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Türkei: Skandal in der Türkei: Viele Menschen fordern Gerechtigkeit für Sule Cet

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Skandal in der Türkei: Viele Menschen fordern Gerechtigkeit für Sule Cet

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    Die Studentin Sule Cet. Zunächst hieß es, sie habe sich umgebracht. Ihre Familie und Freunde starteten eine Kampagne, um Druck auf die Justiz auszuüben.
    Die Studentin Sule Cet. Zunächst hieß es, sie habe sich umgebracht. Ihre Familie und Freunde starteten eine Kampagne, um Druck auf die Justiz auszuüben. Foto: S. Güsten, Freundeskreis Sule Cet

    Eine junge Frau wird betäubt, vergewaltigt und aus dem 20. Stockwerk eines Büroturms geworfen – und der mutmaßliche Täter muss sich offenbar nicht verantworten, weil er reich und gut vernetzt ist. Der „Fall Sule Cet“ ist ein Skandal in der Türkei. Zwar sind die Türken einiges gewohnt von ihrer Justiz, doch das Schicksal der 21-jährigen Studentin und wie mit ihrem mutmaßlichen Mörder umgegangen worden war, führte zu Protesten. Tausende Menschen stellten sich am Wochenende hinter die Forderung nach „Gerechtigkeit für Sule Cet“ – nachdem Freunde des Opfers den Fall publik gemacht hatten.

    Unternehmersohn gilt als dringend tatverdächtig

    Überraschenderweise wurde der Unternehmersohn aus Ankara binnen 24 Stunden nach Start der Kampagne festgenommen. Er soll die junge Frau im Mai getötet haben. Jetzt will die Öffentlichkeit wissen, wer es war, der den Playboy vor Recht und Gesetz schützte.

    Sule Cet war am 28. Mai zu ihrem früheren Arbeitgeber Cagatay A. gerufen worden, bei dem sie als Sekretärin gejobbt hatte: Sie könne ihren Job zurückhaben, von dem sie drei Wochen zuvor entlassen worden war. Die junge Frau traf den Chef und seine Geschäftspartner zum Abendessen in einem Restaurant in Ankara und ging mit ihnen anschließend in das Büro im 20. Stock eines Hochhauses.

    Ihr letztes Lebenszeichen war ein Hilferuf

    Um 1.30 Uhr verließen zwei der Männer den Büroturm. Kurz vor 2 Uhr rief Sule Cet ihre Mitbewohnerin an und bat diese, sie anzurufen und ihr einen Vorwand zu geben, nach Hause gehen zu müssen. Doch dazu kam es nicht mehr. Um 2 Uhr erhielt die Mitbewohnerin eine Textnachricht von der Freundin. „Ich komme hier nicht raus, der Typ hat es auf mich abgesehen. Wäre ich doch nicht gekommen!“ Es war das letzte Lebenszeichen von Sule Cet: Um 4 Uhr schlug ihr Körper unten auf dem Platz vor dem Hochhaus auf.

    Cagatay A. machte sich Medienberichten zufolge zunächst aus dem Staub und tauchte später wieder auf, um von Polizei und Staatsanwaltschaft als „Zeuge“ vernommen zu werden. Das Mädchen habe Selbstmord verübt, sagte er. Sie habe ihm erklärt, dass sie nicht mehr leben wolle, und sei dann aus dem Fenster gesprungen. Er habe sie leider nicht daran hindern können. Die Staatsanwaltschaft akzeptierte seine Erklärung und setzte ihn auf freien Fuß – eine Rücksicht, die sonst selten gewährt wird. Selbst wenn es nur um einen regierungskritischen Facebook-Post geht.

