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Verkehrssicherheit: Auf Italiens Straßen herrscht teils Lebensgefahr

Verkehrssicherheit

Auf Italiens Straßen herrscht teils Lebensgefahr

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    Die Überreste der Morandi-Brücke, auf der noch ein Lastwagen steht. Sie stürzte 2018 ein. Noch in diesem Jahr soll eine neue Brücke an der Stelle errichtet sein.
    Die Überreste der Morandi-Brücke, auf der noch ein Lastwagen steht. Sie stürzte 2018 ein. Noch in diesem Jahr soll eine neue Brücke an der Stelle errichtet sein. Foto: Lena Klimkeit, dpa

    Die jüngste Meldung stammt vom vergangenen Samstag. Fünf Autos waren morgens in einem Tunnel auf der ehemaligen Staatsstraße 671 in der Provinz Bergamo, Lombardei, unterwegs. Plötzlich lösten sich Betonteile von der Tunneldecke. Ein Autofahrer konnte nicht mehr bremsen und fuhr in die Trümmer auf der Fahrbahn. Zwei weitere Fahrzeuge stießen zusammen. Verletzte gab es nicht. Ein unbedeutender Unfall in der italienischen Provinz?

    Keineswegs. Der schlechte Zustand der italienischen Straßen und Autobahnen ist längst gefährlicher Alltag: zerstörte Fahrbahnen, herabstürzende Tunnel-Teile, mangelnde Wartung und Instandhaltung durch die Streckenbetreiber, sogar Betrug. Autofahren in Italien war schon immer ein Abenteuer. Inzwischen wird die Infrastruktur zunehmend zum Risiko.

    Die Liste der Schäden ist lang

    Die Liste der Schäden allein aus den vergangenen Wochen ist lang. Bei Gavio auf der Autobahn A6 von Turin nach Savona in Ligurien stürzte am 8. Januar Putz von der Decke. Niemand kam zu Schaden. Doch die Strecke ist berüchtigt, seit nur sechs Wochen zuvor ein Erdrutsch auf derselben Autobahn einen 30 Meter langen Viadukt wegschwemmte. Ein Autofahrer, der mit seinem Fahrzeug kurz vor dem Loch zum Stehen kam, warnte mitten auf der Fahrbahn die heranrasenden Fahrzeuge, darunter ein voll besetzter Bus. Auch hier: Niemand kam zu Schaden.

    Nur Tage später tat sich auf der A21 zwischen Turin und Piacenza auf Höhe Asti im Piemont ein zehn Meter großes Erdloch auf. Der Asphalt war einfach weggespült worden. Und so geht es weiter: 2,5 Tonnen Putz und Beton stürzten am 30. Dezember von der Decke des Berté-Tunnels auf der A26 bei Genua. Staatsanwalt Francesco Cozzi sagte: „Das hätte ein Blutbad geben können.“

    Cozzi ist der Staatsanwalt, der wegen des Einsturzes eines Teils der Morandi-Brücke in Genua im August 2018 ermittelt. 43 Menschen starben damals. 500 Personen mussten wegen Einsturzgefahr ihre Häuser verlassen. Seither stehen Italiens Straßen im Fokus. Sie sind zum Politikum geworden.

    Besonders schlimm ist es in Ligurien

    Vor allem in Norditalien und insbesondere in Ligurien herrschen katastrophale Zustände. Zwar wird

    Laut einem Bericht des italienischen Verkehrsministeriums, dessen Ergebnisse die Zeitung La Repubblica kürzlich veröffentlichte, entsprechen etwa 200 Autobahntunnel in Italien nicht den Sicherheitsvorschriften. Sämtliche dieser mehr als 500 Meter langen Tunnel wiesen Mängel auf. Darunter fehlende Standstreifen, Fluchtwege oder Brandmelder. Verkehrsministerin Paola De Micheli bestätigte den Bericht, gab aber Entwarnung: „Es gibt keine gefährdeten Tunnels, es handelt sich um Maßnahmen, um verschiedene Gesetzesvorschriften zu erfüllen.“

    Für 105 der im Bericht des Verkehrsministeriums genannten Strecken ist das Unternehmen Autostrade per l’Italia zuständig, das seit dem Teileinsturz der Morandi-Brücke stark unter Druck steht. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die in Rom mit den Sozialdemokraten regiert, fordert, dem größten Autobahnbetreiber Italiens – der von der Unternehmerfamilie Benetton kontrolliert wird – die Konzession zu entziehen. Wegen drohender Schadensersatzzahlungen wurde diese Drohung noch nicht wahr gemacht.

    Die Staatsanwaltschaft ermittelt

    Allerdings: Infolge der Schäden darf Autostrade per l’Italia im ersten Halbjahr 2020 die Autobahngebühren nicht wie üblich erhöhen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa erwirtschaftete das Unternehmen zwischen 2013 und 2017 einen Gewinn von 4,05 Milliarden Euro. Für die Instandhaltung wurden im selben Zeitraum 2,1 Milliarden Euro eingesetzt. Im vergangenen September kam zudem heraus, dass Ingenieure von Autostrade per l’Italia Berichte über Statikuntersuchungen in mindestens zwei Fällen gefälscht hatten. Ein Viadukt auf der A26 von Genua nach Turin sowie eine Brücke auf der A16 zwischen Neapel und Bari waren betroffen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

    Untersuchungsrichter ließen außerdem mehrere Autobahnbrücken auf der A14 (Bologna-Bari) sowie der A16 (Neapel-Bari) beschlagnahmen, weil diese nicht den Sicherheitsvorschriften entsprachen.

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