Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Thomas Hermanns: "Man muss nicht doof sein, wenn man ein fröhlicher Mensch ist"

Thomas Hermanns

"Man muss nicht doof sein, wenn man ein fröhlicher Mensch ist"

    • |
    Der Komiker und Buchautor Thomas Hermanns: "In dem Moment wusste ich, das Problem bin nicht ich, sondern bestimmte Sichtweisen in Deutschland."
    Der Komiker und Buchautor Thomas Hermanns: "In dem Moment wusste ich, das Problem bin nicht ich, sondern bestimmte Sichtweisen in Deutschland." Foto: Stefan M. Prager, Imago Images

    Herr Hermanns, wir kennen Sie aus dem "Quatsch Comedy Club" als chronisch gut gelaunten Menschen. Sie behaupten in Ihrem neuen Buch "Netter is better", dass man auch privat mit Nettigkeit besser durchs Leben kommt. Ist das wirklich so? Oder nehmen einen nicht doch manche als Lilalaunebär für nicht ganz voll?

    Thomas Hermanns:  Manche tun das tatsächlich. Deswegen habe ich auch das Buch geschrieben. Denn ich möchte anhand meiner inzwischen 30-jährigen Karriere beweisen, dass das Vorurteil vom netten Menschen, der weniger im Leben erreicht, nicht stimmen muss. Ich habe es jedenfalls genau umgekehrt erlebt. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nur zweimal in der Arbeit echauffiert. Ansonsten bin ich mit einer Strategie der Nettigkeit und Deeskalation sehr gut gefahren. In Deutschland ist es allerdings tatsächlich so, dass wir allein schon das Wort nett als negativ, fußlahm und charakterschwach empfinden.

    Sie schreiben, dass in Deutschland die Meinung vorherrsche: Nett ist die kleine Schwester von scheiße.

    Hermanns: Das ist bei uns so, in anderen Ländern würde das keiner verstehen. Wenn man das einem Engländer, Amerikaner oder Franzosen übersetzen würde, gäbe es großes Kopfschütteln. Der Vorwurf begleitet mich aber tatsächlich, seit ich denken kann. Und da schreibe ich jetzt vehement dagegen an.

    Der Deutsche neigt Ihrer Meinung nach seit jeher zum Drama und nicht zur Komödie. Wo liegen da die Wurzeln? Wagner, Goethe oder noch früher?

    Hermanns: Das ist schon die deutsche Romantik, für die wir natürlich auch in der Welt berühmt sind. Das ist Weltschmerz, Wagner, Werther. Aber das ist ja nun auch schon lange her. Ich weiß gar nicht, warum unser Volk dieses Glas-halb-leer-Denken so verinnerlicht hat.

    Erklären Sie doch mal einem bayerischen Grantler, warum es sich lohnt nett zu sein?

    Hermanns: Nettigkeit ist das Schmiermittel des Lebens. Es macht nicht nur einen selbst besser, sondern auch die anderen. Und gerade jetzt, in einer Zeit, in der alle rumbrüllen und eine Kultur des Echauffierens herrscht, geht alles in eine andere Richtung. Wer nett ist, lebt gesünder. Das ist medizinisch bewiesen. Und es ist gut für den Job, weil der Rumbrüller in der Firma nur scheinbar mehr Macht hat. Und es ist besser für Erotik und das Daten.

    undefined

    Wenn man nun ein Date hat, welchen Fehler sollte man nicht machen?

    Hermanns: Man sollte nicht gleich beginnen, ein tief schürfendes Gespräch zu führen, wie beispielsweise über die Krankheit der Oma oder der aktuellen Situation am Arbeitsplatz. Große Themen von Krankheiten bis hin zur Politik großräumig umschiffen. Besser ist ein unverfängliches Gespräch.

    Worüber beispielsweise?

    Hermanns: Das muss aus der individuellen Situation heraus entstehen. Bei einem Essen im Restaurant kann man über die Deko reden oder über das Lieblingsessen. Auch ob der Wein schmeckt oder der Kellner nett ist, wäre eine Möglichkeit. In jedem Fall sollte man etwas aufgreifen, was beide nachvollziehen können.

    Sie gelten als Typ, der gerne lacht. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie eher zu den Sunnyboys als zu Griesgramen dieser Welt gehören?

    Hermanns: Das habe ich schon als Kind gemerkt, weil ich aus einer rheinischen Familie komme, die auch im Karneval aktiv ist. Und wenn man seine Mutter schon in frühen Jahren als Wildegger Herzbub verkleidet gesehen hat, dann lernt man schnell, dass man nicht doof sein muss, wenn man fröhlich ist. Ich kann also albern sein, muss deswegen aber nicht dumm sein.

    Das wird in der Tat oft verwechselt.

    Hermanns: Fröhliche gelten als unkritisch.

    Sind die Hermanns eine Familie der guten Laune?

    Hermanns: Kann man schon so sagen.

    Kann man mit Nettigkeit die Welt verbessern?

    Hermanns: Ja. Frauen wissen das. Dass wir gerade so viele tumbe Jungs an der Macht haben, ist noch mal ein Tal der Unnettigkeiten, durch das wir müssen, um dann auf dem Gipfel der Nettigkeit zu landen. Männer und Frauen haben andere Strategien. Frauen wurden lange als nicht aggressiv genug und durchsetzungsstark bezeichnet. Ich denke, es ist genau umgekehrt. Frauen erledigen ihren Job viel unaufgeregter und freundlicher als viele dieser Polterjungs.

    Wie der amerikanische Präsident Donald Trump?