    Ihre Familie und Freunde glauben nicht an einen Selbstmord

    Ihre Familie und Freunde gaben sich damit nicht zufrieden. Die Spuren eines Kampfes seien am Körper seiner Schwester sichtbar gewesen, sagte ihr Bruder Senol Cet, der sie im Leichenschauhaus identifizieren musste. Der Familie zufolge war Sule Cet eine starke junge Frau, die schon den Krebstod ihrer Mutter bewältigt und ihren Vater in Istanbul nach einem Herzinfarkt gepflegt hatte. Nun war sie an die Universität in Ankara zurückgekehrt, wo sie Textildesign studierte. Nebenbei jobbte sie und organisierte gerade eine Party mit Freunden für ihren Geburtstag am 31. Mai.

    Eine Obduktion bestätigte den Verdacht der Familie. Im Blut der jungen Frau fanden die Gerichtsmediziner ein Betäubungsmittel, das schläfrig macht, und an ihrem Körper Spuren einer Vergewaltigung – samt DNA von Cagatay A. sowie Hautpartikeln mit seiner DNA unter ihren Fingernägeln. Die Spurensicherung fand zudem keinen einzigen Fingerabdruck von Sule Cet am fraglichen Fenster – die junge Frau hätte einen Hechtsprung machen müssen, um aus dem Fenster zu springen, folgerten Forensiker.

    Das stellte die Gerichtsmedizin bereits am 29. Mai fest, doch Cagatay A. blieb unbehelligt. In der Folge wurde der Obduktionsbericht der Presse zugespielt; zugleich eröffneten Freunde des Opfers einen Twitter-Kanal mit der Forderung nach „Gerechtigkeit für Sule Cet“.

    Neben Solidarität und Unterstützung schlugen Familie und Freunden von Sule Cet allerdings auch feindselige Reaktionen entgegen. Was die junge Frau um zwei Uhr früh bei ihrem Chef im Büro zu suchen hatte, musste sich die Familie immer wieder fragen lassen, und ob sie keine Ehre hätte? Die Zeitung Milliyet betitelte einen Bericht mit der Überschrift: „Sie ging mit zwei Männern in eine Luxussuite…“. Sule Cet sei ein freier Mensch gewesen, entgegneten ihre Freunde – „frei hinzugehen, wann und wohin sie wollte, zu arbeiten, wo sie wollte, und sich zu kleiden, wie sie wollte“.

    Die Öffentlichkeit drängt auf Aufklärung

    Die Öffentlichkeit stellte sich überwiegend hinter Familie und Freunde von Sule Cet. Mancher Türke wollte gar kurzen Prozess mit Cagatay A. machen. Angesichts der Appelle zur Selbstjustiz sah sich der Freundeskreis genötigt, zur Besonnenheit aufzurufen. „Den Mörder meiner Schwester kann weder ich bestrafen noch sonst jemand, das muss die Justiz tun“, erklärte ihr Bruder. Und der Anwalt der Familie, Umur Yildirim, sprach von Hinweisen auf Verdunkelungsversuche in den Ermittlungsakten.

    Nach den Protestaktionen am Wochenende fanden sich dann plötzlich sowohl Staatsanwalt als auch Haftrichter, um Cagatay A. inhaftieren zu lassen. Bewegt bedankte sich die Familie bei allen Unterstützern. Nur dem öffentlichen Druck in den sozialen Medien und auf der Straße sei es zu verdanken, dass der mutmaßliche Täter endlich in Haft sei, sagte Senol Cet.

    Für die Freunde von Sule Cet ist der Fall damit längst nicht erledigt – sie haben noch viele Fragen. Vor allem: Wer hat Cagatay A. geschützt und warum? Die Bilder von Cagatay A., die in den sozialen Medien kursieren, zeigen einen etwa 30-jährigen Mann in lässigen Posen am Steuer teurer Wagen. Ein Typ, der von Vaters Geld lebe und nie zweimal dasselbe Auto benutze, kommentierte ein Twitter-Nutzer, der ihn kennen will. Unbestätigten Berichten zufolge soll Cagatay A. der Sohn eines Bau-Unternehmers sein, der gute Geschäfte mit Regierungsaufträgen macht.

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