischer Freiheit und gesellschaftlich nicht hinnehmbaren Äußerungen überschritten wurde", hieß es. Eine Mehrheit dieses Ethikrats befand: Hinnehmbar! Keine Grenzüberschreitung!

    Nein, im Jahr 2018, in dem sich antisemitische Vorfälle wieder zu häufen scheinen, in dem Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu werden scheint, in dem der Hass täglich aus dem Netz schwappt und zu ganz realer Gewalt wird, darf man Rapper nicht dafür feiern, wenn sie texten: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen."

    Echo-Skandal: Gift des Antisemitismus tröpfelt beständig

    Das Gift des Antisemitismus tröpfelt beständig, es sickert auch in einem Text wie dem von Kollegah und Farid Bang in die Gesellschaft ein. Diese sind Idole für ihre Fans. Und die finden den vermeintlichen Tabubruch womöglich cool, wenn sie ihn denn überhaupt als solchen erkennen. Auf den Pausenhöfen der Republik werden bereits seit längerem „Jude“ oder „schwul“ als Schimpfwörter benutzt. Fehlt nur noch, dass einer jemanden als "Auschwitzinsassen" beschimpft. Daran hätten dann Kollegah und Farid Bang großen Anteil.

    Campinos Worte, die Echo-Verleihung – sie lösen vielleicht eine neue Debatte über die Grenzen des Sagbaren und sprachliche Grenzverschiebungs-Versuche aus. Ja, reden wir drüber! Über künstlerische Freiheit, über Antisemitismus. Reden wir immer wieder darüber. Aber sagen wir auch immer wieder: Bis hierher und nicht weiter!

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