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Trump setzt Zölle aus: Chaos an den Märkten und mögliche Insidergeschäfte – was steckt dahinter?

US-Handelspolitik

Zölle, Zölle, Zölle: US-Präsident Donald Trump drückt den Panikknopf

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    Kaum hatte US-Präsident Donald Trump seine Liste mit den weltweiten Strafzöllen präsentiert, spielten die Finanzmärkte (hier ein Blick in die Frankfurter Wertpapierbörse) regelrecht verrückt.
    Kaum hatte US-Präsident Donald Trump seine Liste mit den weltweiten Strafzöllen präsentiert, spielten die Finanzmärkte (hier ein Blick in die Frankfurter Wertpapierbörse) regelrecht verrückt. Foto: Arne Dedert, dpa

    Wenn die Suche nach Erklärungen, nach einem Sinn, geschweige denn nach Anstand endgültig im Nichts endet, bleibt womöglich nur jene Schlussfolgerung, die einst Wolfgang Petry zu Ruhm verhalf. „Wahnsinn“, sang dieser 1983. Und die Fans auf seinen Konzerten grölten schon bald „Zölle, Zölle, Zölle!“ hinterher. Oder hieß das „Hölle, Hölle, Hölle!“? Übertragen auf Donald Trump, seine Handelspolitik und deren Folgen passt beides.

    Am Ende aber war alles natürlich ein genialer Plan. „Er ist fast 3000 Punkte gestiegen“, brüstete sich Trump im Oval Office des Weißen Hauses, als das amerikanische Dow-Jones-Börsenbarometer auf einmal steil anstieg. „Niemand hat so etwas je erlebt.“ Der Präsident wirkte mit sich sehr zufrieden. „Ich denke, das ist ein Rekord?“, forderte er seinen Wirtschaftsminister Howard Lutnick zum Lob heraus. „Definitiv“, bestätigte dieser brav. Und Trumps Zoll-Berater Peter Navarro jubelte: „Alles hat sich genau wie geplant entwickelt.“

    Im Hintergrund hat es in der US-Regierung schon länger Diskussionen über die Strafzölle von Donald Trump gegeben

    Tatsächlich spielten sich am Mittwoch in Washington die wohl chaotischsten Szenen seit Jahren ab. Noch am Vorabend hatte Trump geschwärmt, seine Zoll-Offensive gegen den Rest der Welt laufe großartig: „Jeder will mir den Arsch küssen.“ Am nächsten Morgen waren die Glücksgefühle des Präsidenten nicht mehr ganz so groß. „Bleibt cool! Alles wird gut werden“, postete er um 9.33 Uhr auf seinem Propagandakanal Truth Social. Knapp vier Stunden später kam die 180-Grad-Wende: Der Imperator im Weißen Haus setzte einen beträchtlichen Teil der Zölle für alle Länder außer China aus.

    „Das hat Donald Trump brillant ausgeführt“, schwärmte der milliardenschwere Hedgefonds-Manager Bill Ackman: „Das ist wie aus dem Lehrbuch ‚The Art of the Deal‘“ – einem Ratgeber, den Trump 1987 von einem Ghostwriter schreiben ließ. Doch tatsächlich war nichts geplant an der jüngsten Volte des Dealmakers. Als er die Nachricht um 13.18 Uhr über Truth Social verbreitete, saß sein Handelsbeauftragter Jamieson Greer gerade in einer Anhörung des Kongresses. Die Wende traf den zuständigen Regierungsvertreter vor laufenden Kameras komplett unvorbereitet. Minutenlang eierte er herum und wusste keinerlei Details.

    Im Hintergrund hatte es in der US-Regierung schon länger Diskussionen über die Zoll-Orgie gegeben, die Märkte und Unternehmen rund um den Globus seit Tagen auf einen aberwitzigen Schleuderkurs schicken. In Deutschland beispielsweise rauschte Anfang der Woche der wichtigste Börsenindex Dax innerhalb eines Tages erst zehn Prozent nach unten, drehte dann ins Plus und verlor am Ende doch gut vier Prozent. Am Donnerstag wiederum startete er mit einem gewaltigen Aufschlag von mehr als acht Prozent – der beste Tagesauftakt seit Beginn der Datenaufzeichnung im Jahre 1991. Immerhin konnte der Index einen guten Teil seiner Gewinne halten.

