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Interview: Sportfreunde Stiller: Bitte mehr Lässigkeit!

Interview

Sportfreunde Stiller: Bitte mehr Lässigkeit!

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    Rüdiger "Rüde" Linhof,    Florian "Flo" Weber und Peter Brugger von der Band "Sportfreunde Stiller"
    Rüdiger "Rüde" Linhof, Florian "Flo" Weber und Peter Brugger von der Band "Sportfreunde Stiller" Foto: Ped Lof Sab, dpa

    Die Sportfreunde Stiller haben enorm viele Fans. Im Interview erzählt Schlagzeuger Flo Weber, warum ihm Ausrasten wichtig ist - und wie lange es die Sportis noch mindestens geben wird.

    Ein Blick auf das Cover von „Sturm und Stille“: Der Rüde sieht aus, als würde ihm dieser aufkommende Sturm gar nichts ausmachen, es ist eher ein laues Lüftchen. Der Peter allerdings weiß nicht recht, was auf ihn zukommt und du stehst da und blickst in den Sturm. Spiegelt euch dieses Bild wider?

    Flo Weber: Ja ja, sehr. Ich, als die Eiche der Band, dieser stramme, starke Typ, der vom Schlagzeug aus alles zusammenhält ( schmunzelt ). Den Rüde hat es mit seiner Frisur natürlich voll erwischt. Peter wirkt tatsächlich etwas zweifelnd und weiß nicht genau, wie er sich positionieren soll. Gerade dieses Kopfkratzen, dieses hinterfragen, könnte man jetzt ummünzen auf unsere Charaktere. Wäre allerdings auch Spielerei, so heranzugehen. Das ist ein Foto von 180 gemachten.

    Sturm ist klar, aber Stille?

    Flo: Der Albumtitel steht ziemlich stark für die 20 Jahre, die wir hinter uns haben. Wobei der Sturm jetzt nicht nur etwas Wildes, Stürmisches und Positives bedeutet. Klar, er steht für Drang und das Nach-vorne-gehen – er steht aber auch für Verwirrung und für Zerstörung. Wir hatten Gott sei Dank nie einen Zustand der Zerstörung in der Band. Aber wir hatten durchaus Diskrepanzen, Momente der Zerrissenheit, wo wir uns nicht einig waren, wie es mit den Sportfreunden weitergeht. Vor allem nach dem MTV -Unplugged-Album. Und die Stille ist ein Moment der Ruhe, des Sichsammelns, des Entspannens, die wir immer wieder haben und auch brauchen. Die Ruhe ist ein Zeichen der Sprachlosigkeit, für das Nichtkommunizieren. Das gab es bei uns auch schon.

    Ihr hattet lange Pausen. Braucht ihr die, um an den Punkt zu gelangen: Jetzt wollen wir wieder richtig ran?

    Flo: Diese Pausen sind im Maß wichtig, um sich neu zu ordnen, Kreativität zu sammeln. Dieser Rahmen ist aber bei jedem von uns anders gestrickt. Bei mir ist diese Zeitspanne sehr viel kleiner. Ich finde, in 20 Jahre sieben Studioalben veröffentlicht zu haben, ist okay. Da hätten wir auch mehr schaffen können. Peter zum Beispiel braucht viel mehr Zeit. Da treffen Extreme aufeinander. In einer Einstellung allerdings ticken wir gleich: Qualität steht über allem.

    Peter hat einmal gesagt, in der Gruppe kommt bei euch „die große Pubertierung“ durch. Ist das immer noch so?

    Flo: Wir haben alle inzwischen Familie und sind uns jeglicher Verantwortung bewusst. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir konservative Typen geworden sind, die nur an Vernunft denken. Ich bin froh, dass wir die Momente des absoluten Ausrastens haben. Wir können aber auch ernst, wie unsere politische Haltung zeigt. Unsere Songs verkörpern das, und dem Rüde ist das ein großes Anliegen. Eine Band kann sich als Sprachrohr verstehen.

    Rüde hat auf Facebook ein Foto gepostet. Da steht auf einem Papier geschrieben: „Keine Angst, denn Angst frisst die Seele auf.“ Ist das euer Statement? Weitermachen?