    Hermanns: Genau. Wie Trump. Wie Putin. Wie Erdogan. Wie Boris Johnson. Die sind das letzte Aufbäumen der Nicht-Nett-Fraktion.

    Schon als Bub haben Sie aber festgestellt, dass sich niemand für Ihre Geschichten interessierte, wenn Sie nur nett waren. Also haben Sie mit sechs Jahren einem Nachbarsjungen erzählt, dass Sie daheim ständig verprügelt wurden. Ihre Mutter war damals ziemlich fassungslos. Das war aber nicht nett von Ihnen!

    Hermanns: Das war nicht nett. Es war aber die Suche nach Drama in einer Familie, in der es keines gab. Ich wollte da einfach mit einem Freund mithalten. Meine Mutter hat darüber nur den Kopf geschüttelt.

    Wir leben in dem einzigen Land, in dem Kunst in E und U – ernst und unterhaltend – aufgeteilt wird. Wäre es nicht längst Zeit, im Kultusministerium den Antrag zu stellen, das aufzuheben?

    Hermanns: Das wäre schön. Ich würde darüber eine ganze Doktorarbeit schreiben und würde sie im Kulturministerium abgeben. Wir haben leider diese Trennung. Ich habe für meine eigenen Projekte nie Staatsgelder beantragt. Und ich bin auch nicht dagegen, dass schwierige Stoffe, die man mit normalen Ticketverkauf an die Leute bringt, subventioniert werden. Aber ich finde nur doof, dass bestimmte Sachen unter Unterhaltungs- und Faschismusverdacht stehen. Wenn bei Helene Fischer die Hände im Stadion hochgehen, schreibt bestimmt ein Journalist, er fühle sich an Hitler erinnert. Dabei hat "Atemlos" erst mal wirklich gar nichts mit Nationalsozialismus zu tun. Aber der Journalist gilt dann als, kritisch, intellektuell und hinterfragend.

    Sie studierten Theaterwissenschaften und auf der Uni haben Sie sich mit existenzialistischem Regie-Nachwuchs herumgeschlagen, der in Ihnen als Entertainer eher ein künstlerisches Leichtgewicht sah. War das damals schlimm?

    Hermanns: Nein, ich war eher verwundert. Denn offensichtlich passte etwas nicht zusammen. Ich fand Barbara Streisand und Moliere schön, die anderen fanden das nicht schön. Schnell habe ich gemerkt, dass mein Begriff von Theater, der vielleicht auch Volkstheater ist, an der Uni nicht vorkam. Darum fühlte ich mich fehl am Platze. Ich arbeitete damals jeden Abend im Gärtnerplatztheater als Statist bei der "Lustigen Witwe". Dass ich da im Plastikglas Operettensekt auf die Bühne schleppte, hätte ich am nächsten Morgen in der Universität niemandem erklären können. Ich war da ein bisschen in der Bredouille, das hat sich erst nach dem Studium in New York entspannt. Da fanden es alle super, wenn ich sagte: Ich mag Entertainment. In dem Moment wusste ich, das Problem bin nicht ich, sondern bestimmte Sichtweisen in Deutschland.

    Im Prinzip ist ihr Buch ein Gesundheitsratgeber für eine kranke Gesellschaft. Man hat hier das Gefühl, die Menschen werden in Summe immer griesgrämiger und aggressiver. Warum ist das so?

    Hermanns: Ich glaube, wir sind tatsächlich ziemlich gestresst. Die Weltpolitik macht einem keine Freude, die Klimakatastrophe macht uns nicht froh. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Macht es tatsächlich Sinn, uns direkt oder im Internet Beleidigungen an den Kopf zu werfen? Oder wäre Verständnis für die jeweils andere Seite nicht der bessere Weg? Das würde ich mal so propagieren.

    Was muss man eigentlich tun, um Sie zur Weißglut zu bringen?

    Hermanns: Das muss schon viel passieren. Sie können es ja mal probieren…

    Nein, das wäre nicht nett. Aber geben Sie uns doch ein paar Tipps für Menschen, die sich schwer damit tun, nett zu sein?

    Hermanns: Sie sollen Mittagsschlaf machen, wenn es irgendwie geht. Das entspannt. Sie könnten auch Urlaub an Orten machen, die Sie wieder aufladen. Pausen sind im Leben ganz wichtig. Entscheidend ist es aber, sich mit den richtigen Leuten zu umgeben. Wir wissen ja alle: Die einen ziehen einen runter, die anderen pushen einen.

    Zum Schluss noch eine Frage: Warum halten Sie es für wichtig, morgens beim Einkaufen Bäckereiverkäuferinnen Komplimente zu machen?

    Hermanns: Weil sich der ganze Tag ändert – und zwar lustigerweise nicht nur für die Verkäuferin, sondern auch für einen selbst. Wer so in den Tag startet, der kommt gut durch. Ich kann es jedem nur empfehlen, das morgens einfach mal zu probieren. Interview: Josef Karg

    Thomas Hermanns und sein neues Buch: Der 56-jährige Bochumer wuchs in Nürnberg auf und studierte in München Theaterwissenschaften. Anfang der Neunziger begründete er in Hamburg zunächst auf der Bühne mit dem Quatsch Comedy Club die deutsche Stand-up-Comedy-Szene und machte sie durch Fernsehübertragungen bekannt. Hermans arbeitet als erfolgreicher Drehbuchautor von Serien und Spielfilmen. Sein neues Buch "Netter is better - Die hohe Kunst der guten Laune" erschien bei Gräfe und Unzer (192 S. 16,99 Euro).

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden