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Südafrika: Vergewaltigungsopfer wird vor Gericht verhöhnt

Südafrika

Vergewaltigungsopfer wird vor Gericht verhöhnt

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    110 Vergewaltigungen werden täglich in Südafrika angezeigt. Die Dunkelziffer soll aber 13-mal so hoch sein. Viele der Vergewaltigungsopfer sind minderjährig, die Opfer leiden oft lebenslang.
    110 Vergewaltigungen werden täglich in Südafrika angezeigt. Die Dunkelziffer soll aber 13-mal so hoch sein. Viele der Vergewaltigungsopfer sind minderjährig, die Opfer leiden oft lebenslang. Foto: dpa (Symbolbild)

    Die Brutalität, mit der Opfer von Vergewaltigungen in Südafrika auch nach der Tat oft konfrontiert werden, zeigt sich in diesen Tagen in einem Gerichtssaal der Küstenstadt Port Elizabeth. In einem landesweit im Fernsehen übertragenen Prozess beschuldigte die Studentin Cheryl Z. den bekannten Pfingstprediger Timothy Omotoso der wiederholten Vergewaltigung, die sie schon im Alter von 14 Jahren habe ertragen müssen. Dessen Verteidiger bezeichnete sie kurzerhand als „gute Schauspielerin“ und „Lügnerin“, warf ihr vor, die Vergewaltigung „zuzulassen“, und fragte sie allen Ernstes, wie viele Zentimeter der 60-Jährige in sie eingedrungen war.

    Vergewaltigungs-Prozess in Südafrika: Die Nation ist entsetzt

    Die Nation ist entsetzt, dutzende aufgebrachte Aktivisten folgten dem Anwalt nach Verlassen des Gerichtsgebäudes und beschimpften ihn wüst. Einige Anhänger von Omotosos Kirche „Jesus Dominion International Church“ überschreiten im Gegenzug bei ihrer Unterstützung für den Nigerianer selbst den legalen Rahmen. Cheryl Z. berichtete, sie habe vor dem Prozess Todesdrohungen erhalten. Omotoso und zwei mitangeklagte Frauen müssen sich derzeit wegen 97 Anklagepunkten verantworten, ihnen wird Vergewaltigung und sexueller Missbrauch vorgeworfen. Neben der inzwischen 22 Jahre alten Cheryl Z. sind Dutzende andere Mädchen und junge Frauen betroffen, viele davon wollen ebenfalls aussagen.

    Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der Kirchenführer seine meist minderjährigen Opfer überredete, mit ihm in ein Haus in der Nähe von Durban zu ziehen. Dort habe er sie gefügig gemacht, indem er ihnen bei Verweigerung oder Meldung gegenüber der Polizei mit „Gottes tödlichem Zorn“ gedroht habe. Omotoso, der seine zahlreichen Anhänger auch über den kircheneigenen TV-Sender und mehrere Bücher adressierte, droht eine langjährige Haftstrafe.

    110 Vergewaltigungsfälle werden in Südafrika täglich angezeigt - ohne Dunkelziffer

    Seit dem ebenfalls live übertragenen Mordprozess gegen den ehemaligen Paralympics-Star Oscar Pistorius im Jahr 2014 hat ein Gerichtsverfahren nicht mehr Debatten dieser Dimension erreicht. Die Nation diskutiert sexuellen Missbrauch in diesen Tagen ungewöhnlich offen. 110 Vergewaltigungsfälle werden in Südafrika täglich angezeigt. Eine gewaltige Zahl – die Dunkelziffer dürfte 13-mal höher liegen, schätzen Forscher. 40 Prozent der Fälle betreffen Minderjährige, nur jede fünfte Anzeige endet mit einer Verurteilung. Südafrika ist mit einer jährlichen Vergewaltigungsrate von 70,5 Fällen pro 100.000 Einwohnern eines der weltweiten Epizentren für sexuelle Gewalt (zum Vergleich Deutschland: 13,7 Fälle). In einer südafrikanischen Studie gab jeder vierte befragte Mann an, schon einmal vergewaltigt zu haben.

    Das Thema gilt weiterhin als gesellschaftliches Tabu, die staatliche Unterstützung der Opfer ist katastrophal. Die Oppositionspartei „Democratic Alliance“ (DA) bemängelte, dass die Zeuginnen keine psychologischen Beratungsangebote von den Behörden bekommen hatten. Trotz der Todesdrohungen habe es auch keinerlei Schutzmaßnahmen gegeben. Umso höher ist der Mut der Zeugin Cheryl Z. zu bewerten, die auf ihr Recht verzichtete, während ihrer Aussage die Übertragung unterbrechen zu lassen.

    So erlebt die Nation die würdelosen Strategien der Verteidigung in Echtzeit mit, die in dem erfolglosen Versuch gipfelte, den Richter wegen Befangenheit vom Prozess abziehen zu lassen. Er hatte der Zeugin schlicht viel Glück für ein Universitätsexamen gewünscht. „Ich spüre den Schmerz dieser jungen Frau, und ich bin so stolz, zu sehen, wie mutig sie im Zeugenstand war“, sagte Ndileka Mandela, Enkelin der verstorbenen südafrikanischen Ikone Nelson Mandela. Sie hatte im Jahr 2017 öffentlich gemacht, dass sie von einem Ex-Freund vergewaltigt worden war.

    In den Fokus gerät auch die Rolle der wachsenden Pfingstkirchen in Afrika

    In den Fokus gerät aber auch die Rolle der wachsenden Pfingstkirchen in Afrika, die Religion mit örtlicher Kultur verbinden. Anfang des Jahres verübten Mitglieder der „Seven Angel’s Ministry Church“ gar einen Anschlag, bei dem fünf Polizisten getötet wurden. Die Konten der Kirchenführer waren prall gefüllt, viele Anhänger hatten ihnen sämtliche Ersparnisse überschrieben. Der Polizeipräsident sprach von einem „satanischen Kult“. Prediger anderer Kirchen sorgten für Aufsehen, weil sie Gläubige dazu brachten, mit Verweis auf Gott Schlangen und Ratten zu essen.

    In vielen afrikanischen Ländern gilt die Gründung einer eigenen Kirche als lukrative Geschäftsidee. Besonders in Omotosos Heimat Nigeria haben es dutzende Geistliche zu Millionärsstatus gebracht. In einigen Ländern regt sich jedoch vermehrt Widerstand. In Ruanda mussten auf Anweisung der Behörden 6000 Kirchen schließen.

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