Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

’Ndrangheta: Ein Mitglied des Mancuso-Clans sagt aus, die Familie will sich rächen

’Ndrangheta

Ein Mitglied des Mancuso-Clans sagt aus, die Familie will sich rächen

    • |
    Dank des Kronzeugen konnte die Polizei viele Mafiosi verhaften.
    Dank des Kronzeugen konnte die Polizei viele Mafiosi verhaften. Foto: Symbolfoto: dpa

    Italiens Staatsfernsehen Rai formulierte es so: Der berüchtigte ’Ndrangheta-Clan Mancuso würde in der Provinz Vibo Valentia sogar „den Atem der Personen kontrollieren“. Das klingt übertrieben, doch der große Einfluss der Mafia aus Kalabrien ist bekannt. Die ’Ndrangheta ist die wohl mächtigste kriminelle Organisation in Europa, sie kontrolliert 80 Prozent des Kokainhandels. Seit Januar läuft ein Großprozess in Lamezia Terme gegen den Mancuso-Clan und insgesamt mehr als 300 Angeklagte. Es ist der größte Mafia-Prozess seit den Verfahren gegen die sizilianische Cosa Nostra in den 1980er Jahren. Der Prozess zeigt, wie eng Organisierte Kriminalität, Politik und Wirtschaft miteinander verbunden sind. Sogar Polizisten und Priester arbeiten für die ’Ndrangheta.

    Das sind die mächtigsten Mafia-Organisationen

    Camorra Sie beherrscht Neapel und die Region Kampanien, ist aber auch in zahlreichen europäischen Staaten und den USA aktiv. Ihre Geschäfte reichen von Drogenhandel über Giftmüllverschiebungen bis zu Falschgeldgeschäften. Verfeindete Clans lieferten sich immer wieder blutige Kämpfe.

    ’Ndrangheta Die Organisation Gaetano Blascos hat ihre Wurzeln in Kalabrien und gilt als eine der mächtigsten Verbrechergruppen der Welt. Milliardenumsätze macht sie vor allem mit Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche und Erpressungen. Die ’Ndrangheta hat mehrere tausend Mitglieder, die in Clans organisiert sind. Italienischen Medienberichten zufolge verfügte oder verfügt der Grande-Aracri-Clan über eine eigene Zelle in Augsburg. Bei der Geldwäsche spielt Deutschland eine strategische Rolle für die ’Ndrangheta.

    Cosa Nostra Sie ist der älteste und am weitesten verbreitete Zweig der sizilianischen Mafia. Die „ehrenwerte Gesellschaft“, wie sie sich selbst nennt, ist hierarchisch strukturiert. Anfang des 20. Jahrhunderts fasste sie auch in den USA Fuß. Die Cosa Nostra betreibt unter anderem legale Unternehmen, über die gewaschenes Geld reinvestiert wird. Speziell nach Attentaten auf Richter in den 90ern ging der italienische Staat verschärft gegen sie vor. Viele Bosse sitzen im Gefängnis.

    Vor Tagen verfügte das Gericht die ersten Haftstrafen gegen 70 Clan-Mitglieder. Sie wählten ein verkürztes Verfahren, ihre Strafe wurde deshalb um ein Drittel gemindert. Die Vorwürfe umfassten Mitgliedschaft in der Mafia, versuchten Mord, Erpressung, Drogenhandel, Bestechung und illegalen Waffenbesitz. Unter den Verurteilten sind nicht nur Mafiosi wie Pasquale Gallone, die rechte Hand des Bosses Luigi Mancuso. Er bekam 20 Jahre Haft. Vier Kronzeugen wurden ebenfalls verurteilt, darunter Emanuele Mancuso, Neffe des Clanchefs und einst „hoffnungsvoller Sprössling“ der Familie, wie die Lokalpresse formulierte. Kronzeugen wie Mancuso sind der Schlüssel im Kampf gegen die ’Ndrangheta.

    Inzwischen soll es 58 Kronzeugen geben

    Mancuso, der 14 Monate Haft bekam, ist der erste Kronzeuge aus dem gleichnamigen Clan. Bislang stellten die engen Familienbande der ’Ndrangheta ein undurchdringliches Netz für die Ermittler dar. Inzwischen soll es 58 Kronzeugen geben. Der heute 33 Jahre alte Mancuso wurde bei einer Razzia 2018 festgenommen, drei Monate später begann er gegen seine Familie auszusagen. Ein gutes Jahr später startete die Staatsanwaltschaft ihre Groß-Razzia, bei der 2500 Polizisten im Einsatz waren. Die Ermittlungen stützen sich wesentlich auf Mancusos Kenntnisse.

    Der Grund für die Aussagebereitschaft des zuvor wegen Drogenhandels und schweren Diebstahls zu viereinhalb Jahren Haft verurteilten Mancuso liegt offenbar in familieninternen Streitigkeiten zwischen ihm, seinem Vater Pantaleone und seinem Onkel, dem Clanchef Luigi. Beide sind inzwischen in Haft. Der Betroffene selbst gab bekannt, er habe seine Zusammenarbeit mit der Justiz angesichts der bevorstehenden Geburt seiner Tochter begonnen „in der Hoffnung, ihr eine andere Zukunft zu ermöglichen“. Laut dem Verurteilten sei die inzwischen Dreijährige weiterhin „in der Hand der ’Ndrangheta“.

    Mancuso soll erpresst worden sein

    Zu Beginn seiner Kooperation mit den Ermittlern soll Mancuso von den Frauen des Clans erpresst worden sein. Wenn er weiter aussage, werde er seine Tochter nicht mehr sehen. Auch in der Haft wurde er bedroht. Sein Vater und seine Brüder bedrängten ihn. Mancusos Tochter wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen, die Mutter frequentiere aber weiterhin den Clan, so der Kronzeuge. Der Pate Luigi Mancuso soll ein Kopfgeld in Höhe von einer Million Euro auf ihn ausgesetzt haben, schrieb Mancuso vor Monaten in einem offenen Brief.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden