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Nachruf: Das unstete Leben des Gunter Gabriel

Nachruf

Das unstete Leben des Gunter Gabriel

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    So sah man Gunter Gabriel am liebsten: am Mikrofon und mit der Gitarre in der Hand. Sein bekanntester Hit war „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“. Und sein großes Vorbild war Johnny Cash.
    So sah man Gunter Gabriel am liebsten: am Mikrofon und mit der Gitarre in der Hand. Sein bekanntester Hit war „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“. Und sein großes Vorbild war Johnny Cash. Foto: imago

    Es war irgendwie tieftraurig, wie Gunter Gabriel im Lauf der vergangenen Jahre immer tiefer die Karrieretreppe hinunterstürzte. Schockierend, weil Gabriel einmal ein ganz Großer der deutschen Musikszene war. Einer mit einer sensationell starken, sonoren Stimme; einer, der plötzlich den Countrysound im Land wieder salonfähig machte; und einer, der oben auf der Bühne gegen das Establishment wetterte.

    Jedoch wenn man in den vergangenen Jahren über Gabriel sprach, hatte das nichts mehr mit Musik zu tun. Da ging es dann darum, dass er – wie so viele andere Dumpfbacken – im RTL-Dschungelcamp hockte. Da ging es um Alkoholexzesse, um finanzielle Pleiten oder darum, dass er gegenüber einer Freundin handgreiflich wurde. Er hatte ein schönes und zugleich unschönes Leben.

    Seine Agentur hat nun mitgeteilt, dass der Sänger am 10. Juni, am Abend vor seinem 75. Geburtstag, auf einer Steintreppe gestolpert ist. Gestern sei er gestorben. Bei dem Sturz habe er einen Bruch des ersten Halswirbels erlitten. Obwohl er anschließend dreimal in einem Krankenhaus in Hannover operiert worden sei, hätten die Ärzte sein Leben nicht mehr retten können.

    Leicht hatte es Gabriel, der 1942 in Bünde (Westfalen) geboren wurde, noch nie. Bereits vier Jahre nach seiner Geburt starb seine Mutter an den Folgen einer Abtreibung. Vom Vater setzte es regelmäßig Prügel. Vielleicht ein Indiz dafür, dass Gabriel später mit der eigenen Vaterrolle nie zurechtkam. Für seine vier Kinder Yvonne, Patricia, Lisamarie und Gabriel war er, wie er einmal sagte, ein „Scheißvater“. Seine älteste Tochter Yvonne versuchte sogar einmal, im Rahmen einer Dokumentation des Fernsehsenders Vox mit ihrem Vater das schlechte Verhältnis aufzuarbeiten.

    Von seinem eigenen Vater konnte er sich durch die Musik befreien. Gabriel wollte raus aus dem Sumpf, aus diesen ärmlichen Verhältnissen – und Talent dazu hatte er zur Genüge. 1955 bei einer Klassenfahrt hatte ihn ein Jugendherbergsvater, der auf der Gitarre „Am Brunnen vor dem Tore“ spielte, für die Musik begeistert. Und dann begeisterte Gabriel sein eigenes Publikum. Und es war gewagt: Ein Newcomer und deutscher Countrysound? Das soll funktionieren? Klar, es gab immer einige, die es versuchten, wie Ronny („Kleine Annabell“), Freddy Quinn mit seiner Country- und Western-Show oder die Formation Truck Stop. Aber bei Gabriel blieb irgendwie am meisten hängen.

    Für damals klang „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“ schon revolutionär. Doch schon zuvor mit „Er ist ein Kerl“ schaffte er 1974 den Einzug in die Charts. Gabriel sang für harte Männer, für jene mit „Eiern in der Hose“. Von den Gleisbauarbeitern, die „getränkt mit ihrem Schweiß“, die „Intercitylinie Nummer 4“ fertigstellen. Oder von Männern, die alles für die Familie tun, dann schäbig von ihrer Frau verlassen werden („Er ist ein Kerl“). Mit „Komm unter meine Decke“ oder „Ich schlaf nicht gern allein“ hat er noch die Sehnsüchte der deutschen Hausfrauen aufgearbeitet, die sich einen Macho wünschen.

    Gabriel wurde zum deutschen Johnny Cash, natürlich eine Nummer kleiner. Persönlich hat er Cash auch kennengelernt. Jedenfalls sprach der 2003 verstorbene amerikanische Countrysänger noch das Intro für das Album „Gabriel singt Cash“. Auch damals war noch alles gut. Für das „Tennesse-Projekt“ gab es ausgezeichnete Kritiken.

    Doch irgendwann hat Gabriel die Kurve nicht mehr bekommen. Es fing damit an, dass er seine Fans auf Konzerten anpöbelte. Finanziell bekam er kaum was in den Griff und mit dem Alkohol wurde es schlimmer. In seinem Buch „Wer einmal tief im Keller saß“ versuchte er, sein Dilemma aufzuarbeiten. Gelungen ist es nicht. Gabriel, der lange auf einem Hausboot in Hamburg-Harburg wohnte, lebte nur noch von seinem Namen. Das RTL-Dschungelcamp2016 hat ihn gesundheitlich ziemlich fertiggemacht. Schon Jahre zuvor hatte er einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt. Jedenfalls sprach er 2016 immer wieder vom Sterben. Gestern war es soweit. Man darf sich jetzt wieder gern daran erinnern, dass Gunter Gabriel auch ein großer Musiker war.

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