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Interview: Meteorologe Sven Plöger: "Parallelen zwischen Corona und der Klimakrise"

Interview

Meteorologe Sven Plöger: "Parallelen zwischen Corona und der Klimakrise"

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    Sven Plöger ist einer der bekanntesten deutschen Meteorologen. Am 2. März 1999 moderierte er das erste Mal „Das Wetter im Ersten“.
    Sven Plöger ist einer der bekanntesten deutschen Meteorologen. Am 2. März 1999 moderierte er das erste Mal „Das Wetter im Ersten“. Foto: ARD, Ralf Wilschewski

    Herr Plöger, Fernsehzuschauer kennen Sie als den stets fröhlichen Wetterfrosch der Nation. Verhagelt es Ihnen die Laune, wenn Ihre Vorhersage mal falsch ist?

    Sven Plöger: In neun von zehn Fällen liegen meine Kollegen und ich für den Folgetag richtig. Darüber freue ich mich. Das heißt aber auch, dass eine von zehn Vorhersagen falsch ist, und dann ärgere ich mich. Es ist übrigens auch eine Frage der Wahrnehmung beim Zuschauer: Wenn ich vorhersage, dass es am Folgetag trocken bleibt, und das tritt dann auch ein, denkt niemand unbedingt an mich. Wenn es aber trotzdem regnet und der Zuschauer wird klatschnass, dann werden auch schon mal ganz neue Wörter für mich erfunden.

    Wie oft am Tag werden Sie privat gefragt, wie das Wetter wird?

    Plöger: Sobald ich vor die Tür trete. Ich weiche ja mit meinem Aussehen vom typischen Moderator ab. Die meisten Männer im Fernsehen haben volles Haar, tragen keine Brille – wenn dann jemand mit erkennbar reduziertem Haar und Sehhilfe auf dem Bildschirm auftaucht wie ich, ist der unverwechselbar. Ich kann nirgendwo hingehen, ohne dass ich erkannt und angesprochen werde, aber die Menschen tun das immer sehr freundlich. Ich spüre, dass mir die Leute vertrauen. Das freut mich.

    Sie sind mittlerweile so bekannt, dass Sie gern gesehener Gast in Unterhaltungsshows sind. Für „Klein gegen Groß“ mussten Sie mal von allen 194 Ländern dieser Erde sämtliche angrenzenden Staaten und alle Hauptstädte lernen. Können Sie das noch?

    Plöger: Nein, leider nicht. Ich musste damals zwei Wochen lang echt büffeln, und am Ende kannte ich tatsächlich von 194 Ländern alle Anrainerstaaten. Mein elfjähriger Herausforderer hat erst in der Stichfrage gewonnen, da war ich schon stolz. Ich bin eigentlich kein besonders nervöser Typ. Mich regt es nicht auf, wenn ich im Fernsehen bin oder vor tausend Leuten auf einer Bühne stehe. Aber da hatte ich echt Sorge, mich zu blamieren, und vor Aufregung eiskalte Hände.

    Ihr neues Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß!“ dreht sich um den Klimawandel. Was ist Ihr Anliegen?

    Plöger: Das Klima ist mein Herzensthema geworden. Ich möchte in unserer medialen Schnipselwelt, wo jeden Tag massenweise neues Wissen auf uns eindringt, dieses fürchterlich komplexe, aber uns alle betreffende Thema etwas einordnen. Quasi sortieren und Wissenschaft in verständliche Sprache für jedermann übersetzen. Nicht um zu missionieren, sondern um Zusammenhänge verständlich zu machen, die ja auch die Grundlage weitreichender politischer Entscheidungen sind. Denn Wissen ist Macht, Nichtwissen ist Ohnmacht.

    Sie haben das Buch während des Corona-Lockdowns fertiggestellt…

    Plöger: Ich habe den Erscheinungstermin des eigentlich schon fertigen Buchs um drei Wochen nach hinten verlegt, auf den 8. Juni, damit ich das hochspannende Thema Corona noch einbauen konnte. Ich habe teilweise bis morgens um vier an einem Kapitel über die interessanten Parallelen zwischen Corona und dem Klimawandel geschrieben.

    Welche Parallelen sind das?

