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Aktion: Müllsammler von Paris: Wie ein 10-Jähriger zum Internetstar wurde

Aktion

Müllsammler von Paris: Wie ein 10-Jähriger zum Internetstar wurde

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    Raphaël holt Müll und teils kuriose Fundstücke aus Pariser Gewässern und zeigt Bilder davon auf Instagram.
    Raphaël holt Müll und teils kuriose Fundstücke aus Pariser Gewässern und zeigt Bilder davon auf Instagram. Foto: Screenshot: Raf sur Seine, Instagram

    Es ist eine Szene, die die Anwohner der Seine oder des Bassin de la Villette, einem künstlichen Kanal im Nordosten von Paris, schon kennen: Der zehnjährige Raphaël schleudert immer wieder einen großen Magneten, der an einem Seil befestigt ist, ins Wasser. Und zieht ihn dann unter einem Ächzen zurück.

    Neben ihm sein Vater Alexandre, der das Gleiche tut. Beide haben Regenkleidung an. „Oh, ich glaube, ich hab wieder eins“, ruft auf einmal Raphaël. Sein Vater kommt ihm zur Hilfe, und zusammen ziehen sie langsam eines der Pariser Vélib-Leihfahrräder aus dem Wasser. Sie schieben es zu einem ein paar Meter entfernten kleinen Haufen an Fundstücken, der schon aus anderen Drahteseln, aber auch Tretrollern, Metallpfosten, einem Autoradio und einem Wecker besteht.

    Innerhalb eines Jahres holten Raphaël und sein Vater zehn Tonnen Metallschrott aus Pariser Gewässern

    Rund zehn Tonnen Metallschrott haben der Junge und sein Vater so innerhalb eines Jahres aus Pariser Gewässern gefischt. Raphaël ist dadurch über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden.

    „Es gibt so viele Probleme: die Erderwärmung, die Wasserverschmutzung und so weiter. Wenn alles zusammenkommt, dann ist das wie eine Zeitbombe“, sagt der Zehnjährige, der nur seinen Vornamen verraten will und der sich langsam an die regelmäßigen Interviews gewöhnt hat. „Aber wenn jeder seinen Teil beiträgt, also zum Beispiel ein paar Zigarettenstummel aufhebt, Müll in den Abfalleimer wirft oder auch wie wir das Wasser säubert, dann brauchen wir uns, glaube ich, keine allzu großen Sorgen zu machen.“

    Die Idee für die Initiative hatte Raphaël kurz vor Weihnachten 2019. Da stieß er durch Zufall auf die Youtube-Videos von Chris Detek. Der Umweltaktivist holt seit November 2014 alleine oder mit Promis Metallschrott aus Frankreichs Flüssen und hat inzwischen 650.000 Abonnenten auf der Videoplattform. „Ich habe das gesehen und war sofort begeistert. Man tut etwas für den Planeten, und dabei macht es auch noch Spaß!“, erzählt Raphaël. „Ich habe die Videos sofort meinem Vater gezeigt und gesagt, dass ich auch solche großen Magneten zu Weihnachten haben will.“

    Mit den Supermagneten, die teilweise hunderte von Kilo halten können, stehen Raphaël und sein Vater regelmäßig am Wochenende oder am Mittwochnachmittag, an dem in Frankreich schulfrei ist, an den Pariser Gewässern. Inzwischen sind sie auch nicht mehr allein dort. Immer wieder treffen sie auf Menschen, die sie inspiriert haben, und die nun mit eigenen Magneten das Wasser von Müll befreien. Am Ende ihrer Aktionstage melden Raphaël und Alexandre ihre Funde über eine Smartphone-App der Stadtverwaltung, die den Schrott abholt.

    Der Junge ist weit über Frankreich hinaus bekannt geworden. Sogar ein Comic über ihn soll entstehen

    Seine kuriosesten Stücke sammelt Raphaël im Keller der Familie – er nennt den Raum sein „Museum“. Dort liegen Pétanque-Kugeln. Oder ein Seitengewehr aus dem Jahr 1874. „Es widert mich an, dass die Leute solche Sachen ins Wasser schmeißen“, sagt er. „Und was hier liegt, ist ja auch nur ein ganz kleiner Teil von dem, was wir aus dem Wasser fischen – oft finden wir tausend mal so viel in wenigen hundert Metern Wasser.“ Auch die Corona-Pandemie habe das Problem nicht gelöst, sagt der Junge. „Ich habe sogar das Gefühl, dass seitdem noch mehr Schrott in der Seine liegt.“

    Raphaël ist durch seine Initiative – ähnlich wie Umweltaktivist Chris Detek – zu einem Internetstar geworden. Sein Instagram-Konto „Raf sur Seine“ hat bereits 20.000 Abonnenten. Regelmäßig bekommt er Nachrichten von Menschen aus der ganzen Welt, die ihm zu seinem Engagement gratulieren. Bald soll in Kanada ein Comic über ihn entstehen, und die Stadt Paris will mit Raphaëls Fundstücken eine Ausstellung organisieren – um auch bei anderen mehr Umweltbewusstsein zu wecken.

    Dass Raphaël dieses schon im Alter von zehn Jahren hat, überrascht seinen Vater Alexandre übrigens nicht. „Raf hatte schon immer ein Herz für Tiere, und auf dem Weg zur Schule wollte er immer den Müll von der Straße aufsammeln“, sagt er. Dann macht er weiter.

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