    In den USA hatte vor allem Finanzminister Scott Bessent nach Medienberichten intern für ein strukturierteres Herangehen geworben. Nach dem Absturz der Börsen am Dienstag waren die Klagen lauter geworden. Tesla-Eigner Elon Musk hatte dem Zoll-Fanatiker Navarro bescheinigt, „dümmer als ein Sack Backsteine“ zu sein. Der vom Demokraten-Unterstützer zum Trump-Fanboy mutierte Ackman hatte vor einem „ökonomischen nuklearen Winter“ gewarnt.

    Der Chef der Investmentbank J.P. Morgan hält eine Rezession in den USA für „wahrscheinlich“

    Vor seinem Durchhaltetweet („Bleibt cool!“) dürfte Trump wie jeden Morgen Fox-News geschaut haben. Dort war um kurz nach acht Jamie Dimon, der Chef der Investmentbank J.P. Morgan, zu Gast. „Es ist ernst“, warnte der Finanzmanager. Inzwischen halte er eine Rezession für „den wahrscheinlichen Ausgang“ der aktuellen Turbulenzen, sagte er; in Deutschland erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute für dieses Jahr nun allenfalls ein Mini-Wachstum. Extrem besorgt zeigten sich andere US-Experten vor allem über die bedrohliche Entwicklung am Anleihemarkt, die auf Panik der Anleger hindeutete. „Ich habe mir den Anleihemarkt angeschaut“, sagte Trump Stunden später offen: „Einigen Leuten wurde etwas mulmig.“

    Also zog Trump am Mittag die Notbremse und setzte die über den neuen zehnprozentigen Basiszoll hinausgehenden Abgaben für 90 Tage aus. Natürlich verkaufte er sein Einknicken als Erfolg: Angeblich reagierte er darauf, dass ihn inzwischen Vertreter von 75 Ländern angerufen und um Verhandlungen angebettelt hätten. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er an der abrupten Kehrtwende nicht auch noch verdient hätte.

    US-Präsident Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses.
    US-Präsident Donald Trump im Oval Office des Weißen Hauses. Foto: Uncredited, Pool/AP/dpa

    „Dies ist eine großartige Zeit, um zu kaufen“, gab er – scheinbar unvermittelt – um 9.37 Uhr am Mittwochmorgen bei Truth Social einen Anlagetipp, der mit „DJT“ gezeichnet war, dem Börsenkürzel für seine Social-Media-Firma. Tatsächlich hätte es sich gelohnt, Trumps Rat zu folgen: Der Kurs seiner Aktie stieg um 21 Prozent. Damit erhöhte sich der Unternehmenswert innerhalb weniger Stunden um 415 Millionen Dollar.

    Mutmaßlich haben verdeckt noch andere Personen viel mehr an der Volte kräftig verdient. Minuten vor der Ankündigung der Zollpause schossen die Umsätze an den Börsen nämlich mysteriös nach oben. Führende Demokraten sind überzeugt, dass Mitwisser so illegal in kurzer Zeit kräftig Kasse gemacht haben. „Das ist Betrug in Reinkultur. Dieses skrupellose Regieren zielt ganz klar darauf ab, Milliardäre reicher zu machen, während der Rest von uns den Preis dafür zahlt“, empörte sich der Abgeordnete Steven Horsford. „Ein Insider-Skandal zeichnet sich ab“, ist der demokratische Senator Chris Murphy überzeugt. „Ich habe interessante Gerüchte im Kongress gehört“, deutete die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez an.