    Plöger: Stellen Sie sich einen Asteroiden vor, der in die Erde einschlägt: Dann macht es bumm und alles ist kaputt. Corona war im Grunde ein Asteroideneinschlag in Zeitlupe, wo wir im Vorfeld Zeit hatten, Maßnahmen zu ergreifen. Wir als Gesellschaft haben bei Corona auf die Wissenschaft gehört und verantwortungsvoll gehandelt – das hat funktioniert, weil es um eine Zeitskala von Wochen und Monaten ging. Mit der kann ich als Mensch gut umgehen. Der Klimawandel ist aber ein Asteroideneinschlag in Super-Zeitlupe, und da haben wir so viel Zeit, dass wir lieber alles vor uns herschieben und Ausflüchte suchen, um unseren gewohnten Lebensstil nicht verändern zu müssen. Aber anders als bei Corona haben wir beim Klimawandel einen Impfstoff, nämlich die erneuerbaren Energien. Wir müssen sie nur nutzen.

    Hat Corona die öffentliche Aufmerksamkeit vom Klimawandel abgelenkt?

    Plöger: Ich stelle mir die Coronavirus-Krise gerne als Tsunami vor: Wir starren alle gebannt auf diese fünf Meter hohe Welle und sehen nicht, dass sich am Horizont eine 500 Meter hohe Welle aufbaut, und das ist der Klimawandel. Aber jetzt sind die Menschen wieder bereit, sich auf dieses Thema einzulassen. Wir haben ja auch schon wieder diese große Trockenheit im Frühjahr gehabt, und ich glaube, viele Leute spüren, dass dieses Thema wahnsinnig wichtig ist und dass Abwrackprämien für Autos nicht der Weisheit letzter Schluss sein können.

    Was kann jeder Einzelne konkret fürs Klima tun?

    Plöger: Dass wir mehr Rad fahren müssen und weniger mit dem Auto, das wissen wir ja mittlerweile alle – und tun es trotzdem nicht. 2019 haben 71 Prozent der Bürger in Deutschland gesagt, der Klimawandel ist unsere größte Herausforderung. Doch trotz dieser großen Einsicht gab es 2019 die meisten Autozulassungen in Deutschland, davon viele SUV. Es gab die meisten Flüge und die meisten Kreuzfahrten. Obwohl noch nie so viel über das Thema Umwelt geredet wurde wie 2019. Mich interessiert deshalb die Frage, wie wir die nötigen politischen Rahmenbedingungen schaffen können.

    Zum Beispiel?

    Plöger: Wir brauchen auf der großen politischen Bühne Änderungen. Bei den internationalen Klimakonferenzen etwa wird wenig erreicht, weil für das Abschluss-Kommuniqué Einstimmigkeit gefordert ist. Das müssen wir abschaffen, damit nicht immer die Bremser bestimmen. Und wir brauchen eine gezielte Bepreisung, um eine Lenkungswirkung zu erreichen. Wenn man bei Inlandsflügen für jeden Flugkilometer den Taxipreis berechnen würde, dann kostet der Flug München–Hamburg 900 Euro statt 29 Euro. Dann wird es weniger davon geben, und das wollen wir, denn Inlandsflüge sind barer Unsinn.

    Was tun Sie selber für die Umwelt?

    Plöger: Ich habe zum Beispiel 2013 mein Haus komplett umgebaut: Fotovoltaikanlage drauf, Wärmepumpe rein, Infrarotheizung – seitdem produziere ich mit diesem Haus Energie. Außerdem bin ich als Vortragsreisender sehr viel unterwegs und fahre dabei quasi nur noch Bahn. Distanzen unter anderthalb Kilometern lege ich meist zu Fuß zurück, und privat fahre ich viel mit dem Rad.

    Sie leben ja in Ulm. Haben Sie da eigentlich auch eine eigene Wetterstation?

    Plöger: Ich habe da eine komplette Wetterstation, die alles misst, was für den Profi-Meteorologen wichtig ist – vom Taupunkt bis zur Globalstrahlung. Aber natürlich auch Temperatur, Regenmenge oder Windrichtung. Ohne diese Daten ist ein Meteorologen-Leben schwer.

    Zur Person Sven Plöger ist einer der bekanntesten deutschen Meteorologen. Am 2. März 1999 moderierte er das erste Mal „Das Wetter im Ersten“. Sein Buch "Zieht euch warm an, es wird heiß!" (320 Seiten) ist im Westend Verlag erschienen und kostet 19,95 Euro.

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