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Interview: El Hotzo: "Warum ich mir den Bullshit antue? Aus reiner Selbstsucht"

Interview

El Hotzo: "Warum ich mir den Bullshit antue? Aus reiner Selbstsucht"

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    Sebastian Hotz, 25, ist "El Hotzo" - unter diesem Namen hat er vor allem im vergangenen Jahr mit kreativen Sprüchen auf Twitter und Instagram für Aufsehen gesorgt.
    Sebastian Hotz, 25, ist "El Hotzo" - unter diesem Namen hat er vor allem im vergangenen Jahr mit kreativen Sprüchen auf Twitter und Instagram für Aufsehen gesorgt. Foto: Noel Richter

    Sebastian Hotz, 25, ist ein Internetphänomen. Unter dem Nutzernamen "El Hotzo" ist er vor allem auf Twitter bekannt, wo er satirische Beiträge schreibt, oft 30 am Tag, und damit Hunderttausende erreicht. Ein Best Of veröffentlicht er auf Instagram, wo ihm fast 700.000 Menschen folgen. Seit kurzem verdient er sein Geld als professioneller Witze-Schreiber. Unter anderem arbeitet er für das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann.

    Herr Hotz, ich habe eine Vermutung: Sie sind gestern gegen Mitternacht ins Bett gegangen und heute gegen 8 oder 9 Uhr aufgestanden.

    Sebastian Hotz: Das ist gruselig. Aber ja, das ist fast richtig. Ich bin gestern etwas länger wachgeblieben, fast bis halb 2. Dafür hab ich heute ein bisschen verpennt. Ich bin erst um 9 Uhr aufgestanden. Normalerweise stehe ich aber um halb 8 auf.

    Sie können sich vielleicht denken, wie ich darauf komme: Ihre Twitter-Aktivität.

    Hotz: Mir ist schmerzlich bewusst, dass ich wirklich von morgens bis abends online bin.

    Und die meiste Zeit davon auf Twitter – gegen neun Uhr erscheinen die ersten Beiträge, gegen Mitternacht die letzten. Wer auf Ihr Profil klickt, sieht die Beschreibung "Lebendiges Satire-Meme". Das versteht vermutlich nicht jeder.

    Hotz: Die Funktion dieser Kurzbeschreibung ist, dass man auf den ersten Blick erkennt, dass vieles, was ich schreibe, nicht ernst gemeint ist. Es ist aber gar nicht so einfach zu erklären, was ich bin. Meinen Eltern sage ich, dass ich freier Autor bin, weil ich damit Geld verdiene. Journalist:innen* sage ich, dass ich ein Internetclown bin, damit die mich nicht zu ernst nehmen. Ich bin wahrscheinlich eine Mischung aus Online-Humorist – dieses Wort habe ich vor kurzem gelernt – und Internet-Enthusiast.

    Sebastian Hotz alias "El Hotzo" kommt aus einem Dorf in der Nähe von Bamberg - zu Hause ist er aber im Internet.
    Sebastian Hotz alias "El Hotzo" kommt aus einem Dorf in der Nähe von Bamberg - zu Hause ist er aber im Internet. Foto: Max Sand

    Mit Witzen auf Twitter verdienen Sie nicht direkt Geld. Warum tun Sie das dann?

    Hotz: Es ist bei so vielen Künstler:innen im Internet tragisch, dass sie kein oder zu wenig Geld bekommen. Ich habe mich aber komplett freiwillig dafür entschieden, einfach alles ins Internet zu rotzen. Vieles davon ist auch das: Rotz. Und wegen der geringen Schöpfungshöhe sind Witze auf Twitter oder auch auf Instagram schwer zu monetarisieren. Meine Accounts sind eigentlich ausgedehnte Bewerbungsschreiben für meine Jobs, die ich jetzt seit einem halben Jahr machen darf.

    Sie sind seit kurzem Autor für das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann. Das ist daraus gewachsen, dass Sie Witze auf Twitter machen?

