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Brandkatastrophe: Nach Brand im Grenfell Tower: Auszeit vom schrecklichen Trauma

Brandkatastrophe

Nach Brand im Grenfell Tower: Auszeit vom schrecklichen Trauma

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    Hanan Wahani und ihre neunjährige Tochter Sara beim Kajak fahren in Cornwall.
    Hanan Wahani und ihre neunjährige Tochter Sara beim Kajak fahren in Cornwall. Foto: Esmé Page

    Die Fotos bringen für einen Moment die glücklichen Erinnerungen zurück: Hanan Wahani und ihre neunjährige Tochter Sara beim Kajak fahren, sie strahlen in die Kamera. Auf einem anderen Schnappschuss umarmen sie sich, der Hintergrund ist wie aus dem Bilderbuch: klarer Himmel, das türkisblaue Meer funkelt und die Boote liegen auf einer Sandbank.

    Die vierköpfige Familie machte in der vergangenen Woche Urlaub in Cornwall, dem landschaftlichen Paradies Großbritanniens. Und doch unterscheidet die Hanan Wahani, ihr Ehemann sowie Sohn und Tochter eines von den anderen Touristen, die es in den Südwesten Englands zieht: Sie haben vor drei Monaten den verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower überlebt, bei dem mindestens 80 Menschen starben.

    "Ich habe alles verloren"

    Sie wohnten im neunten Stock des Sozialwohnblocks, konnten sich retten. Hanan Wahanis Bruder, der mit seiner Familie in der 21. Etage lebte, hatte kein Glück. Er, seine Frau und die drei Kinder starben bei dem Inferno. „Ich habe alles verloren“, sagt die 39-jährige Grundschullehrerin Wahani. Verwandte, ihr Zuhause, die lokale Gemeinschaft. „Doch diese Tage in Cornwall, die Ruhe, der Ortswechsel, das hat uns gut getan.“

    Genau das ist das Ziel der Initiative „Cornwall hugs Grenfell“ (Cornwall umarmt Grenfell), die in der vergangenen Woche mehr als 60 Menschen, die von dem Brand betroffen waren, eine Auszeit ermöglicht hat. Je nach Wunsch nahmen manche an der Gruppenreise, die neben Sightseeing auch therapeutische Aktivitäten einschloss, teil.

    Esmé Page hat die Aktionen angestoßen und organisiert. Als die 48-Jährige an jenem 14. Juni hunderte Kilometer entfernt in Cornwall die dramatischen Bilder im Fernsehen verfolgte, sah sie nur Hoffnungslosigkeit. Der Klotz ragte stundenlang wie eine riesige brennende Fackel in den Nachthimmel. Ausgelöst hatte den Brand ein defekter Kühlschrank. Wegen der leicht entflammbaren Fassadenverkleidung breiteten sich die Flammen rasend schnell aus.

    Bewegt von der Grenfell-Tower-Tragödie

    Esmé Page war bewegt von der Tragödie. Ihre Idee? Ferien in Cornwall. Wenige Tage später postete die Britin, die fünf Jahre in München gelebt hat, auf Facebook: „Stellt euch vor, es gebe für jeden Grenfell-Bewohner und die Feuerwehrleute am Horizont einen Urlaub in Cornwall: Zeit, um sich zu erholen, Zeit, in der unsere schöne Grafschaft diese Menschen verwöhnt und ihre sanfte Magie entwickelt.“ Schon kurz darauf überwältigte sie eine Welle aus Zuspruch und Angeboten. Es meldeten sich Menschen aus allen möglichen Bereichen: von Besitzern privater Unterkünfte und Hotels, Restaurants, der Universität in Essex, der Zuggesellschaft bis hin zu Wassersportanbietern, Taxifahrern, ehrenamtlichen Helfern, Vertretern von Touristenattraktionen und der Firma Warrens, dem ältesten Hersteller der berühmten Cornish Pasties.

    Alle offerierten ihre Dienste kostenlos. Bis Ende September werden 130 Menschen Urlaub in Cornwall gemacht haben, das Projekt soll bis 2019 weiterlaufen.

    Derweil warten noch immer dutzende Überlebende in Londoner Hotels darauf, endlich ein neues Zuhause zu beziehen. Auch wenn Premierministerin Theresa May ursprünglich schnelle Hilfe versprochen hat, der Umzug in neue Unterkünfte zieht sich. Es könnte bis zu einem Jahr dauern, bis alle durch den Brand obdachlos gewordenen Grenfell-Bewohner eine neue Bleibe haben.

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