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Musik: Gedenken an Amy Winehouse: Soul aus einer zerrütteten Seele

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Gedenken an Amy Winehouse: Soul aus einer zerrütteten Seele

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    "Es war offensichtlich, dass auch fünf Grammys zu gewinnen sie nicht glücklich machen konnte, aber was konnte sie glücklich machen?", schreibt Freund und Kollege Tyler James.
    "Es war offensichtlich, dass auch fünf Grammys zu gewinnen sie nicht glücklich machen konnte, aber was konnte sie glücklich machen?", schreibt Freund und Kollege Tyler James. Foto: Frantzesco Kangaris, dpa (Archivbild)

    Die Erkenntnis dieses Lebens hat einen bitteren Nachgeschmack: „Es war offensichtlich, dass auch fünf Grammys zu gewinnen sie nicht glücklich machen konnte, aber was konnte sie glücklich machen? Sie nannte eine Million Mal den Grund, warum sie Drogen nahm und trank: Ein Leben ohne Drogen und Alkohol war langweilig.“

    Amy und ihr Freund: „Abgefuckte, depressive Seelen“ seien sie beide gewesen

    Zehn Jahre nach ihrem Tod erzählt ihr Freund und Kollege Tyler James seine Sicht der Dinge über Amy Winehouse. Das Leben und auch der Tod der unvergleichlichen britischen Sängerin sind schon in verschiedenen Dokumentationen, Filmen und Abhandlungen verarbeitet worden. Nun ist ein Buch hinzugekommen. Es erschien, nicht ganz zufällig, kurz vor ihrem zehnten Todestag an diesem Freitag und heißt: „Meine Amy“.

    Es ist eine in Teilen relativ langatmig erzählte Geschichte, die in ihren Details eines Partylebens beim Lesen ermüdet. Sie bietet aber durchaus eine neue, nahe Perspektive. Und sie erscheint authentisch. Denn James hat die wilden Jahren quasi an ihrer Seite miterlebt. Sein Resümee: „Abgefuckte, depressive Seelen“ seien sie beide gewesen. Amy und er. Was immer er auch genau damit meint. Er lässt es offen.

    Amy Winehouse wurde nur 27 Jahre alt.
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    Am 21. Juli ist der Tag des Gedenken an die Drogentoten. Auch zahlreiche Prominente starben an Alkohol, Drogen und Medikamentencocktails.

    Der heute 39-Jährige besuchte gemeinsam mit Winehouse eine Schauspielschule in London, lebte später bei ihr – nicht als Liebhaber, sondern als ihr bester Seelen-Freund, wie er es beschreibt. Auch James hatte erhebliche Probleme mit Drogen. Ungeschminkt berichtet er, warum das mit Amy, dem Alkohol und dem Heroin auf Dauer nicht gut gehen konnte. Warum sie sich nach der großen Liebe sehnte, aber bei einem Junkie landete, den sie heiratete und der sie mit den harten Drogen erst bekannt machte.

    Hat sie es regelrecht darauf angelegt, Mitglied im „Klub 27“ zu werden?

    James und Winehouse konsumierten aber bereits in jungen Jahren Rauschmittel. Wenn es stimmt, was der Autor schreibt, dann sollen schon mit 15, 16 Jahren Schnaps und Marihuana Routine im Leben von Amy Winehouse gewesen sein. James hat das überlebt, sie nicht. Gründe dafür gibt es viele. Zuletzt war es wohl so, dass er den Absprung zurück in die Realität wollte, bei ihr hat man irgendwie das schale Gefühl, sie habe es regelrecht darauf angelegt, Mitglied im mysteriösen „Klub 27“ zu werden.

    Dazu zählt eine Reihe von legendären Musikern, die alle im Alter von 27 Jahren starben. Es begann mit dem Tod von Brian Jones von den Rolling Stones, der 1969 im Drogenrausch ertrank. Ihm folgten Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison oder Kurt Cobain. Letztendlich waren es Künstler, die in dem von Erfolgsdruck getriebenen Musikgeschäft in einen Sog aus Drogen und Partys kamen, der sie letztendlich endgültig erst wieder ausspuckte, als sie tot waren. Geblieben sind Legenden und Stimmen, die noch heute Millionen von Menschen elektrisieren. Genau wie die von Amy Winehouse. Sie habe aber im Grunde ihre Popularität nicht genießen können, schreibt James. Bisschen Songs schreiben und feiern, das sei ihre Vorstellung von einem glücklichen Leben gewesen.

    Hätte Amy Winehouse überlebt, wenn der Ruhm nicht gewesen wäre?

    Er führt dann auch aus, wie wenig Rücksicht das Management auf ihren labilen Gesundheitszustand genommen habe. Die Sängerin habe zuletzt nicht mehr auftreten wollen, hatte offenbar regelrecht Panik vor der Bühne. Zur Beruhigung gab es vor den Auftritten Alkohol – ein Teufelskreis. Den frühen Tod und die Exzesse nur dem Druck des Geschäfts zuzuschreiben, ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn die Tragödie begann, wie gesagt, viel früher. Hätte sie überlebt, wenn der Ruhm nicht gewesen wäre? Schwer zu sagen. James meint: ja.

    Schon mit 14 hatte Amy Winehouse erste Songs geschrieben. Sie rauchte Gras dazu, weil sie glaubte, das sei die natürlichste Sache der Welt. 2003 erschien ihr Debütalbum „Frank“. Einer, dem es auffiel, war der ebenso junge wie geniale Musikproduzent Mark Ronson. Er nahm mit ihr 2006 ein zweites Album auf: „Back to Black“ war ihr Durchbruch. Es sollte beide berühmt machen. Kritiker schrieben Jubelarien. Amy Winehouse erinnerte an die besten Motown-Zeiten. Sie löste eine Welle des Soul aus, die bis heute nicht abgeebbt ist.

    Das Produkt Amy Winehouse funktionierte. Die auffällige Nestfrisur, der fette Lidstrich, die Tattoos auf dünnen Armen und Beinen. Die Britin hatte schon rein optisch einen hohen Wiederkennungswert. Und dann diese Stimme! „Sie war ein Echo aus windigem Abgrund. Wer sie hörte, wusste, wo Blues und Soul herkommen“, würdigte Die Zeit sie zu Recht.

    „Wir sehen zu, wie sie sich selbst umbringt, ganz langsam.“

    Doch der Mega-Erfolg war der Anfang von ihrem Ende. Die Sängerin versank in den Strudeln ihrer Drogensucht. Ihre Mutter sagte einmal in einem Interview, sie fürchte, ihre Tochter werde innerhalb eines Jahres sterben. „Wir sehen zu, wie sie sich selbst umbringt, ganz langsam.“ Öfter mal machte sie Entziehungskuren. Kaum war sie aber draußen, folgte der nächste Rückfall. Kurz vor ihrem Tod, am 23. Juli 2011, so schreibt James überraschend, sei Amy Winehouse von Heroin und Crack sogar für eine gewisse Zeit weggewesen. „Am Ende sah es sogar ganz gut aus.“

    Mit sich und der Welt im Reinen war sie nicht. Bei ihrem Tod stellten die Ermittler einen Blutalkoholwert von 4,6 Promille fest.

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