Greenpeace gab die Zahl der Brände in radioaktiv belasteten Regionen überraschend mit 20 an. Die russische Stelle der Umweltschutzorganisation widersprach damit Informationen von Behörden, dass das Risiko von Strahlenschäden unter Kontrolle sei.
Die Gefahr werde kleingeredet, sagte der Greenpeace-Aktivist Wladimir Tschuprow in Moskau. Drei Feuer seien allein in dem besonders stark betroffenen Gebiet Brjansk an der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine registriert worden. Die Region um Brjansk war nach der Atomkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl 1986 verstrahlt worden.
Zwar hatte Zivilschutzminister Sergej Schoigu anfänglich noch darauf hingewiesen, dass durch die Feuer und Löscharbeiten Boden mit radioaktiv verseuchten Partikeln aufgewirbelt werden könnte. Genaue Informationen ließen die Behörden aber bisher vermissen, kritisierte Tschuprow. Nach Messungen in Brjansk hatte das Zivilschutzministerium allerdings Entwarnung gegeben.
"Die erhöhte radioaktive Strahlung wird zwar nicht zu einer neuen Belastung wie bei Tschernobyl führen. Gleichwohl sollten kleinere radioaktive Mengen nicht unterschätzt werden", sagte Tschuprow. Zudem sei bislang nicht untersucht, wie gefährlich das Zusammenspiel von giftigem Smog von den Wald- und Torfbränden und radioaktiver Strahlung ist.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO äußerte sich vor allem wegen der extremen Smog-Belastung besorgt. In vielen Regionen liege die Konzentration an schädlichen Gasen wie Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid mittlerweile weit über den zulässigen Grenzwerten. Für Moskau lehnte die Führung trotz der gespannten Lage mit dem giftigen Smog den Ausnahmezustand ab.
Für die Ural-Stadt Osjorsk mit dem großen Atommüllaufbereitungs- und Lagerungszentrum Majak gab es unterdessen Entwarnung. Die Brände in der Nähe der Anlage seien gelöscht, sagte die Sprecherin des Zivilschutzministeriums, Irina Andrianowa, nach Angaben der Agentur Interfax. Sie wies auch Vorwürfe zurück, die Behörden würden das wahre Ausmaß der radioaktiven Gefahr verheimlichen.
Allerdings hatte sogar der Bürgermeister von Osjorsk, Viktor Trofimtschuk, den Ausnahmezustand rund um die Anlage von Majak verhängt. Damit sind etwa Picknicks in den Stadtparks und umliegenden Wäldern verboten. Majak liegt 1500 Kilometer östlich von Moskau und war 1957 Schauplatz der größten Atomkatastrophe vor Tschernobyl in der heutigen Ukraine 1986. Das Gebiet gilt wegen seiner Verstrahlung als eines der gefährlichsten der Welt.
Im ganzen Land blieb die Lage gespannt. Nach offiziellen Angaben brannten noch mehr als 550 Feuer auf einer Fläche von mehr als 1700 Quadratkilometern. Darunter befänden sich knapp 70 Großbrände. Bei den Löscharbeiten waren seit Montag nach offiziellen Angaben mindestens zwei Einsatzkräfte ums Leben gekommen. Darunter war auch ein Soldat, der am atomaren Forschungszentrum in Sarow gegen die Flammen gekämpft hatte. Das Feuer dort wurde gelöscht.
Die Zahl der Feuertoten erhöhte sich damit auf mindestens 54. Hilfsorganisationen gehen aber von deutlich mehr Opfern aus. Die Schäden werden auf weit mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt.
Die Feuerwalze hatte sich zuletzt immer wieder bedrohlich den Atomanlagen des Landes genähert. Der Atomkonzern Rosatom warnte jedoch vor Panikmache. Die Atommülldeponien seien durch einen mehrschichtigen Mantel aus Beton und Metall geschützt, so dass Feuer sie kaum beschädigen könnten.
Dagegen äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace besorgt darüber, dass das Feuer auch auf Atomanlagen übergreifen könnte. Die Brände könnten schwere Folgen haben, warnte der Greenpeace-Atomexperte Christoph von Lieven in der "Neuen Presse" aus Hannover. Vor allem Feuer bei Majak seien gefährlich. "Es liegt viel radioaktives Material in der Umgebung, viel Material wurde damals einfach in einem See versenkt", meinte er.
Ein Sprecher der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA sagte, dass Majak nicht zu den Anlagen gehöre, die Russland freiwillig von den Atominspektoren kontrollieren lasse. Russland schlug nach Angaben aus Brüssel nun auch ein Hilfsangebot der EU für Unterstützung im Kampf gegen das Feuer aus. Bislang ziehe Moskau es vor, bilateral Staaten um Hilfe zu bitten, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission.
Die von einer Jahrhundert-Hitze und schweren Dürre begleiteten Brände haben Russland in eine schwere ökologische, wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe gestürzt. In der russischen Hauptstadt Moskau leiden die Menschen seit Tagen unter giftigem Smog. Die Sterberate stieg hier um das Doppelte auf 700 Tote täglich.