    Die EU will ihre geplanten Gegenzölle auf US-Produkte vorerst auch nicht in Kraft setzen

    In einem fünfseitigen Brief an das Weiße Haus verlangt Senator Adam Schiff nun Aufklärung über den genauen Ablauf der Entscheidung und die mögliche Beteiligung von Mitgliedern der Trump-Familie. Gleichzeitig ruft der einstige Chefankläger im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump mögliche Whistleblower auf, sich vertraulich an die Demokraten im Kongress zu wenden. Schiff ist überzeugt: „Wir werden herausfinden, ob irgendjemand davon profitiert hat.“

    Und wie geht es mit den Zöllen weiter? Als Reaktion auf die von Trump angeordnete Atempause will die Europäische Union ihre geplanten Gegenzölle auf US-Produkte vorerst auch nicht in Kraft setzen. Sie würden ebenfalls für knapp drei Monate auf Eis gelegt, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Eine neuerliche Volte vonseiten des amerikanischen Präsidenten ist aber jederzeit denkbar. Und: Was China betrifft, bleibt er hart.

    Der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften spitzt sich dramatisch zu. Denn Trump erhöhte den Zollsatz auf Einfuhren aus China mit sofortiger Wirkung noch einmal – von 104 auf 125 Prozent. Als Antwort auf eine vorherige US-Zollerhöhung in Höhe von 50 Prozent setzte Peking am Donnerstag Gegenzölle im gleichen Umfang in Kraft – die Sonderzölle auf alle US-Einfuhren betragen damit 84 Prozent. Offen ist, ob China nun mit einer weiteren Eskalation auf Trumps jüngsten Vorstoß reagiert.

    „Wir haben dies genau eingeschätzt und sind auch darauf vorbereitet, mit verschiedenen unsicheren Faktoren umzugehen“, sagte Premier Li Qiang schon am Mittwoch. „Die Entwicklung unseres Landes ist immer durch die Überwindung von Schwierigkeiten und Herausforderungen vorangekommen.“ Der Parteikader tut das, worin sich derzeit sämtliche seiner Genossen versuchen: Durchhalteparolen schwingen und Stärke demonstrieren.

    Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, hier Staatspräsident Xi Jinping, spitzt sich dramatisch zu.
    Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, hier Staatspräsident Xi Jinping, spitzt sich dramatisch zu. Foto: Johannes Neudecker, dpa

    Doch Peking befindet sich in einer extrem misslichen Lage. Die South China Morning Post hat sie gekonnt in einer Überschrift auf den Punkt gebracht: „China hat Druckmittel für weitere Vergeltungsmaßnahmen und nichts mehr zu verlieren“. Trump rüttelt mit seinem Zoll-Regime ausgerechnet an jenem Pfeiler der chinesischen Volkswirtschaft, der zuletzt noch superstabil war: Im letzten Jahr generierte China ein Drittel des Wachstums über seine Exporte – weshalb es nun mit einer regelrechten Charme-Offensive versucht, die Europäer zu umgarnen, um seine hochsubventionierten Produkte zu verkaufen. „Staatspräsident Xi Jinping ist jedoch der Ansicht, dass China in diesem Wettbewerb einen strategischen Vorteil hat“, argumentiert der ehemalige Immobilienentwickler Desmond Shum, der mittlerweile als scharfer Peking-Kritiker im britischen Exil lebt. „Aus seiner Sicht fehlt es den Vereinigten Staaten, die durch ihr demokratisches System eingeschränkt sind, an politischem Willen und Durchhaltevermögen, um ihren Bürgern anhaltende wirtschaftliche Härten aufzuerlegen.“

    Diesmal führte nicht die eigene Parteiführung die missliche Lage in China herbei, sondern der Erzfeind USA

    Die Chinesen hingegen sind gut darin erprobt, den Gürtel enger zu schnallen und die Widrigkeiten des Lebens fatalistisch hinzunehmen. Das hat beispielsweise die rigide „Null Covid“-Politik gezeigt, als gegen Ende der Pandemie Millionenstädte über Monate hinweg vollständig abgeriegelt wurden. Erst nach immensen Schmerzen für die Wirtschaft regte sich zaghafter Widerstand – natürlich auch, weil China einer der umfassendsten Überwachungsstaaten der Welt ist. Diesmal jedoch führte nicht die eigene Parteiführung diese missliche Lage herbei, sondern der Erzfeind USA. Das schweißt nochmal doppelt zusammen.

    Auch dieser Umstand lässt sich am Ende womöglich nur mit Wolfgang Petry erklären.

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