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Rundfunkbeitrag: Sie kämpft gegen Rundfunkgebühren - und sollte dafür in Haft

Rundfunkbeitrag

Sie kämpft gegen Rundfunkgebühren - und sollte dafür in Haft

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    Kathrin Weihrauch geht es ums Prinzip: Sie habe kein TV-Gerät und sehe es nicht ein, deshalb monatlich 17,50 Euro zahlen zu müssen.
    Kathrin Weihrauch geht es ums Prinzip: Sie habe kein TV-Gerät und sehe es nicht ein, deshalb monatlich 17,50 Euro zahlen zu müssen. Foto: Antje Hildebrandt

    Hellblonde Haare, roter Mantel. Die Frau, die das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem herausgefordert hat, ist nicht zu übersehen. Winterfeldtplatz in Berlin: Kathrin Weihrauch schlendert vor wenigen Tagen mit ihrem Lebensgefährten über den Wochenmarkt. Sie ist zum Vorbild für jene offensichtlich überaus zahlreichen Menschen geworden, die nicht einsehen, den Rundfunkbeitrag von aktuell 17,50 Euro monatlich zu zahlen.

    Es ist eine regelrechte Bewegung, und Weihrauch gibt ihr ein Gesicht. Eines, das freundlich wirkt und nichts Verbissenes hat. Dabei hatte ihr Papierkrieg die letzte Eskalationsstufe schon erreicht. Am 8. August bekam sie einen Haftbefehl. Der wird jetzt aber nicht vollstreckt.

    Das Landgericht Potsdam habe die Anordnung von sechs Monaten Erzwingungshaft aufgehoben, teilte ein Gerichtssprecher kürzlich mit. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), in dessen Sendegebiet sie lebt, hatte das Amt Beetzsee damit beauftragt, bei der alleinerziehenden Frau ausstehende Beitragszahlungen für das Jahr 2013 in Höhe von 309,26 Euro einzutreiben. Da sie sich weigerte, eine Erklärung über ihr Vermögen abzugeben, ordnete das Amtsgericht Brandenburg an der Havel schließlich die Erzwingungshaft an.

    Das Konto der Alleinerziehenden wurde gepfändet

    Der rbb als Gläubiger erklärte dagegen, Herr des Vollstreckungsverfahrens sei allein das Amt. Dieses habe den Haftbefehl beantragt, um die Vermögensauskunft zu erzwingen. „Der rbb hat den Haftbefehl daher weder beantragt noch zurückgenommen“, betonte rbb-Sprecher Volker Schreck. Vielmehr habe das Amt Beetzsee mitgeteilt, dass der Haftbefehl wegen mangelnder finanzieller Erfolgsaussichten des Vollstreckungsverfahrens nicht mehr vollzogen werde. Kathrin Weihrauch hat nach eigenen Angaben nur ein geringes Einkommen – und keinen Fernseher.

    Wie auch immer, das Ergebnis bleibt für sie gleich: Sie muss nicht in Haft. Weihrauch ist gerade im Urlaub, sie dürfte ihn nun erst recht genießen. Ein bisschen Ruhe vor dem Ansturm der Medien wird ihr gewiss auch guttun. Denn das öffentliche Interesse ist groß daran, zu erfahren, wer diese Frau ist, die bisher jede Aufforderung, den Rundfunkbeitrag zu zahlen, ignoriert hat: 43 Jahre alt, früher Krankenschwester auf einer Intensivstation, heute freiberufliche Clownin. Im Rechtsstreit mit dem rbb vertritt sie sich selber. Und brachte ihn in eine Zwickmühle.

    Hätte der rbb darauf bestanden, dass die Beitrags-Boykotteurin ins Gefängnis kommt, hätte er aus rechtlichen Gründen die Kosten für den Aufenthalt zunächst einmal vorstrecken müssen. Jeder Tag hätte ihn 146,87 Euro gekostet. In sechs Monaten Haft wären mehr als 20.000 Euro zusammengekommen. Fraglich, ob er das Geld jemals zurückbekommen hätte. Zumal die Summe in keinem Verhältnis zum nicht gezahlten Rundfunkbeitrag steht. Andererseits will der rbb vermeiden, dass Beitragsgegner massenhaft Weihrauchs Beispiel folgen. In der Annahme, dass sie keine Haft zu befürchten haben. Die Pressestelle des rbb teilt diese Befürchtung nicht und verweist auf die Sanktionen, die säumige Beitragszahler über sich ergehen lassen müssen: Pfändung des Kontos. Eintrag ins Schuldnerverzeichnis. Verlust der Kreditwürdigkeit.

    Weihraucht gehe es nicht mehr ums Geld, sondern ums Prinzip

    Doch auch Weihrauch hatte das nicht abgeschreckt. Der Pfändung ihres Kontos war sie etwa zuvorgekommen, indem sie es vorher leer geräumt hatte. Ausgestanden ist die Angelegenheit für sie nicht: Nach Angaben von rbb-Sprecher Schreck kann der Sender den ausstehenden Rundfunkbeitrag über die entsprechenden Vollstreckungsstellen für die Dauer von 30 Jahren einfordern.

    Inzwischen, sagt Weihrauch, gehe es ihr nicht mehr ums Geld, sondern ums Prinzip. „Es ist doch eine Riesensauerei, dass sich die Rundfunkanstalten einfach so das Geld in die Taschen stopfen und die Bürger gar nicht erfahren, wofür sie es ausgeben.“ Andere Beitragsgegner können nichts mit ARD oder ZDF anfangen oder misstrauen Medien generell. Unter ihnen befinden sich viele Verschwörungstheoretiker. Was sie oft eint: Den Beitrag zu verweigern, ist für sie kein Rechtsbruch, sondern ziviler Ungehorsam.

    Wie für Sieglinde Baumert aus Thüringen, die Anfang des Jahres als Erste überhaupt in Erzwingungshaft ging – bis sie nach 61 Tagen frei kam, weil der MDR den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgezogen hatte. Die Mittel seien nicht mehr „verhältnismäßig“ gewesen, hieß es. (mit dpa, wida)

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