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Weltkulturerbe: Der Streit um Kreuzfahrtschiffe in Venedig geht weiter

Weltkulturerbe

Der Streit um Kreuzfahrtschiffe in Venedig geht weiter

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    Ein vertrautes Bild in Venedig: Kreuzfahrtschiff im Canale della Giudecca.
    Ein vertrautes Bild in Venedig: Kreuzfahrtschiff im Canale della Giudecca. Foto: Andrea Merola, dpa (Archivbild)

    Am Samstag war es wieder einmal soweit. Hinter den Häusern Venedigs ragten riesige Schornsteine hervor, schwarzer Ruß trat aus. Das Kreuzfahrtschiff „MSC Orchestra“ fuhr am Markusplatz vorbei. Die Lagunenstadt wirkte wie eine Kulisse. Dabei hat die italienische Regierung bereits im März ein Dekret erlassen, das die Durchfahrt der Kreuzfahrtschiffe verhindern soll. Doch die Durchsetzung des Gesetzes lässt auf sich warten.

    Die Folgen könnten gravierend sein: Bald nämlich, vom 15. bis 31. Juli, tagen die Experten der Weltkulturorganisation UNESCO in Peking. Und diese könnten Venedig auf ihre „rote Liste“ setzen – auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten. Schon 2019 hatte die Organisation damit gedroht, was jedoch ohne konkrete Folgen blieb.

    Venedig könnte bald auf der roten Liste der UNESCO stehen

    Die Maßnahme wäre ein schwerer Schlag für die Reputation der Stadt – mit unkalkulierbaren Konsequenzen etwa für die Tourismusbranche. Der Tourismus war in Venedig in Lockdown-Zeiten bis auf null zurückgegangen. Auch die Kreuzfahrtschiffe fuhren nicht mehr. Nun beginnen die Reisen wieder und Venedig steht erneut weit oben auf der Liste der Feriendestinationen.

    Anfang Juni kamen die ersten Kreuzfahrtriesen zurück in die Stadt: Die Hafenarbeiter jubelten, Umweltschützer protestierten. Während früher bis zu acht Kreuzfahrtschiffe an einem einzigen Wochenende anlegten, sind es derzeit zwei bis drei pro Woche.

    „Die Kreuzfahrtschiffe sind eines der Probleme“, sagte Mechtild Rössler, Direktorin des UNESCO-Welterbezentrums nun italienischen Medien. Zudem gehe es um andere Fragen – wie „die Auswirkungen des Massentourismus, den Rückgang der Einwohnerzahlen oder das Fehlen eines klaren Plans zur Eindämmung der Effekte des Klimawandels“ in Venedig.

    Zwar ist inzwischen das Hochwasserschutzsystem Mose in Betrieb und bewahrte die Stadt im Herbst mehrfach schon vor den Fluten. Doch für die UNESCO fehlt es an weitergehenden Maßnahmen und vor allem an einer glaubwürdigen Planung. „Wenn Venedig auf die rote Liste gesetzt würde, wäre das ein Alarmsignal“, sagt einer der Vorgänger Rösslers beim Welterbezentrum, Francesco Bandarin. „Die Stadt würde Prestige verlieren, und es würde international deutlich, dass es ein Problem gibt im Hinblick auf die von der Politik zu treffenden Entscheidungen.“

    Stehen wirtschaftliche Interessen in Venedig über dem Umweltschutz?

    Im Fall der Kreuzfahrtschiffe gibt es verschiedene, widerstreitende Interessen: Umweltschützer weisen auf die Luftverpestung durch die Schiffsriesen hin sowie auf die statische Gefährdung des labilen Untergrunds der Lagunenstadt durch die Verdrängung großer Wassermassen. Und sie warnen vor der weiteren Zerstörung der marinen Fauna.

    Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro, der der UNESCO einen Gegenmaßnahmenkatalog vorlegen sollte, scheint die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus höher zu gewichten. Dasselbe gilt für den Gouverneur der nordostitalienischen Region Veneto, Luca Zaia, der sagt: „Venedig und das Veneto werden niemals auf den Kreuzfahrttourismus verzichten, das ist ein Sektor, an dem 4500 Arbeitsplätze, 200 Unternehmen und enorme Geldflüsse hängen.“ Die Gewerkschaften haben eine ähnliche Haltung: „Venedig ist Weltkulturerbe und braucht keinen Stempel von der UNESCO“, meint CGIL-Funktionär Natale Colombo.

    Die Politik in Rom dagegen versucht, den Problemen seit Jahren Rechnung zu tragen, bislang ohne Erfolg. Bereits 2014 blockierte ein Ministerkomitee die Einfahrt der Riesenschiffe, ein Gericht hob den Beschluss später auf. Im vergangenen März fiel schließlich erneut die Entscheidung, die Kreuzfahrtschiffe aus der Lagune zu verbannen, und zwar nach einer Übergangszeit. Eigentlich sollten sie ab dem 5. Juli nicht mehr auf der spektakulären Route durch den Giudecca-Kanal am Markusplatz vorbeifahren dürfen, sondern im westlich gelegenen Industriehafen Marghera anlegen. Dort mangelt es aber an Landungsbrücken, die für 41 Millionen Euro erst noch gebaut werden müssen.

    Die Landung in Marghera soll auch nur eine Übergangslösung sein. In einem dieser Tage von der Regierung in Rom veröffentlichten Ideenwettbewerb soll eine Lösung für die Landung der Schiffe außerhalb der Lagune gesucht werden. Bis es dazu kommt, dürfte einige Zeit vergehen. Deutlich mehr, als die UNESCO voraussichtlich für ihre Entscheidung benötigen wird.

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