    Hotz: Definitiv, anders wären die nie auf mich gekommen. Und, mal vom Geld abgesehen, bringt mir diese Internetaktivität so viel. Allein, dass ich so viele wunderbare Freund:innen kennengelernt habe. Auch wenn das unglaublich pathetisch und peinlich ist, das so zu sagen: Das ist mehr wert als die ganze Reichweite.

    Dazu kommt ein gutes Gefühl, wenn etwas, dass Sie geschrieben haben, Tausende Reaktionen hervorruft.

    Hotz: Das ist wirklich das Geilste. Das ist ein Endorphin-Rausch. Ein komisches Machtgefühl und gleichzeitig das Wissen: Vielleicht hab ich da draußen irgendjemanden zum Lachen, zum Grinsen oder wenigsten zum starken Ausatmen gebracht.

    Sie sind 25 Jahre alt und viele finden, dass Sie mit Ihrem Humor einen gewissen Zeitgeist treffen. Deswegen wurden Sie nun schon mehrfach "Stimme Ihrer Generation" genannt. Was sagen Sie zu dieser Zuschreibung?

    Hotz: Das ist absolut übertrieben. Ich glaube aber, dass die Art, wie ich Humor verstehe, gut in die Zeit passt. Weil ich einer Generation angehöre, die sich zunehmend politisiert und Meinungen hat. Vor 25, 20, auch noch vor zehn Jahren, war das nicht nötig. Weil wir all die Probleme wegignorieren konnten, weil sie so weit weg waren. Jetzt leben wir – schon vor der Pandemie – in einer Zeit, in der Probleme und Konflikte direkt vor unserer Haustür stattfinden und uns direkt betreffen. Das führt dazu, dass man eine andere Art hat, Humor zu machen. Weil auf einmal allen bewusst ist, dass es ein Rassismusproblem gibt. Es ist allen bewusst, dass es Missmanagement in Sachen Corona gibt. Und es ist allen bewusst, dass wir in 20, 30 Jahren ein gewaltiges Problem mit dem Klimawandel haben werden.

    Sie könnten sich aber auch hinter Ihrer Kunstfigur verstecken. Stattdessen zeigen Sie Haltung, Sie beziehen zum Beispiel oft Stellung gegen Rechts. Und müssen deshalb ziemlich viel Gegenwind aushalten. Warum tun Sie sich das an?

    Hotz: Warum ich mir den ganzen Bullshit antue?Aus reiner Selbstsucht, dem Wunsch nach Publikum und dem unglaublichen Drang zur Selbstdarstellung. Mein politisches Verantwortungsbewusstsein und der Wille, wenn man das so nennen möchte, politische Satire zu machen, haben sich aber daraus entwickelt, dass meine Reichweite so groß geworden ist. Ich wollte mich klar abgrenzen, von den Leuten, die ich nicht unter meinen Followern haben möchte.

    Ihre Karriere ist ja ohnehin schon ungewöhnlich …

    Hotz: es ist vor allem noch keine Karriere.

    Auf jeden Fall ist vieles davon im vergangenen Jahr passiert, mitten in der Corona-Pandemie. Sie wohnen inzwischen in Berlin, kommen aber aus einem 150-Einwohner-Dorf.

    Hotz: 120, es sterben gerade viele.

    Okay, aus einem 120-Einwohner-Dorf in der Nähe von Bamberg. Nachdem Ihr – nennen wir es dann Werdegang – größtenteils im vergangenen Jahr stattgefunden hat, haben Sie viele Auswirkungen Ihrer neuen Bekanntheit noch gar nicht erlebt. Sie saßen noch nicht in einem Bierzelt in Ihrem Dorf, in dem alle Leute um Sie herum wussten, dass Sie dieser Internetclown sind.

    Hotz: Ich bin mir gar nicht sicher, ob die Menschen in diesem Bierzelt wüssten, was ich tue. Das ist der Vorteil daran, dass sich diese Menschen weit weg von den Social-Media-Plattformen bewegen, in denen ich mich bewege. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass die nicht immer begeistert davon sind, wie ich Dinge formuliere, welches Klientel ich kritisiere und mit wem ich hart ins Gericht gehe. Ich kann mir vorstellen, dass es da Gegenwind gibt. Ich hoffe aber trotzdem, dass der Hype um mich noch so lange anhält, bis es wieder Partys gibt. Ich will noch herausfinden, wem ich alles absagen kann. Weil ich keine Lust habe, auf irgendeine Berliner Koks-Party zu gehen.