    Flo: Weitermachen, ja. Kurz vor dem Post hatten wir eigentlich schon die Kopfhörer aufgesetzt und waren dabei, auf die Bühne in Leipzig zu gehen. Dann kam die Nachricht vom Amoklauf in München und alle dachten auch an Terror. Rüde hat dann gesagt, „Komm, jetzt schreiben wir diesen Satz auf.“ Ich weiß im Nachhinein nicht, ob wir das noch mal in diesem Wortlaut machen würden. Es ist ja okay, Angst zu haben. Es geht eher um den zweiten Satz. Wir dürfen Angst haben, aber wir dürfen nicht der Angst zu viel Raum geben. Wir müssen optimistisch sein und wir müssen uns zuhören und aufmerksam sein und das tragen wir auch nach außen.

    Ihr engagiert euch nach wie vor gegen Nazis. Ist das in den vergangenen Monaten wieder aktueller geworden?

    Flo: Natürlich. Die Stimmungen bedingen sich gegenseitig. Jetzt dieser schlimme Zustand der Partei, deren Name ich gar nicht in den Mund nehmen mag, hat so Oberhand gewonnen. Dadurch, dass sie nur polemisch und populistische Aussagen ohne Inhalt trifft. Es ist doch augenscheinlich, dass die da alle auf dem Holzweg sind, so ganz ohne Ansätze, nur mit Kritik. Aber die Menschen, die Angst haben, denen muss ordentlich zugehört werden und denen muss ein verständlicher Ansatz der Verbesserung geboten werden. Nur mal im Vergleich zu den Anschlägen, die waren. Dagegen stehen hunderte von Angriffen von Rechten auf Flüchtlingslager. Diese Relation ist irre. Das ist unglaublich schlimm und wir machen uns weiterhin für unsere Werte stark. Wir werden nicht müde, um darum zu kämpfen. Der Optimismus muss bleiben, und das zieht sich auch durch unsere neue Platte.

    Ihr besingt eure Fans mit „Wir haben unsere Freiheit auf euren Jubel gebaut.“ Wie haben sich die Fans in den vergangenen Jahren verändert?

    Flo: Wir haben teilweise drei Generationen auf einem Konzert. Der Sechsjährige, der mit seinen Eltern da ist und hinten wartet der Opa noch, weil er irgendwie mitbekommen hat, dass das Bier auf unserem Konzert billig ist. Schön ist vor allem, dass immer wieder Neue nachkommen. Wurde aber auch Zeit, dass wir in zwanzig Jahren uns mal bei den Fans bedanken. Der musikalische Ansatz mit der Piano-Hook ist vom Rüde. Wir haben lange nach einem Text gesucht und noch nie so viele Textansätze versucht wie bei diesem Lied. Peter konnte vorerst mit dem Vergleich „auf Jubel gebaut“ nicht viel anfangen – später haben wir aber den Dreh super hinbekommen. Die Verneigung kann vor den Fans gar nicht tief genug sein. Das soll weiter so gehen, vielleicht noch weitere 20 Jahre.

    Noch mal 20 Jahre Sportfreunde Stiller?

    Flo: Ja, bis wir aussehen wie Keith Richards.

    Was war euch bei der Produktion des neuen Albums wichtig?

    Flo: Wir haben uns immer auf drei Songs konzentriert und dann weitergemacht, nicht einfach alles runtergeschrieben. So konnten wir uns auf wenige Dinge voll konzentrieren. Es vergingen sechs Wochen, bis wir zufrieden waren, und dann kamen die nächsten drei Titel und so weiter. Somit haben wir nach jeder Produktionsetappe auf die Lieder antworten können und es entstand ein ganz deutliches Bild.

    Die erste Single heißt „Raus in den Rausch“ – Was heißt das für euch?

    Flo: Die Idee fußt darin, dass man durchaus Neuanfänge wagen muss. Dass es Momente der Stagnation gibt und dass man die greifen soll. Man soll sich kopfüber ins Leben stürzen, das machen, was einen beflügelt und zum Schweben bringt.

    Das Lied Lumpi ist solch ein optimistisches Lied. Eine Zeile heißt: „Lass den Lumpi von der Leine.“ Ist das eine Aufforderung zu mehr Lässigkeit?

    Flo: Ja, gut! Find ich schön! Das unterschreibe ich so. Das ist auch ein Gesicht von uns und das steht auch für dieses Optimistische.

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