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Landlust statt Landfrust: Städtler stillen ihre Sehnsucht durch Hochglanz-Magazine

Landlust statt Landfrust

Städtler stillen ihre Sehnsucht durch Hochglanz-Magazine

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    Der Garten des Unterallgäuer Pärchens Johanna und Dr. Werner Müller (Kammlach) hat es ins Hochglanz-Magazin "Landlust" geschafft.
    Der Garten des Unterallgäuer Pärchens Johanna und Dr. Werner Müller (Kammlach) hat es ins Hochglanz-Magazin "Landlust" geschafft. Foto: Ralf Lienert

    Der gebeugte Rücken des Gärtners und sein Sonnenhut versinken in einem Meer von Blumen. Da möchte man jetzt auch sein, möchte eintauchen in den Pfingstrosengarten von Werner und Johanna Müller in Kammlach (Kreis Unterallgäu). Dass er Mühe macht, dass der Rücken schmerzt, dass Schädlinge sich einnisten können, ist auf dem Titelbild der Mai/Juni-Ausgabe der Landlust natürlich nicht zu sehen. Die Zeitschrift zeigt nur die schönsten Seiten des Landlebens, und das mit großem Erfolg.

    Im ersten Quartal über eine Millionen Exemplare verkauft

    Exakt 1 010 873 Exemplare des im Zwei-Monats-Rhythmus erscheinenden Hefts wurden im ersten Quartal 2012 verkauft – mehr als Der Spiegel (933 395), Der Stern (825 903) und Focus (541 295) – ein Phänomen, das schon viel beachtet worden ist.

    Dabei hinkt der Vergleich mit den Nachrichtenmagazinen. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger reiht die Landlust in seiner Auflagenübersicht in die Kategorie der Wohn- und Gartenzeitschriften ein. Und dort rangieren Das Haus (1 774 655 verkaufte Auflage) aus dem Burda-Verlag und house and more, das Abo-Magazin der Bausparkasse Schwäbisch Hall (1 617 235), noch deutlich höher.

    Doch während Letztere leicht rückläufige Auflagen verzeichnen, hat der Landwirtschaftsverlag Münster mit der Landlust im Vergleich zum Vorjahr um fast 26 Prozent zugelegt. Warum? „Es ist das Gefühl fürs Land. Die produzieren ein Gefühl“, meint die Unterallgäuerin Johanna Müller, die das Magazin erst durch die Reportage über ihren eigenen Garten kennengelernt hat, persönlich aber die Zeitschrift Country (88 320 Auflage) favorisiert.

    Der Artikel über ihre außergewöhnliche Päoniensammlung ist einer von vielen, die in anderen Zeitschriften schon erschienen sind. Altbekanntes wird neu präsentiert. Prachtvolle Fotos und ein knapper Text reichen aus, um einen Ansturm von Anrufen bei den Müllers auszulösen. Ihre Telefonnummer ist unter dem Artikel angegeben, ebenso die Bezugsadressen für Pflanzen. Information und Werbung werden ungeniert vermischt.

    Pragmatisch könnte man das nennen, denn die Frage, wo bestimmte Sorten erhältlich sind, kommt sowieso. 82 Prozent der Landlust-Leser haben einen eigenen Garten – auch wenn fast 60 Prozent von ihnen in Städten leben, 31 Prozent sogar in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern.

    Ohne große Werbung

    „Wir legen allergrößten Wert darauf, nicht als Landzeitung wahrgenommen zu werden“, sagt Chefredakteurin Ute Frieling-Huchzermeyer, 54. Für die studierte Landwirtin, die fast zwanzig Jahre lang für das Fachmagazin Top-Agrar gearbeitet hatte, sind die Städter eine wichtige Zielgruppe: „Das Bedürfnis nach einer ursprünglichen Lebensform und Natürlichkeit haben auch viele Menschen in der Stadt.“ Ihre Sehnsüchte werden mit Traumbildern bedient, während die reale Situation in einigen ländlichen Regionen Deutschlands mehr mit Landflucht als mit Landlust zu tun hat. Gewerbliche Arbeitsplätze fehlen, die Landwirtschaft konzentriert sich auf immer weniger Betriebe.

    Paradoxerweise ist dem Schrumpfen der bäuerlichen Berufsgruppe die Entstehung der Zeitschrift Landlust zu verdanken. Wenn einem Fachzeitschriftenverlag die Kundschaft verloren geht, muss er sich eine neue suchen. Ute Frieling-Huchzermeyer drückt es anders aus: „Wir haben überlegt, wie wir unser Know-how und unser Potenzial im ländlichen Raum weiter einsetzen können.“

    Die erste Landlust sei 2005 ohne große Werbung an die Kioske gelegt worden. Entdecker griffen zu. Seit 2006 erscheint das opulent illustrierte Hochglanz-Magazin mit seiner Mischung aus Garten-, Küchen-, Haus-, Bastel- und Naturthemen regelmäßig alle zwei Monate. „Die Leser zeichnen sich durch einen gehobenen Lebensstil und einen überdurchschnittlichen finanziellen Spielraum aus“, heißt es in den Mediadaten für die Anzeigenkunden.

    Den Eindruck, dass es sich um eine Frauenzeitschrift handelt, weist die Chefredakteurin zurück: „Überhaupt nicht“, sagt Ute Frieling-Huchzermeyer fast entrüstet. Obwohl in der Redaktion nur Frauen arbeiten und die Käufer zu 75 Prozent Frauen sind – die Mehrzahl im Alter über 40 –, werde die Landlust sehr wohl auch von Männern gelesen. Das zeige sich an den Leserzuschriften, die zur Hälfte von Männern kämen.

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