    Sie betonen immer wieder, dass das, was Ihnen passiert, ein Hype ist. Wie sorgen Sie für die Zeit danach vor?

    Hotz: Erstens versuche ich, mich mental darauf vorzubereiten, indem ich immer wieder betone, dass es ein Hype ist. Und zweitens versuche ich, mich auf andere Formen des Schreibens zu verlagern. Dazu gehört der Writers-Room vom "ZDF Magazin". Und Buchprojekte. Ich darf gerade ganz viel Wildes, Komisches, Wunderbares machen. Wenn ich tatsächlich Talent dafür haben sollte was sich jetzt erst zeigen wird bin ich zufrieden damit, irgendwann mit Mitte 40 in der zweiten Reihe in irgendeinem Writers-Room zu sein. Dann habe ich meinen Traum erfüllt: Mit kreativem Schreiben meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ohne jemals so wirklich daran geglaubt zu haben.

    Die zweite Reihe wäre – trotz Selbstsucht, Wunsch nach Publikum und unglaublichem Drang zur Selbstdarstellung – also okay?

    Hotz: Ich bin absolut zufrieden mit der zweiten Reihe. Es ist im Moment schön, dass ich Interviews geben darf. Es ist schön, dass mich Leute auf der Straße erkennen. Es ist schön, dass ich diesen seltsamen Prominentenstatus habe. Das wird aber nicht für immer gehen. Und das ist gut so.

    Obwohl Sie inzwischen auch professionell Witze schreiben, fällt nicht auf, dass Sie seitdem weniger auf Twitter veröffentlichen würden.

    Hotz: Nein, das sind, finde ich, komplett voneinander getrennte Dinge. Das eine sind Witze oder Inhalte mit einem Kontext und einem Ziel, das andere sind einfach meine eigenen Gedanken, das sind Gags, bei denen ich ganz losgekoppelt meine eigenen Themen setzen kann. Vielleicht schaffe ich irgendwann nicht mehr beides. Dann poste ich eben mal nur fünf Tweets am Tag. Oder einen Tag lang keinen.

    Bei der Menge an kreativen Tweets haben Sie aber bestimmt auch einiges in Ihrem Entwürfe-Ordner?

    Hotz: Den können wir uns gerne anschauen. Moment … Hier. Ich möchte gerade etwas über Fahrräder schreiben. Weil es irgendwie beschissen ist, dass Fahrräder einerseits super für die innerstädtische Mobilität sind, aber halt auch ein peinliches Verkehrsmittel. Dann hab ich hier noch die Stichworte "Hass ist keine Meinung", "2011" und "Shawarmin Laschet". Ich weiß nicht mehr genau, was ich damit wollte. Und die Wörter "Döner, Glutamat, Impfstoff." Weird.

    Womit würden Sie jetzt Geld verdienen, wenn Sie nicht mit solchen Gedanken Ihre Miete bezahlen könnten?

    Hotz: Ich habe schon lange, bevor das hier losgegangen ist, meinen Job bei Siemens gekündigt. Wenn alles regulär gelaufen wäre, würde ich gerade meine Masterarbeit schreiben, an der Uni Bielefeld, in Wissenschaftstheorie. Wahrscheinlich würde ich irgendeinen Job an der Uni machen, vielleicht auch einen Nebenjob in einer Bäckerei oder so. Vermutlich würde ich mich auf eine Stelle an der Uni bewerben und hoffen, nie wieder in der freien Wirtschaft tätig sein zu müssen. Ansonsten: Vertriebsbüro Siemens, Service-Verträge für Dampfturbinen.

    *Sebastian Hotz gendert während des Sprechens. Der Doppelpunkt steht wie oft auch ein Gendersternchen für die kurze Pause, die dabei im Wort entsteht. Der Doppelpunkt wird auch von Sprachassistenten als Pause gelesen.

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